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Lass uns feiern, mein liebes Tagebuch. Zehn Jahre Wissenschaftliches Institut für Prävention – WIPIG. Tolle Idee, tolle Leistung, aber die Politik hat’s leider nicht kapiert. Also, versuchen wir’s weiter mit Überzeugungsarbeit vor Ort. Das können die ausländischen Versender nicht. Schon gar nicht DocMorris. Denen geht es um Kohle und nur um Kohle. Und uns droht neues Retax-Ungemach durch Entlassrezepte. Wann erkennt eigentlich die Politik an, welchen Wert wir Apothekers haben?
10. Juli 2017
DocMorris war noch nie ein Robin Hood, einer, der sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt, einer, der von den Reichen nimmt und den Armen gibt, einer, der gegen hohe Preise kämpft. DocMorris ging es von Anfang an um Macht, um Verdrängung: Arzneimittelversand zugunsten einer Kapitalgesellschaft und zum Schaden von kleinen, inhabergeführten Apotheken. Dieses Unternehmensziel hat sich bis heute nicht verändert, im Gegenteil: Mit zum Teil rechtswidrigen Aktionen, verbrämt mit einer vorgeschobenen Sorge um die flächendeckende Versorgung und das arzneiliche Wohl der Bürgerinnen und Bürger, versucht der Schweizer Konzern mit seiner niederländischen Dependance hart an der deutschen Grenze, einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb. Es geht um Wachstum um jeden Preis, um shareholder value. Die Hüffenhardter Automatenaktion war so ein Versuch, das deutsche Apothekenrecht zu den eigenen Gunsten zu verbiegen. Ist erstmal gescheitert. Die illegale Abgabestelle ist geschlossen, die Arzneimittel müssen ausgeräumt werden. Allerdings ist der Fall gerichtlich noch nicht ausgestanden, das Hauptverfahren läuft noch und wird wohl noch weitere Instanzen „beglücken“. Damit aber der Bürger, der Hintergründe und Zusammenhänge nicht immer kennt und auch nicht kennen kann, erfährt, worum es bei diesem DocMorris-Coup eigentlich ging, sensibilisierte die Noweda die Bürgerinnen und Bürger von Hüffenhardt mit einer großen Anzeige in der Rhein-Neckar-Zeitung für dieses Thema. In der öffentlichkeitswirksamen Anzeige riet die Apothekergenossenschaft den Bürgern, sich keinen Bären von DocMorris aufbinden zu lassen und stellte die Bedeutung der Apotheke vor Ort heraus (Nacht- und Notdienste, Rezepturherstellung, menschliche Zuwendung, Verständnis und Beratung im persönlichen Gespräch). Mein liebes Tagebuch, ein dickes Danke an die Noweda für diese Zeitungsanzeige, für diesen offenen Brief an die Bevölkerung. Man sollte diese Anzeige in der FAZ, der Süddeutschen, in Stern und Spiegel abdrucken.
11. Juli 2017
Mit einem Jahr Verspätung werden sie ab 1. Oktober in der Apotheke aufschlagen: Entlassrezepte. Nach Querelen wegen zahlreicher strittiger Punkte und vielem Kleinklein zwischen Ärzten, Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft kann der Rahmenvertrag zum Entlassmanagement endlich in Kraft treten. Für Apotheken wichtig: Klinikärzte können dann künftig Entlassrezepte für Arzneimittel, häusliche Krankenpflege oder Heilmittel für bis zu sieben Tage ausstellen. Mein liebes Tagebuch, fast schon unglaublich, dass es erst im Jahr 2017 solche Regelungen für Entlassrezepte gibt. Dann hat hoffentlich das Chaos um die Anschlussmedikation nach Krankenhausaufenthalten ein Ende. Könnte man meinen. Aber kommt dann Ungemach auf die Apotheken zu? Ohne Klinikärzten zu nahe treten zu wollen: Nicht alle sind im Verordnen geübt. Wenn sie sich mit dem Ausstellen von Rezepten herumschlagen müssen, dann kann da schon mal was in die Hose gehen. Heißt für Apotheken: Höchste Aufmerksamkeitsstufe wegen Retax. Verordnen können die Kliniker übrigens jeweils nur kleine Packungen – ist zwar „sachgerecht“, aber die Winzlinge sind in unseren Apothekenschubladen weniger häufig anzutreffen, was für den Patienten Wiederkommen oder für Apotheken Botendienst bedeutet. Und die Winz-Verordnung liest sich in den Arzneimittelrichtlinien dann so: Krankenhäuser dürfen nur die Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen verordnen. Sollte keine Packungsgröße mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß Packungsgrößenverordnung im Verkehr sein, kann eine Packung verordnet werden, deren Packungsgröße die Größe einer Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß Packungsgrößenverordnung nicht überschreitet. Und mein liebes Tagebuch, hast du das gepackt? Geht’s noch schlimmer?
12. Juli 2017
Die Hüffenhardter Automaten-Bude ist schon seit ein paar Wochen dicht – aber noch sind nicht alle anhängigen Verfahren abgearbeitet. Ein Kölner Versandapotheker, der sich im Wettbewerb mit dem niederländischen Versender sieht, hatte auch gegen den Arzneiautomateninhaber geklagt und ebenfalls Recht bekommen. Das Urteil in diesem Verfahren verbietet DocMorris sogar apothekenpflichtige Arzneimittel „in Deutschland zu lagern, um diese über einen Arzneimittelabgabeautomaten an einen sich im Nebenraum befindlichen Kunden abzugeben, sofern hierfür keine Apothekenbetriebserlaubnis vorliegt“. Und selbst abgeben darf das Unternehmen die Arzneimittel auf diese Weise auch nicht. Klare Kante. Das Gericht sagt deutlich, dass der Schnickschnack mit dem Video-Terminal keine Abgabe per Versandhandel ist. Außerdem bemängelte das Gericht eine fehlende Anschrift auf Kassenbelegen und Einsparungsinformationen, ohne dass man erfährt, worauf sich die Ersparnis bezieht. Typisches DocMorris-Gebaren. Mein liebes Tagebuch, das war noch nicht das letzte Urteil des Mosbacher Landgerichts: Der LAV Baden-Württemberg ging auch gegen die Mieterin (Tanimis N.V) der Hüffenhardter Räumlichkeiten vor, das Urteil steht noch aus.
13. Juli 2017
Jetzt hat die ABDA unseren Apothekertag extra strategisch gut gelegt: Beginn ist 11 Tage vor der Bundestagswahl. Mein liebes Tagebuch, da hätte man doch wirklich denken können, dass alle bedeutenden Gesundheitspolitiker(innen) Schlange stehen, um uns zu umgarnen. Pfeifendeckel! Da gibt es Parteien, die uns sichtlich nicht als so wichtig ansehen, uns mit ihren Grußworten zu beglücken. Immerhin, unser lieber Herr Gröhe ist uns sicher, wie zu vernehmen war, zumindest hat das eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministerin bestätigt. Er wird trotz heißer Wahlkampfphase nach Düsseldorf kommen und uns sagen, dass er liebend gerne das Rx-Versandverbot durchgebracht hätte. Aber die sozialliebe SPD, genau, mein liebes Tagebuch, die hat es noch nicht für nötig empfunden, auf die ABDA-Anfrage, ob und wer denn zum Apothekertag kommt, zu antworten. Sabine Dittmar? Edgar Franke? Hilde Mattheis? Ach, wir würden nochmal so gerne mit Euch darüber diskutieren, warum ihr mit Boni und Rabatten unsere kleinen Apotheken ruinieren wollt. Ebenso offen ist, ob und wer von den beiden Grünen Doppelnamen-Frauen kommt: Maria Klein-Schmeinck oder Kordula Schulz-Asche? Es gäbe viel zu diskutieren mit Ihnen. Immerhin, mit dabei ist Kathrin Vogler von der Linken, sie hat bereits zugesagt. Also, mein liebes Tagebuch, warten wir ab, ob noch Zusagen eintrudeln. Oder lassen sie es uns spüren, dass wir Apothekers nicht mehr so wichtig sind?
Die Materie ist in der Tat nicht einfach: Sind Skonti, die über dem variablen Zuschlag des Großhandels (3,15 Prozent) liegen, nun erlaubt oder nicht? Der Bundesgerichtshof, der darüber zu befinden hat, wollte sein Urteil eigentlich heute verkünden. Aber, mein liebes Tagebuch, die Antwort auf diese Frage scheint nicht einfach zu sein, denn der Urteilsspruch wurde auf den 5. Oktober vertagt. Die Richter haben sichtlich Beratungsbedarf. Und, ich sag’s mal so: das ist wohl gut so. Im Streit miteinander sind die Wettbewerbszentrale, die davon ausgeht, dass ein offener Preiswettbewerb die flächendeckende Versorgung gefährde, und AEP, der Neuling unter den Pharmagroßhändlern, der Skonti als Zahlungsmodalität betrachtet und das als Wettbewerbsinstrument einsetzt. Dabei geht es dann allerdings auch um die Frage: Als wie fest wird ein „Festzuschlag“ von 70 Cent, den der Großhandel neben den 3,15 Prozent erhält, interpretiert? Mein liebes Tagebuch, stell dir mal vor, es gäbe keine Skonti mehr – sollten die Richter zu diesem Schluss kommen, dann wälzt das den Markt um. Und dann müssten wir auch fragen, ob die Kassen das Skonto von 1,77 Euro noch bekommen dürfen. Und wie sieht’s mit dem Skonto bei der Pharmaindustrie aus? Also, eigentlich ist gut vorstellbar, dass die Richter zu dem Schluss kommen: Skonti sind auch weiterhin erlaubt. Ob es soweit kommt? Mehr dazu dann im Oktober.
14. Juli 2017
Nochmals Entlassrezepte: Mein liebes Tagebuch, au weia, da ist noch viel mehr im Unklaren, als man auf den ersten Blick sieht. Das fängt schon mit der Frage an, wie lange Apotheker ein Entlassrezept beliefern dürfen. Was heißt genau „innerhalb von drei Werktagen“? Zählt der Tag der Ausstellung dazu? Und dann vor allem die Frage der richtigen Packungsgröße. Normalerweise dürfen die Kliniker eine „Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung“ aufschreiben, was in der Regel N1 ist. Aber manchmal ist auch die kleinste im Handel befindliche Packung eine N2-Größe. Was ist dann? Und was ist, wenn ein Arzneimittel nicht anhand der N-Kennzeichnung eingestuft ist? Reiben sich die Krankenkassen da schon die Hände und führen Freudentänze auf wegen neuer Retaxeinnahmequellen? Mein liebes Tagebuch, es ist ein Graus, dass es die Bürokratie nicht mehr schafft, eindeutige Regeln aufzustellen.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag – fürs WIPIG: Das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen feiert seinen 10. Geburtstag. Mein liebes Tagebuch, das war damals ein guter Einfall des Vorstands der Bayerischen Landesapothekerkammer, so ein von Apothekern getragenes Institut ins Leben zu rufen mit dem Ziel, den Präventionsgedanken in Gesellschaft und Politik zu fördern und neue Präventionskonzepte zu entwickeln. Es war recht fleißig das Institut, hat Projekte angestoßen, Kooperationen durchgeführt wie zum Beispiel den Präventionspreis mit der DAZ und Studien gemacht. Wirklich beachtlich: die Apotheker als Präventionsmanager. Bloß einen Schönheitsfehler hat die Sache: Es gibt kein Geld von den Kassen dafür, die Apotheker können Präventionsleistungen nicht mit den Kassen abrechen. Dafür kann aber das WIPIG nichts. Die Politik will nicht. Sie müsste endlich erkennen, welchen gesundheitlichen Wert die Apotheken für die Menschen erreichen könnten, indem sie den Präventionsgedanken fördern. Mein liebes Tagebuch, eigentlich es ist fast schon ein Skandal, den Apotheker, das Wissen des Apothekers bei der Prävention außen vor zu lassen. Die paar Euro, die die Apotheken als Honorar für Präventionsleistungen einstreichen würden, kämen als Vielfaches ins System zurück.
15. Juli 2017
Mein liebes Tagebuch, an diesem Datum steht schon ein Eintrag drin: „Geburtstag“. So ein halbrunder. Oh je. Also, ich seh’s mal locker. Und weil du, mein liebes Tagebuch, noch einige weiße Seiten hast, darfst du noch ein Weilchen mit mir rechnen. Und, liebe Leserinnen und Leser meines lieben Tagebuchs, vielen Dank für Ihre Treue! Ich freue mich über jede und jeden, der darin blättert. Immer sonntags.
13 Kommentare
Ihr Gebirtstag
von Alexander Zeitler am 18.07.2017 um 0:56 Uhr
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Zur "Grenzüberschreitung" ...
von Christian Timme am 17.07.2017 um 7:39 Uhr
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Nicht zu vernachlässigen ....
von Bernd Jas am 16.07.2017 um 19:52 Uhr
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Danke!
von Peter DItzel am 16.07.2017 um 19:03 Uhr
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AW: Danke
von Bernd Jas am 16.07.2017 um 19:57 Uhr
"Chefs" Geburtstag
von Dr.Diefenbach am 16.07.2017 um 16:57 Uhr
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65 Geburtstagsgrüße
von Dr. Christoph Mauz am 16.07.2017 um 15:02 Uhr
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Geburtstag und vieles mehr....
von Dr. Christoph Mauz am 16.07.2017 um 11:50 Uhr
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von Gunnar Müller, Detmold am 16.07.2017 um 9:33 Uhr
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AW: ;-)
von Gunnar Müller, Detmold am 16.07.2017 um 9:40 Uhr
Bitte jetzt mal ständig Oweschen hier!!!
von Bernd Jas am 16.07.2017 um 8:56 Uhr
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Fünfundsechzig
von Ulrich Ströh am 16.07.2017 um 8:38 Uhr
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AW: Fünfundsechzig
von Bernd Jas am 16.07.2017 um 9:00 Uhr
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