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Wie geht es weiter?
Ein Jahr EuGH-Urteil – Was sagt der Markt?
Es gibt wohl kein Thema, das im Apothekenmarkt so sehr polarisiert wie der Umgang mit dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung. Während die Apotheker, die ABDA, die Union und die Linke das Rx-Versandverbot als einzig gangbaren Weg darstellen, sehen andere Kräfte lang erhoffte Deregulierungschancen. DAZ.online hat sich in Politik und Markt umgehört: Was sagen die Akteure zum Status Quo im Apothekenmarkt – ein Jahr nach dem Urteil?
ABDA, DocMorris und BVDVA
ABDA:
Auch nach mehrfacher Nachfrage war die ABDA nicht bereit, ein Statement abzugeben.
Olaf Heinrich, CEO DocMorris:
„Mit dem durch die Apothekerschaft initiierten Prozess am EuGH ist eine jahrelange Auseinandersetzung zumindest rechtlich beendet. Nun hätte die eigentliche Arbeit beginnen sollen. Das Urteil wäre ein Katalysator für eine überfällige Debatte gewesen wie man dauerhaft ein Apothekensystem in Deutschland etablieren könnte, das eine faire Honorierung beinhaltet, sich an flächendeckender Versorgung und Qualität orientiert und vor allem dem digitalen Wandel gerecht wird. Leider ist dies weitestgehend ausgeblieben, weil eine juristisch fragwürdige, eurokritische Verbotsdebatte vom Zaun gebrochen wurde. Der Austausch mit der Politik – Regierung und Opposition – zeigt, dass eine solche Diskussion gewünscht ist. Die Patientinnen und Patienten erwarten vorwärts gerichtete Antworten statt Protektionismus und Zukunftsverweigerung. Es ist nach einem Jahr nun an der Zeit wieder das Gespräch zu suchen, um gemeinsam – auch kontrovers – eine Lösung für alle Beteiligten zu erarbeiten.“
BVDVA:
„Das Wort ,Jubiläum´ passt nicht wirklich in diesem Zusammenhang. Zwar sehen wir vom Grundsatz her durch das EUGH-Urteil von vor einem Jahr mehr Chancen als Risiken auch für den deutschen Arzneimittelmarkt. Die Situation für die deutschen Versandapotheken ist aber natürlich vollkommen unbefriedigend. Seit einem Jahr haben wir einen massiven Wettbewerbsnachteil gegenüber den internationalen Wettbewerbern. Das können und wollen wir nicht länger hinnehmen. Es geht hierbei auch gar nicht allein um die Frage, wie viel Nachlass jemand seinem Kunden gewähren will oder darf. Es sollten zuallererst für alle die gleichen (Markt-)Bedingungen herrschen, dieser Nachteil schwächt in erster Linie den Standort Deutschland für die Versandapotheken.
Bedauerlicherweise hat die letzte Bundesregierung keine Lösung dieses Problems gebracht. Immerhin konnte ein Versandverbot für Rx mit guten Argumenten verhindert werden. Die Vernunft und Fachkompetenz hat an der Stelle also einen Teilsieg errungen. Aber eine dauerhafte und für alle Beteiligten vernünftige Lösung steht aus. Dazu hat der BVDVA bei vielen Anlässen Stellung bezogen und wir haben dezidiert Vorschläge unterbreitet, die die Daseinsvorsorge – deren angebliches Verschwinden ja das vorgeschobene Argument der Verbotsbefürworter war und ist – und einen begrenzten, in Leitplanken verlaufenden Wettbewerb in Kombination ermöglichen. Das deutsche Festpreissystem für Arzneimittel wirkt vollkommen anachronistisch und behindert, dass sich bessere Lösungen und ein besserer Service für die Kunden und Patienten durchsetzen. Auch wenn das zurückliegende Jahr schon viel zu viel Zeit für die deutschen Arzneimittelversender bedeutet und die neue Bundesregierung sich dieser Tage auch noch nicht konkret abzeichnet, so sind wir optimistisch, dass wir eine Lösung in der vor uns liegenden Legislatur bekommen. Die laufenden Verhandlungen und politischen Gespräche begleiten wir konstruktiv. So etwas zahlt sich immer aus.“
CDU und SPD
Michael Hennrich (CDU):
„Wir sind leider noch keinen Schritt weiter. Ich hätte mir sehr gewünscht, mit der SPD in der vergangenen Legislaturperiode die Lösung im Wege eines Versandhandelsverbots auf den Weg zu bringen. Das hätte uns die Möglichkeit eröffnet, über neue Modelle z.B. bei der Apotheker-Vergütung nachzudenken. Der Handlungsdruck auf die Politik bleibt aber bestehen, denn Patienten und Apotheker erwarten Klarheit. Wir in der CDU/CSU haben uns im Regierungsprogramm eindeutig zum Versandhandelsverbot bekannt und werden die Thematik nun bei den Koalitionsverhandlungen auf die Tagesordnung setzen. In diesem Rahmen können wir alle Alternativen aufzeigen und diskutieren. Wir können das Thema nicht einfach laufen lassen, sondern brauchen eine Lösung in der nun beginnenden Legislaturperiode.“
Sabine Dittmar (SPD):
„Die geschürten Ängste und Horrorszenarien, dass es nach dem EuGH-Urteil zu extremen Marktverschiebungen und Apothekenschließungen kommen würde, haben sich nicht bewahrheitet. Der Rx-Versandanteil macht nach wie vor nur gut 1,12 Prozent vom gesamten Rx-Markt aus. Aus meiner Sicht ist eine europarechtskonforme, patientenorientierte Lösung notwendig, die die Apotheken vor Ort stärkt und den deutschen Versandhandel nicht benachteiligt, anstelle eines unsicheren und problematischen Rx-Versandhandelsverbotes. Es ist schließlich nicht von der Hand zu weisen, dass der Versandhandel insbesondere in strukturschwachen Regionen und für in ihrer Mobilität eingeschränkte Patientinnen und Patienten eine sinnvolle Ergänzung zu Präsenzapotheken darstellt. Ein Verbot würde darüber hinaus auch unsere deutschen Versandhändler einschränken, die sich auf Spezialmedikation fokussiert haben. Mitte November wird das BMWi das Honorargutachten vorstellen, auf dessen Grundlage die Diskussion über eine Honorarreform aufgenommen werden kann, um das Honorar differenzierter zu gestalten.“
Grüne und Die Linke
Kordula Schulz-Asche (Grüne):
„Zurückblickend auf die vergangenen 12 Monate kann heute niemand zufrieden mit der jetzigen Situation sein. Nichts wurde unternommen, seitdem durch das Urteil des EuGH ausländische Versandapotheken mit monströsen Bonuszahlungen hierzulande auf Kundenfang gehen dürfen. Schuld daran hat Hermann Gröhe. Durch seine Festlegung auf ein zu kurz gedachtes und rechtlich nicht tragfähiges Verbot des Versandhandels blockierte er jegliche Reformen. Die Folge waren zwölf Monate des absoluten Stillstandes. Leider taten auch die Standesvertretungen der Apotheken ihr übriges um eine schnelle politische Reaktion auf das Urteil zu verhindern.
Der Versandhandel verschreibungspflichtiger Arzneimittel macht derweil ein Jahr nach dem Urteil unverändert etwa 1,2 Prozent des Gesamtmarktes aus, wie aktuelle Zahlen des IMS Health Instituts zeigen. Grund genug die steife Fixierung auf diesen Nebenschauplatz fallen zu lassen und sich endlich um die eigentlichen Fragestellungen der Apothekenlandschaft zu kümmern: Wie schaffen wir es, den Beruf der Apothekerin und des Apothekers so zu erhalten, dass er auch zukünftig einen integralen Bestandteil der Gesundheitsversorgung bildet, auf den Patientinnen und Patienten weder verzichten wollen noch können? Und wie schaffen wir es, diese Gesundheitsversorgung vor Ort in Stadt-, Land- und Randlagen flächendeckend anzubieten?
Eine Besinnung auf die Lösung dieser Fragestellungen sollte besonders den Apothekern selbst ein Anliegen sein. Die Vorschläge hierfür liegen seit Langem auf dem Tisch: Auf Grundlage des vom BMWi in Auftrag gegebenem Gutachtens sollten die Apothekenhonorare mit einem Fokus auf die erbrachten Beratungsleistungen überarbeitet werden. Die Aufnahme von Apothekern in den Medikationsplan ist seit Langem überfällig. Durch die Förderung der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe können Apotheker mehr und neue Aufgaben übernehmen. MVZs sollten nicht mehr ohne Apotheker gedacht und geplant werden. In den Regionen in denen eine Versorgung nicht anders zu gewährleisten ist, sollten auch vier oder fünf Filialapotheken von einer Hauptapotheke betrieben werden dürfen. Auch von anderen starren Vorgaben muss abgewichen werden können: Nicht jede Apotheke im ländlichen Raum muss 110 Quadratmeter groß sein, nicht jede wird ein Labor brauchen. Und zur Existenzsicherung der pharmazeutischen Versorgung im ländlichen Raum sollte der Nacht- und Notdienstfond zulasten aller Apotheken, auch ausländischen Versendern, erhöht werden. Die Diskussion über die Zukunft des Apothekenberufs ist im vollen Gange – ich wünsche mir, dass sich die Apotheker nun auch selbst aktiv einbringen.“
Kathrin Vogler (Linke):
„Durch
die Untätigkeit der Großen Koalition, die sich nicht auf ein
Versandhandelsverbot für Rx-Arzneimittel einigen konnte, ist bereits einiger
Schaden eingetreten: Der Versandhandel hat seinen Marktanteil mit aggressiver
Werbung für die Boni vergrößert und damit Umsatz von den Vor-Ort-Apotheken
abgezogen. Leider ist auch bei der geplanten schwarz-gelb-grünen
Bundesregierung nicht damit zu rechnen, dass ein Versandhandelsverbot kommt.
Das bedeutet vier weitere Jahre Zeit für DocMorris und Co., um ihr
Geschäftsmodell so weit auszubauen, dass ein Verbot immer schwieriger wird. Ich
halte das für ein katastrophales Politikversagen. FDP und Grüne müssen nun
alternative Konzepte vorlegen, wie sie die Privilegierung des ausländischen
Versandes gegenüber einheimischen Apotheken beenden wollen. Und wir als LINKE
werden sehr genau darauf achten, dass dies nicht zulasten der Versicherten und
Patienten geschieht. Die Aufgabe der Preisbindung wäre auf jeden Fall der
falsche Schritt, weil diese Maßnahme die Schieflage zwischen Stadt- und
Landapotheken noch vergrößern würde.“
3 Kommentare
Scheinargumente
von Florian Becker am 24.10.2017 um 14:25 Uhr
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Schulz-Asche
von Frank Ebert am 19.10.2017 um 17:38 Uhr
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Trägheit aller Orten
von Peter Bauer am 19.10.2017 um 15:55 Uhr
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