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Mögliche Jamaika-Koalition
CSU will Landversorgung zu einem Top-Thema in den Sondierungen machen
Dass Union, FDP und Grüne in ihren Sondierungsgesprächen auf Bundesebene auch über die Zukunft der Arzneimittelversorgung sprechen, wird immer wahrscheinlicher. Die CSU hat angekündigt, sehr konkrete Vorschläge zu sozialen Fragen wie der Zukunft der Krankenversicherung oder der flächendeckenden Versorgung ins Spiel bringen zu wollen. Und auch die Grünen haben erklärt, dass „soziale Themen“ in den Mittelpunkt einer möglichen Jamaika-Koalition rücken könnten.
In dieser Woche gehen die Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen in Berlin weiter. Nach einem ersten oberflächlichen Abtasten wollen sich die möglichen Koalitionäre nun um konkrete Themen kümmern. Die flächendeckende Versorgung im ländlichen Raum – und somit auch die Arzneimittelversorgung in der Fläche – könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Nach Angaben des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) gegenüber der Nachrichtenagentur dpa will die Union in den Jamaika-Verhandlungen intensiv über soziale Themen sprechen. „Da geht es um die Zukunft der Renten, da geht es um Pflege“ und andere wichtige soziale Anliegen. Zwischen CDU und CSU gebe es hier „volle Übereinstimmung“.
Details nannte Herrmann nicht. Allerdings deutete er an, worum es der CSU gehen könnte: CDU und CSU würden bei diesen Themen „mit sehr konkreten Vorschlägen“ in die weiteren Beratungen gehen. „Das gilt auch für die Zukunft der Krankenversicherung, der Krankenversorgung und der medizinischen Versorgung in den ländlichen Räumen.“ Man werde bei diesen Punkten mit den möglichen Jamaika-Partnern in der Sache gut vorankommen. Diesbezüglich sei man bereits auf einem guten Weg, sehe aber auch noch „erhebliche Diskrepanzen“.
Grüne: Jamaika-Schwerpunkt bei sozialen Fragen
Und auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt deutete an, dass die Sozial- und Gesundheitspolitik ein Markenzeichen einer Jamaika-Regierung werden könnten. In einem Video, das ihre Partei online stellte, sagte die Grünen-Politikerin, die Jamaika-Parteien könnten einen Schwerpunkt aufs Soziale legen. Dabei habe es „eine relativ breite Zustimmung“ gegeben.
Vorstellbar wäre etwa eine Einigung in der Frage, wie das zweigliedrige Krankenversicherungssystem künftig gestaltet werden soll. Auf den ersten Blick liegen alle vier Parteien hier meilenweit auseinander: Die Union und die FDP wollen die GKV-/PKV-Aufsplittung weiterführen und sehen keinen Bedarf für eine Bürgerversicherung, während die Grünen an der Zweigliedrigkeit zweifeln und die Arbeitgeber wieder stärker an der GKV-Finanzierung beteiligen wollen. Allerdings hat die FDP in Sachen Arbeitgeber-Beteiligung inzwischen Entgegenkommen signalisiert. Von ihrer Bürgerversicherung müssen sich die Grünen in einer Jamaika-Koalition wohl verabschieden – denkbar wäre aber eine teilweise Aufweichung der GKV-/PKV-Grenzen, wie sie etwa in Hamburg zugelassen ist.
Völlig offen ist allerdings der Ausgang bei allen Fragen rund um die Arzneimittelversorgung und die Apothekenstruktur. Was den Arzneimittel-Versandhandel betrifft, sind sich Grüne und FDP einig: Es soll kein Rx-Versandverbot geben. CDU und CSU haben das Verbot allerdings zu einer Herzensangelegenheit gemacht – es wird also spannend. Übereinstimmungen bei allen vier Parteien könnte es hingegen beim Apothekenhonorar geben. Insbesondere FDP und Grüne wollen neue Extra-Honorare etablieren, etwa für pharmazeutische Dienstleistungen. Und auch die Gesundheitsexperten der Union hatten das schon mehrfach thematisiert.
Zeitplan für die Jamaika-Sondierungen
Immerhin steht nun wohl auch schon ein Termin fest, an dem es zum ersten Mal um gesundheitspolitische Themen gehen könnte. Recherchen der Nachrichtenagentur dpa zufolge könnte der Zeitplan der nächsten Tage so aussehen:
24. Oktober: Nach der konstituierenden Sitzung des Bundestages (11.00 Uhr) kommt um 18.00 Uhr die 24-köpfige kleine Sondierungsrunde wie üblich in der Parlamentarischen Gesellschaft beim Bundestag zusammen. In ihr sitzen neben den Partei- und Fraktionschefs unter anderem die Generalsekretäre sowie wichtige Landes- und Europapolitiker. Sie beraten über die Blöcke Finanzen, Haushalt, Steuern und Europa.
26. Oktober: Wieder in kleiner Runde geht es von 10.00 Uhr an um die Bereiche Klima, Energie, Umwelt; Flucht, Asyl, Migration, Integration sowie Bildung, Forschung, Innovation, Digitales, Medien.
30. Oktober: Die kleine Runde berät voraussichtlich von 10.00 Uhr an über Arbeit, Rente, Gesundheit, Pflege, Soziales sowie über Familie, Frauen, Senioren, Jugend. Um 15.00 Uhr will demnach die große Gruppe der mehr als 50 Sondierer eine Zwischenbilanz über die Beratungen in den ersten sieben Bereichen ziehen.
1. und 2. November: Die kleine Sondierungsgruppe berät über weitere Bereiche.
Termin unbekannt: In großer Runde wollen CDU, CSU, FDP und Grüne darüber beraten, bei welchen Punkten Konsens gefunden ist und bei welchen nochmals in kleiner Runde nachberaten werden muss.
7. bis 9. November: Steuerschätzung. Erst anschließend wissen die Sondierer relativ genau, wie viel Geld für Steuerentlastungen, Investitionen oder soziale Vorhaben zur Verfügung steht.
17./18./19. November: Nach den Worten von CDU-Vize Julia Klöckner könnten die Unterhändler bis zu diesem Wochenende ein Sondierungspapier mit ersten Ergebnissen erstellen. Das ist wichtig für die Grünen-Spitze, die einen Parteitag über den Einstieg in Koalitionsverhandlungen entscheiden lassen will.
FDP und Grüne lassen Mitglieder abstimmen
Bei CDU, CSU und FDP dürfte diese Entscheidung in den Gremien fallen. CDU-Chefin Angela Merkel hat angekündigt, auf einer Vorstandsklausur über das schlechte Ergebnis der Bundestagswahl zu diskutieren. Dort könnte auch über die Ergebnisse der Sondierung gesprochen und entschieden werden. Am 20. November sind ohnehin Sitzungen von CDU-Präsidium und -Vorstand geplant.
Anschließend: Geben die Gremien von CDU, CSU und FDP sowie der Grünen-Parteitag grünes Licht, können die Koalitionsverhandlungen starten. Sie dürften bis Mitte Dezember dauern und sich an den Themenblöcken der Sondierung orientieren.
15./16. Dezember: Laut Klöckner ist für das dritte Dezemberwochenende ein CDU-Parteitag angedacht. Merkel hatte beim Deutschlandtag der Jungen Union auf Drängen des Parteinachwuchses zugesagt, anders als bei früheren Koalitionsverträgen einen ordentlichen Parteitag mit 1001 Delegierten entscheiden zu lassen. Die CSU will parallel zur großen Schwester vorgehen. Auch sie visiert für den 15./16. Dezember einen Parteitag an. Dort muss turnusgemäß die Parteiführung neu gewählt werden. CSU-Chef Horst Seehofer dürfte zur Wiederwahl antreten – ein Votum für ihn könnte auch als Vertrauensentscheid über einen Koalitionsvertrag gewertet werden. Bei den kleinen Partnern FDP und Grünen dürften die Führungsgremien entscheiden – abschließend werden ihre Mitglieder befragt, ob sie für die Annahme des Koalitionsvertrags sind. Nicht ganz klar ist, wie lange dies dauern könnte.
1 Kommentar
Landapotheke
von Karl Friedrich Müller am 23.10.2017 um 10:16 Uhr
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