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Profitieren Patienten bei Infusionen nicht von der vollen Arzneimittelwirkung?

Stuttgart - 12.10.2017, 17:00 Uhr

Welches
Infusionssystem ist das richtige? Eine entscheidende Rolle spielt das
Restvolumen. (Foto: somkanokwan / stock.adobe.com)

Welches Infusionssystem ist das richtige? Eine entscheidende Rolle spielt das Restvolumen. (Foto: somkanokwan / stock.adobe.com)


Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft warnt aktuell vor Unterdosierungen durch Restvolumina bei Kurzinfusionen. Um mögliche klinische Konsequenzen zu vermeiden, sollte dem Patienten bei Kurzinfusionen immer der gesamte Wirkstoff appliziert werden. In der Praxis ist das aber nicht so einfach und das Problembewusstsein offenbar nicht ausgeprägt.

Das Problem von Restvolumina bei Kurzinfusionen ist nicht neu. Bereits 2015 wies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) darauf hin, dass „Totvolumina bei Kurzinfusionen“ beachtet werden müssen (Bulletin zur Arzneimittelsicherheit Ausgabe 2, Juni 2015). Am 6. Oktober hat jetzt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) Handlungsempfehlungen zu diesem Problem ausgesprochen – veranlasst durch die Fallmeldung einer Ärztin.

Der Fall eines 44-jährigen Patienten

Ein Patient, der an schubförmig-remittierender Multipler Sklerose leidet, wurde erstmals mit Alemtuzumab behandelt – gemäß Fachinformation: 12 mg pro Tag i.v. über fünf Tage. Vor der Infusion wurde das Konzentrat mit 100 ml 0,9-prozentiger NaCl-Lösung verdünnt. Infundiert wurde mittels Infusionspumpe über etwa vier Stunden. Gemeldet hat die Ärztin den Fall, weil ihr bei der täglichen Infusion ein Restvolumen von ca. 25 ml auffiel.

Verschiedenen Untersuchungen zufolge ist, je nach verwendetem Infusionssystem, allgemein von einem Wirkstoffverlust durch Restvolumina von 14 bis 40 Prozent auszugehen. 2015 schrieb das BfArM im Fazit seiner Stellungnahme: „Eine Arzneimitteltherapie entsprechend den Regeln der medizinischen Wissenschaft erfordert zum Nutzen des Patienten, die ihm verschriebene Dosis komplett zu applizieren.“ Das klingt eindeutig. Doch gibt es zum Umgang mit Restvolumina – wie im geschilderten Fall – keine einheitlichen Regelungen. Auch das BfArM schränkte schon 2015 seine Aussage selbst ein, indem es auf die technischen Limitationen von Infusionssystemen hinwies. Deshalb sollte als grobe Richtlinie gelten: Wenn mehr als fünf bis zehn Prozent Wirkstoff verloren gehen, muss eine eingeschränkte Wirksamkeit des Arzneimittels befürchtet werden.

In der Praxis tritt dieser Fall bei Kurzinfusionen mit kleinen Volumina (< 100 ml) fast immer ein. Deshalb solle man bis zu einem Volumen von 200 ml den Wirkstoffverlust bei den meisten Arzneimitteln nicht vernachlässigen. Für diese Fälle hält das BfArM das Nachspülen des Infusionssystems mit einer geeigneten Spüllösung unter gleichbleibender Flussrate für unumgänglich. Als weitere mögliche Maßnahmen, um den Effekt von Restvolumina zu verringern, nennt das BfArM den Wechsel des Infusionssystems (auf eines mit weniger Restvolumen) und die Erhöhung des Gesamtvolumens (Verdünnung).

Problem in der Praxis nicht ausreichend bekannt

Scheinbar konnten Ärzte in der Vergangenheit nicht ausreichend für das Problem sensibilisiert werden, sodass die AkdÄ das Fazit des BfArM neu aufgreift und weitere Empfehlungen ausspricht. Als Lösungsansätze nennt sie zum Beispiel Perfusorspritzensysteme, die in der Regel das geringste Restvolumen aufweisen. Außer Acht gelassen werden darf dabei allerdings nicht die Schlauchlänge. Außerdem sind Perfusorspritzensysteme nicht für alle Arzneimittel geeignet. Die AkdÄ greift auch die Empfehlung zu höheren Infusionsvolumina auf, schränkt sie aber insofern ein, als dass sie bei pädiatrischen Patienten oder Patienten mit Flüssigkeitsrestriktion nicht praktikabel ist. Eine weitere Problematik sieht die AkdÄ in der versehentlichen (und schnelleren) Applikation von Restvolumina mit einer anderen folgenden Infusion.

Das sogenannte Nachspülen ist laut AkdÄ die sicherste Methode: Als Richtwert gilt das 1,0- bis 1,3-fache des Restvolumens des verwendeten Infusionsbestecks. Der gemeldete Fall wurde so gelöst: Im Anschluss an die vierstündige Alemtuzumab-Infusion wird mit 50 ml NaCl-Lösung nachgespült. Die Flussrate von 25 ml/h wird berücksichtigt, wodurch sich die Infusionszeit insgesamt verlängert. Für die Zukunft wünscht sich die AkdÄ konkrete Empfehlungen zum Umgang mit Restvolumina in den Fachinformationen betroffener Arzneimittel.

Welches Infusionsystem ist das richtige?

Volumetrische Infusionspumpen (Infusomaten) stoppen, sobald der Tropfenzähler leergelaufen ist. Deshalb beeinflusst der verbleibende Rest im Infusionsbeutel, das gesamte Volumen der Infusionsleitung und mögliche Zwischenstücke das Restvolumen. Bei der reinen Schwerkraftinfusion läuft dagegen auch der Schlauch teilweise leer. Das Restvolumen ist daher insgesamt kleiner, jedoch sehr variabel – zum Beispiel beeinflusst durch Schlauchlänge, Schlauchlumen, venösen Druck des Patienten und Höhenunterschied zwischen Infusionsbeutel und Patienten. Infusionsspritzensysteme (Perfusoren) haben wie Infusomaten den Nachteil, dass die gesamte Leitung nach Abschluss der Infusion gefüllt bleibt. Dennoch sind sie – das Totvolumen betreffend – sowohl den reinen Schwerkraftinfusionen, als auch den Infusomaten überlegen, weil ihre Leitungen über ein geringeres Lumen verfügen. Das Restvolumen darf aber auch bei Perfusorsystemen nicht unterschätzt werden.

Ein gemeinsames Plus der Pumpensysteme (Infusomat und Perfusor): Die Hersteller geben exakte Anweisungen, wie das System vor und nach Anwendung zu spülen ist.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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