Skabies

Erleben wir eine Krätze-Epidemie?

Stuttgart - 07.11.2017, 11:45 Uhr

(Foto: Feng Yu / Stock.adobe.com)

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Immer, wenn man etwas nicht so genau weiß, wird viel spekuliert. So ist das momentan auch mit der Krätze. Seit ein paar Jahren ist sie plötzlich wieder präsent in deutschen Medien, Köpfen und Apotheken. Gefühlt sind immer mehr Menschen betroffen. Viele fragen sich, woran das liegt. Doch bevor man sich auf Ursachen-Suche begibt, müsste erst einmal die Frage beantwortet werden, wie stark die Zahl der Krätze-Fälle tatsächlich steigt?

Eine Epidemie ist laut Duden eine zeitlich und örtlich in besonders starkem Maß auftretende ansteckende Erkrankung. Im Glossar des Robert Koch Instituts findet man als Definition „eine Vermehrung des Bestandes an Erkrankten“ im Unterschied zum Gleichgewicht oder der Regression. Unter dem Stichwort Prävalenz liest man: „Die Prävalenz kann sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums vergrößern, dann spricht man von Epidemie, konstant sein, dann spricht man von Gleichgewicht, oder sich verringern, dann spricht man von Regression.“ 

Mit einer weltweiten Prävalenz von 130 Millionen Menschen zählt die Krätze zu den häufigen Hauterkrankungen. Laut Arzneiverordnungsreport 2017 tritt Skabies in Deutschland tatsächlich wieder häufiger auf.  Am 1. Mai 2016 kam in Deutschland mit Scabioral® (Ivermectin) die erste orale Krätze-Therapie auf den Markt und zählt bereits jetzt zu den 10.000 meist verordneten Arzneimitteln. Auch Zahlen des statistischen Bundesamtes bestätigen den Eindruck, der momentan in der Öffentlichkeit entsteht: Die Zahl der Krätze-Fälle steigt seit dem Jahr 2010 wieder. 

Statistisches Bundesamt
Krätze-Diagnosen in deutschen Krankenhäusern zwischen 2000 und 2015

Eine genaue Analyse der Fallzahlen und Hintergründe ist jedoch schwierig, weil die Diagnose der Krätze oft unklar ist und die Erkrankung dem zuständigen Gesundheitsamt nur gemeldet werden muss, wenn sie in Gemeinschaftseinrichtungen auftritt. Auch die Daten des statistischen Bundesamtes beziehen sich nur auf Diagnosedaten aus Krankenhäusern.

Es scheint so, als unterliegen die Zahlen der Krätze-Fälle langjährigen Rhythmen. In Ländern mit gemäßigtem Klima ist die Ausbreitungsgefahr im Herbst und im Winter erhöht.

Die globale Dimension der Skabies

Im Lancet Infectious Diseases wurde im September 2017 eine Querschnittsanalyse zur globalen Skabies-Last veröffentlicht. Sie basiert auf der „Global Burden of Disease Study 2015“ (GBD 2015). Innerhalb der GBD-Analyse wurden zwischen 1990 und 2015 - davon ausgehend, dass niemand an Krätze stirbt - für 195 Länder aus 21 Regionen der Welt, die Jahre mit Einschränkungen durch Krätze (YLDs, years lived with disability) geschätzt. (Die Scabies crustosa und begleitende Komplikationen der gewöhnlichen Scabies wurden nicht berücksichtigt.) Dabei zeigte sich, dass vor allem Ostasien, Südostasien, Ozeanien und das tropische Lateinamerika unter einer hohen Skabies-Last leiden - Indonesien und China allen voran.  Dort spricht man aber von einer endemischen Erkrankung statt einer Epidemie: Eine Endemie ist eine in einer Gegend heimische Krankheit, von der ein größerer Teil der Bevölkerung regelmäßig erfasst wird. Das bedeutet nicht, das man ihr weniger Beachtung schenken sollte.

Der GBD-2015-Analyse zufolge betrifft die Skabies-Prävalenz weltweit etwa 204 Millionen Menschen. Am wenigsten leiden die Menschen im westlichen Europa und in Nordamerika an Skabies. Interessant ist, dass in diesen wenig von Skabies betroffenen Ländern sich die Skabies-Prävalenz gleichmäßiger auf alle Altersgruppen verteilt. So sind dort auch ältere Menschen (in Altenheimen) betroffen. In den Ländern mit der größten Skabies-Last sind es hingegen vor allem Kinder zwischen ein und vier Jahren. Zwischen fünf und 24 Jahren sind die Fallzahlen weiterhin hoch, nehmen aber ab. Ab etwa 70 Jahren erkranken wieder mehr Menschen an Krätze. 

Zwischen 1990 und 2015 veränderte sich die Skabies-Last in keiner der 21 Regionen um mehr als acht Prozent - mit Ausnahme von Nordamerika. Dort stiegen die YLDs um 23,8 Prozent. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass innerhalb einer Gruppe bestimmte Subgruppen stärker betroffen sein können als andere - in Australien sind das beispielsweise die Aborigines im Vergleich zu Restbevölkerung. Und so kann nicht außer Acht gelassen werden, dass Migration zur Verbreitung der Krätze beitragen kann.

Während die geringen Schwankungen über die letzten 25 Jahre für Länder mit geringer Skabies-Last beruhigend sein können, stellen sie in Ländern mit hoher Skabies-Last die Qualität der Therapie und Diagnose in Frage. Gerade für solche Regionen, scheinen orale Massen-Behandlungen mit Ivermectin am erfolgversprechendsten zu sein.

Wie erkennt man Krätze?

Das wichtigste Symptom der Krätze steckt schon im Namen: Skabies juckt stark (lat. scabere = kratzen). Ausgelöst wird die Hauterkrankung durch Krätzmilben (Sarcoptes scabiei var. hominis). Krätze ist jedoch nicht gleich Krätze. Die gewöhnliche Skabies muss vor allem von der selteneren Scabies crustosa (früher norvegica) unterschieden werden. Bevor der Arzt mit der Skabies-Therapie beginnt, schließt er differentialdiagnostisch andere Erkrankungen aus (Kontaktekzeme, atopisches Ekzem, Arzneimittelexanthem und andere). Nach der Blickdiagnose bestätigen Kotballen, Eier oder Milben - frisch aus einer Gangstruktur gekratzt - mikroskopisch den Verdacht. Genauere Angaben zur Diagnose findet man in der deutschen Leitlinie oder in der noch aktuelleren europäischen Leitlinie.

Die gewöhnliche Skabies – von der in den Medien momentan die Rede ist – überträgt sich durch engen und längeren Körperkontakt. Normales Händeschütteln reicht für die Übertragung meist nicht aus. Nur wenige Milben leben bei der gewöhnlichen Skabies auf einem Menschen. Wenn man an Krätze erkrankt ist, ist der auftretende Juckreiz vor allem nachts in der Bettwärme besonders stark. 
Die typischen Hautveränderungen finden sich – außer bei Kindern und bettlägerigen Personen – nicht am Kopf. Vor allem an Fußrändern, Fingerzwischenräumen und Handtellerrändern beobachtet man typische Gangstrukturen der Milben in der Hornschicht der Haut. Um Brustwarzen, Nabel und im Genitalbereich treten teils Papeln auf. Die Milben bevorzugen warme Hautareale mit dünner Hornhautschicht. Rötungen, Bläschen, Knötchen und Krusten können einzeln oder gemeinsam auftreten. 

Die Scabies crustosa wird auch Scabies norvegica genannt, weil sie 1848 von norwegischen Ärzten beschrieben wurde. Bei der Scabies crustosa leben Millionen von Milben auf einem menschlichen Körper. Sie befällt Menschen mit Immundefekt. Die Haut ist dann stark schuppig und zeigt bräunlich-graue Hyperkeratosen. Es kommt zur Abhebung der Nagelplatten. Im Gegensatz zur gewöhnlichen Krätze treten die Hautveränderungen auch an Kopf und Gesicht auf. Scabies crustosa ist höchstansteckend: Ein streifender Arztkittel reicht zur Übertragung.

Krätzmilben benötigen einen menschlichen Wirt. Sie befallen also keine Haustiere. Tritt der Juckreiz beispielsweise nach einem Bauernhofaufenthalt auf und sind auf der Haut keine Gangstrukturen sichtbar – dafür aber Quaddeln, Papeln und Bläschen – kann man auf eine spontane Abheilung innerhalb einiger Wochen hoffen. Denn vermutlich wurde man von Milben befallen, die auf dem Menschen als Wirt nicht überleben können. Eine symptomatische Therapie des Juckreizes genügt dann.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Übertragungswege

von R. Bergmann am 24.01.2018 um 12:39 Uhr

Das tut mir sehr leid fuer Sie.
Haben Sie auch an Sitzmöbel, Handschuhe, Mützen, Autositze, evtl.Ubahn-oder Bussitze gedacht?
Es hatte schon Gründe warum Öff.Verkehrsmittel keine Stoffsitze hatten. Anscheinend zählt heutzutage nur noch Design und Hygiene interessiert nicht mehr. Manche Dinge lassen sich allerdings nicht wegignorieren sondern verteilen sich gut durch Nachlässigkeit oder Sparmassnahmen im Hygienebereich. Das Klima ist auch imner schön warm im Öffentl.Nahverkehr bzw. Waggons der Bahn.

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Epidemie.

von Befallerner am 27.12.2017 um 3:17 Uhr

Ich habe mich vor 3 Monaten angesteckt über 300 € schon ausgeben war und ist immer noch eine echte schlimme Sache. Ich bekomme immernoch Juckreiz Attacken ich weiß nicht ob es psychisch ist oder nicht.. Ich war vor einigen Monaten beim Arzt und Diagnose krätze ich war schockiert aber sie meinte es gibt eine. Zuverlässige behandlung da hat sie sich wohl geirrt.. Habe infoscap oder wie das heißt ist verschrieben bekommen eine Salbe habe natürlich alles gemacht was die Ärztin mir gesagt hat alles gewaschen und und und habe die Behandlung 2mal gemacht und das Resultat Resultat hatte immer noch das jucken gehabt.. Wie jeder andere habe ich mich im. Internet schlau gemacht und bin auf antiscabiosum gestoßen und habe sie. Mir. Bestellt gleich 3 mal und habs auch nach Plan 3 mal angewandt und wieder nichts dann habe ich mir Stromectol bestellt aus dem Ausland jetzt warte ich ab habe immer noch ab und zu juckende Stellen aber kann schlafen ich hoffe es hat bald ein Ende.. Bei Fragen kann ich gerne aus Erfahrung helfen

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AW: Epidemie

von R.Bergmann am 24.01.2018 um 12:44 Uhr

Haben Sie auch an Autositze, Sofa, Mützen, Handschuhe, Schuhe, Bus und Bahnsitze gedacht?
Es waere schoen, wenn die Bahn und der ÖPNV wieder mehr auf Hygiene achren würden und diese Stoffsitzbezuege entfernen.

AW: Epidemie

von Befallerner am 04.02.2018 um 21:12 Uhr

Ja ich habe mein Auto 3 mal schon abgesaugt die Sitze etc. Und öffentliche Verkehrsmittel benutze ich sowieso nicht ich weiß wirklich nicht mehr weiter jetzt grade habe ich schon wieder juck Attacken bekommen an meinen Beinen das ist meistens so 2 Tage Ruhe und dann wieder juck Attacken ich versteh nicht warum ich die Viecher nicht los werde ich bin mit mein Latein am ende.. Habe keine Kraft mehr das schlimmste ich möchte niemanden anstecken halte zu jeden wirklich Abstand ich werd verrückt helft mir

AW: Epidemie

von Anna am 08.04.2018 um 9:05 Uhr

Mein Sohn hat diese Erfahrung auch machen müssen, hunderte von Euro für alles mögliche von Insektiziden bis Salben ausgegeben, auch vom Arzt verschriebene Sachen, nichts hat wirklich geholfen - bis auf: einfach reines Neemöl mit einem Emulgator bestellen, dann die entsprechende Mischung lt. Anweisung mit Wasser herstellen und für Körper und Gegenstände verwenden - bereits nach ein paar Tagen hat sich der Fall erledigt.

Typisch deutsch - was nicht abgeheftet wurde gibt es nicht.

von Ratatosk am 07.11.2017 um 18:24 Uhr

Wenn es nicht amtlich gemeldet wird, wird wohl nicht so oft gemacht, gibt es so was nicht in der Bürokratie.
Wer diese Epidemie nicht mitbekommen hat, bekommt so schnell nichts mit. Lokal Steigerungen um 1000% , Amtshilfeanfragen aus Augsburg nach Scabioral etc. .
Aber immer stillhalten, man spricht nicht darüber und die Ämter müssen sich auch nicht anstrengen, zumindest solange es keine Gemeinschaftseinrichtungen betrifft.
Sollte es mal was wirklich gefährliches bei uns geben, gehen sicher die Lichter aus, da die Ämter blank sind. Keine Vorräte und nur bürokratische Monsterformulare.
Ist ja mit den Versorgungsenpässen ganz genau so. Keine amtliche Meldung - also gibt es so was nicht, zusätzlich fachlich völlig andersorientierte Staatsekretäre/innen , die bekommen von der Realität leider auch nicht wirklich noch was mit.

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