Kostenerstattung

TK lehnt zwei von fünf Cannabis-Anträgen ab

Stuttgart - 14.07.2017, 07:00 Uhr

Seit März ist Cannabis bei manchen Patienten rezept- und erstattungsfähig. (Foto: Michael / Fotolia)

Seit März ist Cannabis bei manchen Patienten rezept- und erstattungsfähig. (Foto: Michael / Fotolia)


Eigentlich sollen Krankenkassen die Kostenerstattung von Cannabis für medizinische Zwecke nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen – doch ist dies offenbar häufig der Fall. So lehnte die Techniker-Kasse bis Anfang Juli 341 von 863 Anträgen ab. Der AOK-Bundesverband erklärte, bis Anfang Juni jeden zweiten von rund 2300 Anträgen genehmigt zu haben.

Nachdem das Cannabis-Gesetz seit dem 10. März schwerkranken Patienten unter bestimmten Voraussetzung einen Rechtsanspruch auf Kostenerstattung ermöglicht hat, hatte ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands gegenüber der Deutschen Presseagentur schnell Bedenken angemeldet. „Für den dauer- und regelhaften Leistungsanspruch in der gesetzlichen Krankenversicherung fehlt der Nachweis der Wirksamkeit“, erklärte er. Seitdem mehren sich Medienberichte, denen zu Folge Krankenkassen die Kostenerstattung oftmals nicht genehmigen – obwohl sie dies laut dem Gesetz „nur in begründeten Ausnahmefällen“ ablehnen dürfen.

Wie ein Sprecher der Techniker Krankenkasse auf Nachfrage von DAZ.online mitteilte, seien bis zum 7. Juli insgesamt 863 Anträge auf Kostenerstattung für Medizinalcannabis bewilligt oder abgelehnt worden. In 522 Fällen habe die Krankenkasse die Kostenerstattung genehmigt, in 341 nicht – was eine Bewilligungsquote von rund 60 Prozent ergibt. Offen blieb zunächst die Zahl der Anträge, die derzeit noch in Bearbeitung sind.

Eine Sprecherin des AOK-Bundesverbands erklärte, bis Anfang Juni seien rund 2300 Anträge auf Kostenerstattung bei AOKs eingegangen, von denen rund die Hälfte genehmigt wurde. Nicht kommunizieren wollen die AOKs die Zahl der abgelehnten beziehungsweise noch in Bearbeitung befindlichen Anträge.

Wenn Ärzte Cannabis im Rahmen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung verordnen, müssen Krankenkassen die Anträge innerhalb von drei Tagen bearbeiten – ansonsten bleibt ihnen bis zu fünf Wochen Zeit, wenn sie zur Klärung den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) um ein Gutachten bitten.  

Wie viele Patienten können weiterhin Cannabis konsumieren?

Bei den AOKs würde in „fast allen Fällen“ der MDK eingeschaltet, erklärte die Pressesprecherin des AOK-Bundesverbands. Nicht bekannt sei, wie die Genehmigungsquote bei Patienten aussieht, die zuvor eine Ausnahmeregelung für den Bezug von Cannabis zu medizinischen Zwecken hatten – Mitte März handelte es sich bundesweit um rund 1100 Patienten. Auch dem Sprecher der Techniker Krankenkasse lagen hierzu keine Informationen vor. Laut „Deutschen Ärzteblatt“ berücksichtigt der MDK bei seiner Bewertung nicht, inwiefern zuvor eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden war.

Einige Ärzte hatten berichtet, dass Kassen die Kostenerstattung bei diesen Patienten nur sehr zögerlich bewilligen – laut dem Münchener Unternehmensgründer Vaclav Cerveny, der im Herbst in der bayerischen Hauptstadt ein Cannabis-Zentrum zur Beratung und Behandlung von Patienten aufbauen will, ist dies nur bei 20 bis 30 Prozent der Patienten der Fall.

Wie die ABDA im Juni bekannt gegeben hatte, haben Apotheken in den letzten drei Märzwochen mehr als 500 Mal Cannabisblüten auf Rezept abgegeben. Von Anfang 2011 bis Ende Juni 2016 wurden in Deutschland laut Bundesregierung 233,3 Kilogramm Medizinal-Cannabis-Blüten abgegeben, von Juli 2016 bis April 2017 waren es sogar insgesamt 148,6 Kilogramm, wie aus einer Anfrage der Linken hervorgeht. Dabei wurde im Dezember 2016 mit 17,3 Kilogramm die größte Menge in Apotheken abgegeben, während es in den ersten Monaten dieses Jahres etwas weniger war. Im April 2017 sank die Zahl auf 11,4 Kilogramm – wobei diese Menge nur die früheren Ausnahmegenehmigungen und nicht die Verschreibungen auf Betäubungsmittel-Rezept erfasst.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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