BAH-Diskussion

Wie groß ist die Bedrohung durch den Rx-Versandhandel?

Berlin - 28.09.2017, 15:40 Uhr

Heftige Auseinandersetzung: Beim BAH gab es eine rege Debatte zum Rx-Versandhandel mit Hermann Kortland (BAH, Moderator), Martin Danner (BAG Selbsthilfe), Sabine Richard (AOK), Christian Buse (BVDVA), Hans-Peter Hubmann (Bay. Apothekerverband) und Jörg Wieczorek (BAH) (v.li.n.re.) (Foto: BAH)

Heftige Auseinandersetzung: Beim BAH gab es eine rege Debatte zum Rx-Versandhandel mit Hermann Kortland (BAH, Moderator), Martin Danner (BAG Selbsthilfe), Sabine Richard (AOK), Christian Buse (BVDVA), Hans-Peter Hubmann (Bay. Apothekerverband) und Jörg Wieczorek (BAH) (v.li.n.re.) (Foto: BAH)


Mit der Rx-Preisbindung könnte auch der Einkaufspreis fallen

Hubmann wehrte sich insbesondere gegen den zweiten Teil von Buses Forderung – das Höchstpreismodell. „Ein Euro Preisnachlass kostet einer Apotheke bereits ein Sechstel ihres Rohertrages. Fünf Euro Nachlass, wie von DocMorris gefordert, würden das Apothekenhonorar vernichten.“ Hubmann wollte auch das Argument nicht gelten lassen, nach dem der Versandhandel eine gute Ergänzung zur Apotheke sein könne. „Erst kommt immer die Ergänzung, dann die Verdrängung“, erklärte der Verbandschef. Außerdem warnte der Apotheker auch die Krankenkassen: „Mit dem Fall der Preisbindung könnte auch der Apothekeneinkaufspreis in Frage gestellt werden und dann würde die Grundlage für alle gesetzlichen Rabatte fallen.“

Unterstützung erhielt Hubmann von Uwe May. Der Gesundheitsökonom hatte gemeinsam mit der Politologin Cosima Bauer und dem Juristen Heinz-Uwe Dettling erst kürzlich ein wettbewerbsökonomisches Gutachten zum Apothekenmarkt herausgegeben, nach dem schon die kleinste Änderung an der Rx-Preisbindung vielen, insbesondere kleinen Apotheken das Leben kosten könnte. May erklärte mit Blick auf den gleich gebliebenen Rx-Anteil der Versender: „Wir sollten weder die Entwicklung seit 2004 im Versandhandel noch das letzte Jahr für eine Prognose der Marktanteile heranziehen. Ich habe auch nicht erwartet, dass der Marktanteil der Versender gleich im ersten Jahr schnell zunimmt.“ Schließlich müsse erst eine Infrastruktur aufgebaut werden, in der solch ein Ausbau überhaupt möglich sei.

May: Patientenverhalten ändert sich langsam

May führte aber auch das Kaufverhalten der Menschen an: „Das Patientenverhalten ändert sich nur langsam. Wenn es um GKV-Rezepte geht, ist doch bei den Menschen überhaupt kein Preisdenken vorhanden und würde sich erst nach und nach entwickeln.“ Der Gesundheitsökonom trug am heutigen Donnerstag in Berlin auch erneut sein Kernargument in der Debatte vor: „Der Patient ist kein souveräner Konsument. Er kann selbst nicht einschätzen, wie groß der Beratungsbedarf in der Apotheke überhaupt. Und genau deswegen brauchen wir ein niederschwelliges Angebot.“

AOK-Expertin kritisiert EuGH-Urteil

Einen bemerkenswerten Auftritt hatte Sabine Richard, Versorgungs-Chefin beim AOK-Bundesverband. Der Kassenverband und auch die AOK Baden-Württemberg hatten erst kürzlich relativ laut nach einem Höchstpreismodell gerufen und sich Direktverträge gewünscht. Richard erklärte am heutigen Donnerstag allerdings, dass man die Sache „sehr differenziert“ sehe. Sie kritisierte insbesondere das EuGH-Urteil, weil der Gerichtshof nicht die Perspektive der Krankenkassen berücksichtigt habe. Im Kern geht es Richard um das Sachleistungsprinzip. „Das Sachleistungsprinzip hat Priorität. Es widerspricht dem Grundgedanken der GKV, dass Versicherte an irgendwelchen Preisrabatten partizipieren. Das wäre ja so, als ob eine Klinik einem Patienten einen 100-Euro-Gutschein anböte, wenn er sich dort behandeln lässt.“

Martin Litsch, Chef des AOK-Bundesverbandes, hatte kürzlich auch das Fremdbesitzverbot in Frage gestellt. Auch davon ist Richard anscheinend weit entfernt. „Die Apotheke vor Ort ist ein verlässlicher Versorgungspartner für unsere Versicherten. Man kann so ein gut funktionierendes Angebot nicht einfach über Bord werfen.“ Trotzdem plädiere sie für Vielfalt im Markt. „Sehr gerne“ würde sie ein „attraktives Paket für Versicherte“ inklusive Rx-Boni mit einer Versandapotheke aushandeln. Allerdings sei die politische Lage schwierig und unklar, deswegen nehme man davon Abstand. Richard beschwerte sich aber über das Gewicht der Versandhandels-Debatte in der öffentlichen Diskussion. Aus ihrer Sicht diskutieren die Marktteilnehmer mit der Politik zu wenig über die Zukunft der Apothekenstruktur und die sinkende Apothekenzahl. „Die so wichtige Strukturdiskussion wird mit einem Scheingefecht über das Rx-Versandverbot leider völlig überdeckt.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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