Impfstoff-Forschung

Pflanzen produzieren sichere Polio-Vakzine

23.08.2017, 10:00 Uhr

Wie vielversprechend sind Polio-Impfstoffe aus Pflanzen? (Foto: Kateryna_Kon / Fotolia)

Wie vielversprechend sind Polio-Impfstoffe aus Pflanzen? (Foto: Kateryna_Kon / Fotolia)


Der Kampf gegen Kinderlähmung ist in den letzten Jahrzehnten dank konsequenter Impfprogramme vorangekommen. Trotzdem muss weiter geimpft werden, bis die Poliomyelitis völlig ausgelöscht ist. Hierfür werden moderne und sichere Impfstoffe gebraucht. Wissenschaftler berichten über Erfolge mit Poliovirus-ähnlichen Partikeln, die selbst nicht infektiös sind und trotzdem wirksam immunisieren.

Impfstoffe mit Nachteilen

Der orale Polio-Impfstoff (orale Poliovakzine, OPV), ein ab­ge­schwäch­ter (attenuierter) Lebendimpfstoff, hat maßgeblich dazu bei­ge­tra­gen, dass die Kinderlähmung heute in den meisten Regionen der Welt ausgerottet ist. Die OPV ist jedoch genetisch instabil. Durch reverse Mutationen kann es zu einer neuerlichen Neurovirulenz kommen, die bei dem Geimpften und deren Kontaktpersonen eine Impfstoff-assoziierte Polio mit Lähmungen (paralytische Poliomyelitis) auslösen kann. Außerdem ist die Schluckimpfung thermolabil und erfordert eine Kühlkette. In Deutschland werden deshalb auf Emp­fehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) seit 1998 ausschließlich inaktivierte Polio-Impfstoffe (IPV) zur Polio-Impfung eingesetzt. Mit IPV geimpfte Personen können sich aber dennoch mit Polio-Viren infizieren und diese unbemerkt ausscheiden und dadurch weiterverbreiten. 

Virus-ähnliche Partikel als Alternative

Für die Herstellung der derzeit eingesetzten Impfstoffe werden große Mengen an lebenden Polioviren gebraucht. Eine Alternative, die seit geraumer Zeit erforscht wird, sind Vakzine auf der Basis sogenannter Virus-ähnlicher Partikel (virus like particles, VLP). Dabei handelt es sich um leere Protein-Schalen des Polio-Virus, die das Virus nachahmen, jedoch selbst nicht infektiös sind und kein genetisches Material für die Replikation besitzen. Es konnte bereits gezeigt werden, dass solche Partikel ebenfalls eine Immunantwort provozieren, aber ihr Einsatz scheiterte lange Zeit daran, dass sie zu instabil sind.

Erstaunlich effektiver Ansatz

Im Januar 2017 veröffentlichten Forscher vom britischen National Institute for Biological Standards and Control (NIBSC) mit Unterstützung der Universitäten von Leeds, Oxford und  Reading sowie zweier weiterer Forschungslaboratorien einen neuen genetischen Ansatz, mit dem dieses Hindernis überwunden werden kann. Die entstehenden Poliovirus-ähnlichen Partikel können sogar mehrere Monate ohne Kühlung gelagert werden, ohne dass sie nennenswert an Aktivität verlieren. Der Leitautor der Studie Andrew Macadam vom NIBSC sagt: „Der Ansatz, den wir entwickelt haben, ist erstaunlich effektiv. Die Herausforderung besteht nun darin, die Idee auf die Produktion in einem größeren Maßstab zu übertragen. Damit könnten wir den Impfstoff billig und in Mengen für die weltweite Versorgung bereitstellen.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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