Entlassmanagement

Beim Entlassrezept ist für Apotheker noch vieles unklar

Stuttgart - 14.07.2017, 17:45 Uhr

Fest steht, das Entlassrezept kommt ab 1. Oktober 2017. Für Apotheken ist allerdings noch einiges nebulös. (Foto: DAZ / Sket)

Fest steht, das Entlassrezept kommt ab 1. Oktober 2017. Für Apotheken ist allerdings noch einiges nebulös. (Foto: DAZ / Sket)


Es kommt, und zwar ab 1. Oktober 2017: das Entlassmanagement. Mit ihm die Möglichkeit der Klinikärzte, ihren Patienten bei Entlassung aus dem Krankenhaus ein Entlassrezept auszustellen. Welche Besonderheiten hat diese Entlassverordnung? Für Apotheker ist bislang manches noch unklar – sind Retaxationen vorprogrammiert?

„Kontinuierliche Versorgung der Patienten“ oder „der Patient und seine Bedürfnisse stehen im Zentrum der Bemühung“: Das sind typische Redewendungen, die häufig im Zusammenhang mit dem Entlassmanagement stehen und so wörtlich mittlerweile auch im Rahmenvertrag verankert sind. Dieser Rahmenvertrag schuf viel Diskussionen und Zwist bei den beteiligten Parteien – der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband. Letztlich fanden im Juni dieses Jahres die Vertragspartner mit Unterstützung einer Schiedsstelle doch einen Konsens und einigten sich nun auf ein Inkrafttreten dieses neuen Rahmenvertrags zum 1. Oktober 2017. Dann also kommt das Entlassmanagement.

Auch wenn Apotheker außerhalb des Krankenhauses nicht aktiv in die Gestaltung des Entlassmanagements eingebunden waren und sind, kommen Offizinapotheker dennoch damit in Kontakt – durch den Medikationsplan zum einen und das Entlassrezept zum anderen. Hier ist es gut zu wissen, welche Besonderheiten diese neue Verordnungsmöglichkeit der Klinikärzte mit sich bringt. Wie lange gilt so ein Rezept überhaupt? DAZ.online hat sich über die aktuelle Situation für Apotheker informiert – und herausgefunden, dass vieles zum Handling des Entlassrezeptes in der Apotheke noch in den Sternen steht.

Wie sieht das Rezept aus?

Das Rezeptimage ist aber zumindest einmal eindeutig, altbekannt und vertraut: Wie auch bei gewöhnlichen GKV-Rezepten verordnen Krankenhausärzte Arznei-, Heil- und Hilfsmittel auf dem rosa Rezept Muster 16.

Welche Ärzte dürfen verordnen? Und was bedeutet 4444444?

Auch die Verordnungskompetenz wurde klar definiert: Verordnen dürfen nur Krankenhausärzte, die eine abgeschlossene Facharztausbildung haben. Das entbindet folglich alle Assistenzärzte vom Verordnungsrecht – oder eben der -pflicht. Wie auch Ärzte aus dem niedergelassenen Bereich, müssen Klinikärzte über ihre Arztnummer auf dem ausgestellten Rezept eigentlich eindeutig identifizierbar sein. Bislang gibt es allerdings noch keine speziellen Krankenhausarztnummern. Bis diese bürokratische Hürde genommen ist, verordnen alle Fachärzte unter einer siebenstelligen Pseudoarztnummer: 4444444.

Wie lange dürfen Apotheker ein Entlassrezept beliefern?

Bei dieser Frage beginnen sich bereits die Geister zu scheiden. Raum für Interpretation ist zur Genüge vorhanden, denn: „Verordnungen nach § 39 Abs. 1a SGB V sind als solche zu kennzeichnen und dürfen nur innerhalb von 3 Werktagen zu Lasten der Krankenkasse beliefert werden“, regelt die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) in § 11 Absatz 4. Zählt der Tag der Ausstellung bereits dazu? In Analogie zu Verordnungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel im niedergelassenen Bereich, wo Rezepte einen Monat Gültigkeit besitzen, liegt die Vermutung nahe. Wohingegen es sich bei Betäubungsmitteln gleich wieder anders verhält: „Die Belieferung von Betäubungsmittelverschreibungen ist nur innerhalb von 7 Tagen zulässig“, schreibt die AM-RL § 11 Absatz 5 hierzu vor. Der Tag der Ausstellung zählt hier aber nicht mit in die Belieferungsfrist. Woran sollen sich Apotheker nun orientieren? Was sind „drei Werktage" konkret für das Entlassrezept? Eine genaue Definition gibt es bislang nicht.

Gelten BtM-Rezepte eine Woche?

Auch wenn die Definition „innerhalb von drei Werktagen“ nicht ganz retaxsicher formuliert ist, so ist die Regelung zumindest für „normale“ verschreibungspflichtige Arzneimittel und Betäubungsmittel einheitlich gehalten. Die Verordnung von Betäubungsmitteln darf, wie auch im niedergelassenen Bereich, nur auf speziellen BtM-Rezepten erfolgen, allerdings darf das Rezept nicht innerhalb von sieben Tagen abgerechnet werden, sondern eben nur innerhalb von drei Werktagen. Gleiches gilt auch für die Verordnung von Lenalidomid, Pomalidomid und Thalidomid auf T-Rezepten. Wichtig in diesem Zusammenhang könnte auch sein: Samstage sind Werktage.

Was ist die kleinste Packungsgröße?

Müssen Ärzte im Rahmen des Entlassmanagements Rezepte ausstellen, so dürfen sie bei Arzneimitteln lediglich eine „Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung“ aufschreiben. Das entspricht gewöhnlich N1. Ist die kleinste im Handel befindliche Packung eine N2-Größe – müsste diese ja eigentlich die „Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen“ sein und folglich rezeptierbar und seitens der Apotheke abzugeben. Wie sich der Fall verhält, wenn ärztlicherseits N1 verordnet wird, es allerdings nur N2 gibt, ist nicht festgelegt. Ist ärztliche Rücksprache erforderlich? Muss der Apotheker ein neues Rezept organisieren? Oder darf der Apotheker gar auch ohne Rücksprache den Patienten versorgen? DAZ.online hat hierauf bislang keine definitiven Aussagen erhalten, bleibt aber an dem Thema dran.

Ist ein Arzneimittel nicht anhand der N-Kennzeichnung eingestuft, enthält allerdings weniger Tabletten, Kapseln oder Volumen als der definierte kleinste N-Bereich, dürfen Apotheker dem Patienten dieses Präparat mitgeben. Ein solcher Fall kann Apothekern beispielsweise bei Pantoprazol-Verordnungen regelmäßig begegnen, ein beliebtes Arzneimittel, das fast bei jedem Patienten im Krankenhaus die Dosette füllt. Packungsgrößen mit 14 oder 15 magensaftresistenten Tabletten Pantoprazol sind nicht normiert, allerdings unterhalb des N1-Größenbereichs mit 24 bis 36 Tabletten und dürfen so bei solchen Verordnung der Stückzahl abgegeben werden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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9 Kommentare

Eine Frage bleibt offen

von Stefan Schwenzer am 17.07.2017 um 11:35 Uhr

Was Herr Mischer schreibt ist alles gut und richtig.
Eine wichtige Frage bleibt aber meines Erachtens im Artikel unerwähnt: in welchem Umfang sind Apotheker überhaupt verpflichtet - über die AM-VV hinausgehend - Entlassrezepte auf ihre administrative Richtigkeit zu prüfen?
Ich sehe jedenfalls aus den bestehenden Verträgen heraus keinen Anlass, in der Apotheke zu prüfen ob die im Krankenhaus verordnete Packungsgröße den Vorgaben des Entlassmanagements und der AM-RL entsprechen. Hier sind m.E. die Krankenhäuser in der Pflicht und auch in der wirtschaftlichen Verantwortung. Name und Vorname des verschreibenden Arztes sowie die Berufsbezeichnung müssen schon heute auch bei Verordnungen von Krankenhäusern angegeben werden. Ob dieser Arzt dann die im Entlassmanagement geforderte Qualifikation aufweist muss und kann m.E. die Apotheke nicht prüfen. Oder gibt es da schon entsprechende Vereinbarungen?

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AW: Eine Frage bleibt offen

von Michael Mischer am 17.07.2017 um 15:52 Uhr

Die Frage ist - was ist einem Entlassrezept mit einer zu großen Packung ähnlicher:
Eine Verordnung von Bicanorm auf Kassenrezept, wo ich nicht prüfen kann und muss, ob der Patienten niereninsuffizient ist und deswegen einfach beliefere
oder eher eine Verordnung von Saxenda auf Kassenrezept, bei der ich durch Abgabe um eine Nullretax bitte, weil klar ist, dass Abnehmmittel nicht von der GKV gezahlt werden..

Ich wäre mir da nicht so sicher...

N1

von Sven Larisch am 17.07.2017 um 10:19 Uhr

Ich kann mich im Fall "kleinste Packungsgröße gemaäß PGVO" nur Herrn MIscher anschliessen. Auch ohne seine ausführliche Recherche ersehe ich alleine aus dem Satz das die Mindestabgabe N1 ist und somit bei Pantoprazol nicht unter N1 abgegeben wird.
Gibt es keine kleineren Packung als N2 oder N3 berufe ich mich doch auch darauf, das kleinere Packungseinheiten nicht verfügbar sind. Ein handschriftlicher Zusatz auf dem Rezept sollte reichen.
Ach ja , ich sehe Entlassrezepte hauptsächlich Freitag Nachmittag und Samstags/Sonntags- da gibt es die CITO Möglichkeit :-). Sollten die Rezepte in der Woche kommen, können die Patienten auch zum Hausarzt gehen für die notwendige Versorgung.Was ich auch für angebrachter halte.
Eine völlig andere Frage stellt sich mir bei diesem Thema, was unnötig komplziert gemacht wurde:
Warum geben die Kliniken Ihren Patienten nicht für 3 Tage Medikamente mit (Wochenende), bis diese zum Arzt kommen?
Nur so ein Gedanke der mir kam.

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AW: MItgabe

von Holger am 17.07.2017 um 11:10 Uhr

Weil erstens die Mitgabe laut ApoG nur an oder am Tag vor einem Wochenende oder Feiertag gestattet ist. Und weil wir zweitens keine Interesse daran haben, jedem Patienten noch ein kleines Geschenkle mitzugeben - abrechnen dürfen wir diese Mitgaben nämlich nicht. ironic mode on// Das wäre also vergleichbar mit der Frage, warum Sie eine Vergütung für Entlassrezepte haben wollen \\ironic mode off

AW: an Holger

von Sven Larisch am 17.07.2017 um 13:52 Uhr

Hallo Holger, danke erstmal für den Kommentar (keine Ironie).
Also sollte die Krankenkasse die Medikation für 3Tage abrechnen können- das wäre doch klasse. Ich hatte immer angenommen, das eine Wochendversorgung möglich ist, und zwar länger als nur für den z.B. Sonntag, wenn der Patient Freitag Nachmittag entlassen wird. Denn seien wir ehrlich- da hat doch fast kein niedergelassener Arzt mehr auf. Ich nehme die Rezepte, wenn sie kommen. Aber dieses Gesetz ist doch etwas klärungs - und erklärungsbedürftig.

AW: N1

von Sven Larisch am 17.07.2017 um 13:54 Uhr

Bitte Krankenkasse durch Krankenhaus ersetzen

Nicht so unklar wie beschrieben!

von Michael Mischer am 17.07.2017 um 8:56 Uhr

Sehr geehrte Frau Müller,

es gibt gelegentlich Artikel auf DAZ online, da frage ich mich, ob die Verfassser wussten, wo sie ihre Informationen beziehen können. Generell scheinen mir die Websites der zuständigen Organisationen, hier also G-BA, DKG, KBV und GKV-Spitzenverband eine gute Idee.
Dieser Artikel gehört leider dazu, aber vielleicht liegt es ja auch an mir und ich mache mir die Sache zu einfach. Das können Sie mir ja dann gleich sagen:

>> Wie sieht das Rezept aus?
Das Rezeptimage ist aber zumindest einmal eindeutig, altbekannt und vertraut: Wie auch bei gewöhnlichen GKV-Rezepten verordnen Krankenhausärzte Arznei-, Heil- und Hilfsmittel auf dem rosa Rezept Muster 16.

Fast, aber am wichtigen Punkt nicht ganz korrekt:
§ 6 des Rahmenvertrags zum Entlassmanagement sagt:
Für die Verordnung der Leistungen gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V und die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 SGB V gelten Anlage 2/2a des BMV-Ä sowie die dazugehörigen und mit der Sonderkennzeichnung „Entlassmanagement“ versehenen Muster 1, 8, 12, 13, 14, 15, 16, 18, 26, 27 und 28 der Anlage 2/2a des BMV-Ä sowie die diesbezüglichen Vordruckerläuterungen und die technische Anlage zur Anlage 4a des BMV-Ä. Für die Sonderkennzeichnung im Rahmen der Herstellung der Vordrucke gelten die in der Technischen Anlage zu diesem Rahmenvertrag (Anlage 2) festgelegten Vorgaben. Für die Verschreibung von Betäubungsmitteln gelten die §§ 9 und 15 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung und für die Verschreibung von Arzneimitteln mit teratogener Wirkung § 3a der Arzneimittelverschreibungsverordnung. Für die Befüllung des Feldes „Vertragsarztstempel“ auf den Vordrucken gelten die Vereinbarungen der Landesebene des vertragsärztlichen Bereichs.
https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/krankenhaeuser/entlassmanagement/entlassmanagement.jsp

Für das Muster 16 ist in dieser technischen Anlage ein schönes Bild das zeigt, dass quer über das Personalienfeld in rosa "Entlassmanagement" gedruckt ist und ich würde aus dem Text folgern, dass bspw. BtM/T-Rezepte, die nicht bei Herstellung bedruck werden können, mit einem entsprechenden Aufdruck ergänzt werden müssen. Liege ich da falsch?


>> Wie lange dürfen Apotheker ein Entlassrezept beliefern?

Aus den Tragenden Gründen zum Beschluss des G-BA zum Entlassmanagement:
Dies ist gerechtfertigt, da der Sachgrund der Verordnung entfallen ist, wenn diese nicht innerhalb eines Zeitraumes von 3 Werktagen (Werktage sind die Wochentage von Montag bis Samstag) einschließlich des Tages der Ausstellung eingelöst wird.

Der Ausstellungstag zählt also mit.


>> Wie sich der Fall verhält, wenn ärztlicherseits N1 verordnet wird, es allerdings nur N2 gibt, ist nicht festgelegt. Ist ärztliche Rücksprache erforderlich?

Aus dem Antwortschreiben des BMG an den G-BA zur Prüfung des Beschlusses zum Entlassmanagement:
Das BMG hatte damit zu dem Fall Stellung bezogen, in dem keine Messzahl für das Packungsgrößenkennzeichen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) vergeben wurde. Im Fall der fehlenden Messzahl ist der Wortlaut des Gesetzes („Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung“) in Kombination mit dem Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass bei der Bestimmung dieses Kennzeichens die DIMDI-Verwaltungsvorschrift heranzuziehen ist, so auszulegen, dass in diesen Fällen das kleinste auf Grund einer vergebenen Messzahl sich ergebene Packungsgrößenkennzeichen (N2 oder N3) als kleinstes Packungsgrößenkennzeichen gemäß PackungsV gilt.
https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/2415/

Wenn keine N1 vergeben wurde, ist die Obergrenze die N2. Unklar ist mir, ob man in jedem Fall schnell genug herausfinden kann, ob die N1 nur nicht vertrieben wird oder ob die N1 nicht vergeben wurde. Das ist entweder viel Recherchearbeit in der Vorschrift des DIMDI oder eine Aufgabe für Software.

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AW: Nachtrag

von Michael Mischer am 17.07.2017 um 9:15 Uhr

Die für mich spannendste Frage ist: Wenn ich ein Entlassrezept ohne Kennzeichnung im Klartext aber mit den entsprechenden Kennzeichen im Code (also den 4en) an Tag 4 beliefere, ist das dann eine Nullretax? Dann müssten wir ab sofort Ziffern zählen und das kann es ja wohl nicht sein.

Entlassrezept Unschärfen auch im Artikel°!

von Thomas Brongkoll am 16.07.2017 um 13:03 Uhr

Es leider noch komplizierter: Die BTM Rezepte müssen innerhalb 8 Tagen VORGELEGT werden, der Zeitpunkt der Belieferung ist nicht benannt! Pantoprazol gibt es auch als RX-7er Variante! Die lieben Kassen werden sich freuen, auf OTC verweisen zu können und nicht bezahlen! Wie erfolgt der Nachweis der Verordnungsberechtigung? Sind die KHS informiert, den "Arztstempel" entsprechend anzupassen? Der Blödsinn wächst immer mehr---> Danke ABDA

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