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Infektiologen-Verband
Antibiotika-Therapiedauer muss auf Patienten abgestimmt werden
Immer die Packung aufbrauchen? Laut Studien sind kurze Antibiotika-Gaben für viele Patienten besser, wie jetzt auch die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie betont. Gleichzeitig warnt der Medizinerverband, dass dies nicht für jeden Patienten gilt.
Viele Patienten (und Ärzte und Apotheker) haben gelernt: Bei Antibiotika sollte immer die komplette Packung aufgebraucht werden. „Doch diese Faustregel ist überholt“, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) in einer aktuellen Stellungnahme. Denn wie berichtet ergeben immer mehr Studien, dass Patienten in einer Vielzahl von Fällen von kurzen Antibiotika-Therapien profitieren. „Untersuchungen der letzten Jahre liefern immer mehr Belege, dass bei vielen Infektionen eine kürzere Einnahmezeit genauso wirksam ist“, erklärt die DGI.
Viele Jahre sei man davon ausgegangen, dass eine längere Antibiotika-Therapie die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr der Infektion oder die Ausbildung von Resistenzen verringert, betont der Verband. Doch anders als angenommen böte eine kürzere Therapie den Vorteil, dass weniger resistente Erreger entstehen, schreibt die DGI. So ergeben einige Studien, dass kürzere Antibiotika-Therapien in manchen Fällen überlegen sein können – beispielsweise dadurch, dass sie mit weniger Nebenwirkungen einhergehen.
Dahinter stand der Gedanke, möglichst alle krankmachenden Bakterien abzutöten. Heute wissen wir: Je länger die Bakterien dem Selektionsdruck eines antimikrobiellen Wirkstoffs ausgesetzt sind, desto wahrscheinlicher überleben überwiegend resistente, also gegen das Mittel unempfindliche Erreger.
„Dennoch sollten Patienten Antibiotika nicht in Eigenregie absetzen, sobald sie sich besser fühlen“, DGI-Vorsitzender Gerd Fätkenheuer. „Vielmehr sollten Antiinfektiva individuell abgestimmt auf die bakterielle Infektion und in enger Absprache mit dem Arzt eingenommen und abgesetzt werden.“ Denn auch eine Pauschalisierung, dass nunmehr immer kurz therapiert werden dürfe, könne für manche Patienten gefährlich sein.
„Für Faustregeln sind Antibiotika-Therapien zu komplex“
„Für solch eine einfache Faustregel ist die moderne Antibiotika-Therapie zu komplex“, sagt auch Winfried Kern, gleichfalls DGI-Vorstand und Chef der Infektiologie am Uniklinikum Freiburg. Vielmehr gelte, dass abhängig von der Art der Erkrankung, ihrer Schwere, dem individuellen Verlauf und dem jeweiligen Bakterientyp die Therapiedauer gewählt werden müsse, betonen die DGI-Vorstände.
„Bei einer Harnwegsinfektion kann es mitunter ausreichen, das Medikament nur einen Tag lang einzunehmen“, sagt Fätkenheuer. „Im Falle einer schweren Infektion mit Staphylokokken dagegen müssen Betroffene Antibiotika oft mehrere Wochen lang zu sich nehmen.“ Hier könnte eine zu kurze Therapie auch zu Komplikationen und Resistenzbildung führen.
Daher müssen Ärzte individuell entscheiden, wann ein Mittel abgesetzt werden kann. Die DGI rät deshalb betroffenen Patienten, das Medikament nicht eigenmächtig wegzulassen und zudem darauf zu achten, die Therapie nicht zu unterbrechen oder Dosen zu vergessen. „Ein Arzt gibt idealerweise eine Einnahmedauer vor, die gezielt auf die jeweilige Infektion und ihren zu erwartenden Verlauf abgestimmt ist“, sagt Fätkenheuer laut der Pressemitteilung. Wenn Symptome frühzeitig ausheilen oder das Mittel nicht anschlägt, sollte der Patient den Arzt kontaktieren und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. „Wie bei jedem anderen Medikament gilt auch für Antibiotika: Die Einnahme sollte so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig erfolgen.“
Für Apotheker stellt sich hierdurch die Frage, was sie ihren Patienten empfehlen sollen, wenn keine Therapiedauer durch den Arzt empfohlen wurde. Ein Ausweg: Nochmal beim Arzt anfragen – um zu erfahren, ob er seine Packung aufbrauchen sollte oder auch früher schon aufhören kann.
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