Neue Analyse des BPI

Über die Schwächen der frühen Nutzenbewertung

Berlin - 13.07.2017, 09:10 Uhr

Unzufrieden: Ein neues Periodikum des BPI offenbart einige Schwächen der frühen Nutzenbewertung. (Foto: dpa)

Unzufrieden: Ein neues Periodikum des BPI offenbart einige Schwächen der frühen Nutzenbewertung. (Foto: dpa)


Folgen der Preisverhandlungen

Auch zu den Preisverhandlungen nach der frühen Nutzenbewertung bietet die Broschüre Daten. Dazu werden 137 Arzneimittel betrachtet. Davon wurden vier Arzneimittel einer Festbetragsgruppe zugeordnet, in 13 Fällen zog der Hersteller sein Produkt vor der Preisverhandlung aus dem deutschen Markt zurück (Opt-out). In 120 Fällen wurden nach dem G-BA-Beschluss zum Zusatznutzen Erstattungsbeträge zwischen Kassen und dem jeweiligen Hersteller verhandelt oder festgelegt, davon in 99 Fällen auf dem Verhandlungsweg. In einigen Fällen ohne Einigung setzten die Hersteller ihre Arzneimittel außer Vertrieb. Andere Arzneimittel wurden gar nicht erst in Deutschland eingeführt.

Lernendes System gefordert

Letztlich plädieren die Autoren dafür, das Bewertungsverfahren stärker als lernendes System zu interpretieren, um Steuerungsproblemen, umstrittenen Bewertungen und Versorgungslücken zu begegnen. Probleme sehen sie in der Anreizwirkung für die Forschung, in der Subgruppenbildung, im Umgang mit der Kategorie „kein Zusatznutzen“ und bei den Schiedsstellenentscheidungen zu den Preisen. Das Verfahren laufe Gefahr, zu einer „vierten Hürde“ für Innovationen zu werden, die gesundheitspolitisch nicht gewollt ist. Zudem erinnern die Autoren daran, dass das Verfahren keine umfassende gesundheitsökonomische Evaluation darstellt. Eine solche Evaluation empfehlen die Autoren jedoch als Grundlage für die Preisverhandlung.

Kassen und Hersteller an vielen Stellen weiterhin uneinig

Erst kürzlich hatte der Gesetzgeber das Verfahren der frühen Nutzenbewertung mithilfe des Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetzes (AMVSG) an einigen Stellen angepasst. Das AMVSG war größtenteils das Ergebnis des Pharmadialogs zwischen Pharmaindustrie und Bundesregierung. Und so konnten sich auch einige Forderungen der Hersteller durchsetzen. Unter anderem sollen Kinderarzneimittel von der Bewertung ausgeschlossen werden. Außerdem ist es nun in Einzelfällen möglich, bei der Vereinbarung von Erstattungsbeträgen bei nicht belegtem Zusatznutzen von der Vorgabe abzuweichen, dass der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen darf als die wirtschaftlichste Vergleichstherapie.

Aber auch die Krankenkassen konnten sich mit einigen zentralen Forderungen durchsetzen – obwohl sie beim Pharmadialog gar nicht dabei waren. So wurde aus dem Gesetz gestrichen, dass die Preise neuer Arzneimittel vertraulich behandelt werden sollen. Außerdem wurde das Preismoratorium erneut bis 2022 verlängert. Trotzdem ist mit dem Status quo der frühen Nutzenbewertung immer noch niemand so richtig zufrieden: Die Pharmaindustrie beschwert sich – wie oben beschrieben – über die Systematik der Bewertungen, insbesondere die sogenannten „Mischpreise“ sorgen immer wieder für Aufregung. Die Krankenkassen hingegen meinen nach wie vor, dass Hersteller auch im ersten Jahr nach der Zulassung eine Preisregulation brauchen, um zu hohe Preise zu verhindern.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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