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Die deutsche Apo der Zukunft: Nix verkaufen bei Erkältung, arbeiten für 1,1 Milliarden Euro weniger und Super-Wettbewerb mit billigen ausländischen Versendern? Ja, geht’s noch? Was haben wir Apothekers der Welt getan, dass alle über uns herfallen? Mein liebes Tagebuch, nix da, jetzt leistet die ABDA maximalen Widerstand! Und ein Großhändler steigt in die Digitalisierung ein und wir machen Abholando statt Lieferando!
27. November 2017
Alle Jahre wieder, wenn’s draußen stürmt, regnet und schneit, testen Verbrauchersendungen wie z. B. „Markt“ vom NDR die Beratungsleistungen von Apotheken zur Indikation Erkältung. Mit den immer gleichen Ergebnissen: Unzureichend und schlecht beratende Apotheken zocken Patienten mit wirkungslosen Präparaten ab. So weit, so schlecht. Ja, du meine Güte, mein liebes Tagebuch, aus dieser Nummer kommen wir nie raus. Weise Professores und Doctores wollen uns lehren, dass all die bunten zugelassenen Präparate zur Erkältungsprophylaxe und zum Schutz gegen Schnupfen, Husten, Heiserkeit eigentlich keine Evidenz haben, und wir Apothekers sollten nur raten, häufiger die Hände zu waschen und sich ausgewogen zu ernähren. Wenn das alles nur so einfach wäre! Freilich, das mit den nicht-verschreibungspflichtigen Immunstimulanzien ist halt so eine Sache, auch Glaubenssache. Ein bisschen Homöopathie-like. Andererseits: Da steht ein Kunde vor uns, der sich Sorgen um seine Gesundheit macht, der seinem Körper etwas Gutes tun möchte, und wir sollen ihm sagen: Nun hab dich nicht so, du bist gesund, wasch dir oft die Hände und iss viel Obst und Gemüse – ja, dann könnte es schon sein, dass sich dieser Kunde auch nicht ernst genommen fühlt von uns und in die nächste Apotheke geht. In unseren Regalen sieht er eine Menge von Präparaten mit „Immun“ und „Zink“ und „ortho“ im Namen und wir wollen, wir sollen ihm nichts verkaufen? Wie lange hält man das aus? Wie lange hielte das ein Professor oder ein NDR-Journalist aus, wenn er damit konfrontiert wäre, vom Verkauf dieser Präparate zu leben? Zudem, wer weiß denn wirklich so genau, ob nicht doch Wirkungen und Unterstützungen des Immunsystems stattfinden allein durch die Einnahme eines Präparats – man sollte die immunstimulierende Wirkung selbst gekaufter Präparate einzunehmen, nicht unterschätzen. Mein liebes Tagebuch, die Placebo-Effekte sind mitunter riesig! Und das ist evidenzbasiert.
Die FDP werden wir wohl nicht mehr davon überzeugen können,
dass ein Rx-Versandverbot für die Vor-Ort-Apotheken wichtig ist, für die eine
oder andere Apotheke sogar überlebenswichtig. Die FDP-Gesundheitsexpertin
Christine Aschenberg-Dugnus jedenfalls ließ da keine Zweifel aufkommen: „Ein
solches Verbot kann es mit einer liberalen Partei nicht geben.“ Klare Ansage,
oder? Sie glaubt auch nicht, dass der Versandhandel eine Bestandsgefahr für die
Apotheke darstellt. Sie will allerdings die Apotheken in ländlichen
strukturschwachen Gebieten mit einer Fondslösung stärken ähnlich wie beim
Notdienstfonds. Mein liebes Tagebuch, warten wir ab, was die GroKo, eine
Minderheitsregierung oder was auch immer für ein Konstrukt uns als Lösung
anbietet. Die FDP wird da nicht dabei sein. Vielleicht hat die ABDA ja schon
einen Super-Honorarvorschlag in der Tasche, mit dem sie bald mal überkommt. Aber
die meint wohl noch immer FDP-mäßig: Es ist besser nichts vorzuschlagen als
falsch vorzuschlagen.
28. November 2017
Jetzt hören sie aus freien Stücken mit der „Zusammenarbeit“ auf: Die „Zur Rose Group“ und der Apotheker Nachtsheim mit seiner Apotheke Zur Rose, die in Halle (Sachsen-Anhalt) seit 2004 eine Versandhandels-Apo betrieben haben: Der Schweizer Versandhandelskonzern machte die Logistik samt administrativer Aufgaben, und der Apotheker war der Apotheker oder so. Wie das Konstrukt genau war, wurde nicht so ganz klar, Kritiker sprachen von Umgehung des Fremdbesitzverbots. Ein Rechtsstreit bis vors Bundesverwaltungsgericht brachte keine Erhellung, es beschäftigte sich gar nicht mit der Versandhandelserlaubnis des Apothekers: Dem Apotheker, der gegen die Versandhandelserlaubnis geklagt hatte, war die Klagebefugnis abgesprochen worden. Mein liebes Tagebuch, das war alles mehr als seltsam. Altersbedingt will sich Apotheker Nachtsheim nun aus dem Versandhandel zurückziehen, ab Mitte 2018 kein Versand mehr aus Halle. Aber die Kunden werden natürlich zu einer der Zur Rose Versandapos in die Niederlande umgeleitet, vielleicht zu DocMorris oder zu einer neu zu gründenden Versandapo. Und die Zur Rose in Halle soll sich dem Vernehmen nach als Dienstleister auf Vertrieb, Service und Management konzentrieren. Ja, ja, das ist schon so eine Nummer, der Zur-Rose-Versandhandel.
Umfrage des BKK-Verbands mit Schwerpunkt Digitalisierung bei etwa 3000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Frage: Arzneimittel in der Apotheke selbst abholen oder „per digitaler Rezeptübermittlung anfordern und geliefert bekommen“? Ergebnis: Rund 46 % sind für Versand und rund 54 % gehen lieber selbst in die Apotheke, darunter eher die Älteren. Mein liebes Tagebuch, das wird in Zukunft wohl ein Knackpunkt sein: Viele Menschen wollen ihr Rezept irgendwie digital in die Apotheke schicken, heute per Scan, später per elektronischer Gesundheitskarte, und sich die Arzneimittel liefern lassen – ich gehe davon aus, wir werden nicht drumherum kommen, dafür ein tragfähiges Modell zu entwickeln, wenn wir die Kunden nicht an die ausländischen Versender verlieren wollen. Das Gedöns der Zustellung per Boten nur im begründeten Einzelfall und so wird auf Dauer nicht halten. Wenn wir schon die Gleichstellung bei den Arzneipreisen nicht haben, dann müssten wir darüber nachdenken, wie eine Vor-Ort-Apotheke die gleichen Wettbewerbsbedingungen bei der Botenzustellung hat, also Beratung auch per Telefon, per Videochat, damit unsere PTAs nicht als pharmazeutisch beratende Zusteller missbraucht werden müssen. Das sind die Herausforderungen der Digitalisierung, über die wir sprechen müssen – und wo sind die Diskussionsforen der ABDA? Ganz zu schweigen von den Strategien?
29. November 2017
Click & Collect – im Internet bestellen und vor Ort abholen. Nicht neu, aber man fragt sich, warum Apotheken das nicht viel häufiger anbieten. Ja, die Internetseite mit dem Warenangebot aufzubauen und zu pflegen, das kostet. Aber da gibt es doch schon Unterstützung von außen. Immer mehr Apothekenkunden würden diesen Service wohl nutzen. Die Noweda will hier noch eins draufsetzen: Sie plant ein gemeinsames Verkaufsportal für ihre Mitgliedsapotheken. Auf einer Online-Plattform werden die Produkte (in der Anfangsphase nur Freiwahl-Produkte, später dann auch OTC und die Möglichkeit, Rezepte einzulösen) angeboten, der Kunde wählt seine Ware und wird dann gefragt, in welcher Apotheke er sie abholen möchte. Mein liebes Tagebuch, endlich, da tut sich was. Ein Problemchen sind die Preise, denn im Netz kann nur der unverbindlich empfohlene Verkaufspreis des Herstellers angezeigt werden, nicht der tatsächliche Preis in der Lieblingsapotheke des Kunden. Aber immerhin – und wenn’s in der Apotheke dann etwas günstiger ausfällt, wird kein Kunde etwas dagegen haben. Weitere Serviceleistungen der Noweda: Falls die Noweda-Apotheke das Präparat nicht am Lager hat, schickt es der Großhandel mit der nächsten Lieferung. Der Kunde erhält eine Nachricht, dass er seine Ware in der Apotheke abholen kann. Geplant ist außerdem, dass der Großhandel quasi als Dienstleister die Ware gleich an den Apothekenkunden schickt, allerdings deutlich gekennzeichnet mit im Auftrag und auf Rechnung der Apotheke. Und zusätzlich kooperiert die Noweda mit dem Burda-Verlag: Auf den Internetseiten des Verlags werden Produkte und das Bestellportal beworben. Von beworbenen Produkten wird aufs Apothekenportal verlinkt. Mein liebes Tagebuch, da tut sich also doch endlich was. Wenn’s einschlägt, bleibt dieses Modell sicher nicht alleine.
Sildenafil gibt es in Neuseeland schon seit einiger Zeit als OTC, in Australien ist der OTC-Status beantragt, seit April 2016 ist es in Polen ohne Rezept erhältlich und jetzt gibt’s Viagra Connect 50 mg in den Apotheken von Großbritannien ohne Rezept. Hier ist die Abgabe an eine „Besprechung“ mit dem Apotheker gebunden, der eruieren soll, ob Wechselwirkungen vorliegen und Risiken bestehen. Mein liebes Tagebuch, Hintergrund der Freigabe war u. a., mehr Sicherheit bei diesem Präparat zu gewährleisten und Fälschungen vorzubeugen. Viele Männer bestellten das Präparat im Internet. Mein liebes Tagebuch, wäre das ein Modell für Deutschland? Sildenafil ohne Rezept in Apotheken nach eingehender Beratung? Aber bitte nur in Vor-Ort-Apotheken, wegen der Beratung, denn sonst würden hier die ausländischen Versender das Geschäft machen.
30. November 2017
Hammer-Schlagzeile in BILD! „Apotheker kassieren 1,1 Milliarden zu viel“ – steht’s also doch im Gutachten, dass die Apotheken Milliarden zu viel bekommen? Klar, was BILD schreibt, stimmt! Mein liebes Tagebuch, Moment mal. Das Boulevard-Blatt bezieht sich angeblich auf eine Version des Gutachtens vom 13. November. Mittlerweile wanderte das Gutachten zum Statistischen Bundesamt zur Überprüfung. Und was herausgekommen ist, wissen wir nicht. Wie’s weitergeht, auch nicht. Aber so eine Schlagzeile steht im Raum. Und irgendwas wird da dran sein, denkt sich der gemeine Mann auf der Straße. Im Gutachten soll außerdem stehen, dass der Zuschlag „in keinem Verhältnis zur geleisteten Arbeit“ der Apotheker stehe. Der Wahnsinn, mein liebes Tagebuch, wie hier die Arbeit des Apothekers und aller seiner Mitarbeiter klein geschrieben und runtergezogen wird. Unmöglich auch, wie dieses Gutachten hinter den Kulissen zirkuliert. Dabei steht immer noch nicht fest, wann es veröffentlicht werden soll. Immerhin, eines hat die BILD-Schlagzeile bewirkt: Sie hat die ABDA aus der Reserve gelockt.
Und da ist sie, die Ministeriums- und Agenturschelte des Präsidenten. Aus vollen Rohren. Endlich! Hat ja lang gedauert. Unser ABDA-Präsident Friedemann Schmidt redet Klartext – veröffentlicht in einem Video im ABDA-Newsroom. Er nennt es einen „skandalösen Vorgang“, dass das Gutachten oder Teile davon, an die Öffentlichkeit gebracht wurden, „durchgestochen wurden“. Und das Bundeswirtschaftsministerium muss sich fragen lassen, wie es dazu kommen kann, dass immer wieder die Vertraulichkeit gebrochen wird. Wie kann man da überhaupt noch in der Zukunft vertrauensvoll zusammenarbeiten, fragt sich Schmidt. Zum Inhalt des Gutachtens könne er nicht viel sagen, da man die kolportierten Zahlen nicht nachprüfen könne. Aber das steht fest: Wer zu einem Ergebnis kommt, dass die Arbeit des Apothekers angeblich überzahlt wird, „der ist entweder ein totaler Ignorant oder hat überhaupt keine Ahnung von der Versorgungsrealität in unseren Betrieben. Er verhöhnt die Arbeit von 160.000 Kolleginnen und Kollegen und ihren Mitarbeitern... Und er muss mit unserem maximalen Widerstand rechnen.“ Wow, mein liebes Tagebuch, jetzt ist Schluss mit Kuschelkurs. Solche deutlichen Worte wünschte man sich öfters. Also, das war schon mal eine klare Vorlage. Jetzt bleibt abzuwarten, was wirklich im Gutachten steht. Und wie der maximale Widerstand ausfällt, wenn das Ministerium solche Zahlen veröffentlichen würde.
Mein liebes Tagebuch, kann man allen Ernstes zu dem Ergebnis kommen, dass die Apotheker Jahr für Jahr 1,1 Milliarden Euro zu viel bekommen? Na siehste. Wer das glaubt, hat nichts kapiert. Ich empfehle allen, die darüber nachdenken, ob an der kolportierten Monsterzahl des Gutachtens etwas dran sein könnte, den Kommentar von Müller-Bohn, der auch aufzeigt, was passieren würde, wenn die Apotheker 1,1 Milliarden Euro weniger bekämen. Er fragt sich auch, wie eine solche Zahl überhaupt entstehen kann. Schön zu lesen, wie er die Arbeit der in meinen Augen inkompetenten Agentur zerlegt, die so eine Rechnung aufgestellt hat.
1. Dezember 2017
Es bleibt lustig mit DocMorris. Im rechtlichen Streit um den DocMo-Arzneiautomaten in Hüffenhardt geht es derzeit um die Frage: Ist der Arzneiautomat Versandhandel? Ja klar, sagt DocMorris, es sei wie bei Lieferando, der regional begrenzt ausliefere. Äh, hab ich da was falsch verstanden? Mein liebes Tagebuch, der Arzneiautomat war doch nicht mal Lieferando, sondern Abholando! Denn der Kunde musste seine Arzneimittel vor Ort abholen. Ist das also die DocMorris-Logik: Versand ist, wenn der Kunde seine Ware abholt. Dann sind ja alle Vor-Ort-Apotheken Versandapos! Richtig drollig, oder? Ob das Gericht das auch glaubt, werden wir am 21. Dezember erfahren.
12 Kommentare
Betreut aber unabhängig ... da hilft auch kein Click ...
von Christian Timme am 03.12.2017 um 21:07 Uhr
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Click & Collect....
von Hanns Ulf Buß am 03.12.2017 um 12:50 Uhr
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Noch ein Gedanke ....
von gabriela aures am 03.12.2017 um 12:31 Uhr
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Im Jahr "5" nach ApothekerProtest
von Gunnar Müller, Detmold am 03.12.2017 um 12:14 Uhr
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Guten Morgen, meine Lieben !
von gabriela aures am 03.12.2017 um 12:08 Uhr
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Digitalisierung
von Martin Didunyk am 03.12.2017 um 12:01 Uhr
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AW: Digitalisierung
von gabriela aures am 03.12.2017 um 12:20 Uhr
"...zuviel"
von Christian Giese am 03.12.2017 um 10:23 Uhr
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Wunschdenken substituiert Widerstand
von Christian Timme am 03.12.2017 um 9:34 Uhr
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AW: Wunschdenken substituiert Widerstand
von Anita Peter am 03.12.2017 um 10:19 Uhr
AW: @Frau Peter
von gabriela aures am 03.12.2017 um 13:01 Uhr
Passiert was ?
von Ulrich Ströh am 03.12.2017 um 8:50 Uhr
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