Wasserstoffperoxid

Das Hobbyjäger-Problem der Apotheker

Berlin - 07.12.2017, 10:45 Uhr

Um ihre Gehörne zu bleichen, benötigen Jäger 30-prozentiges Wasserstoffperoxid, was sie aufgrund eines Verbotes nicht mehr aus der Apotheke bekommen. (Foto: dpa)

Um ihre Gehörne zu bleichen, benötigen Jäger 30-prozentiges Wasserstoffperoxid, was sie aufgrund eines Verbotes nicht mehr aus der Apotheke bekommen. (Foto: dpa)


Was haben Apotheker eigentlich mit Jägern zu tun? Mehr als man denkt. Berufs- und Hobbyjäger benötigen nämlich regelmäßig Wasserstoffperoxid, um Gehörne zu bleichen. Seitdem in der Chemikalienverordnung die Abgabe von 30-prozentigem Wasserstoffperoxid verboten wurde, haben zumindest Hobbyjäger ein Problem. Der Jagdverband verlangt nun Änderungen von der Politik. Ein Graumarkt droht sich zu entwickeln.

Jägern in Deutschland fällt es derzeit schwer, an 30-prozentiges Wasserstoffperoxid zu kommen. Grund dafür ist eine Änderung an der Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV), die Ende Januar 2017 in Kraft trat. Weil der Stoff immer wieder auch zur Sprengstoffherstellung genutzt wurde, hat der Gesetzgeber eine Ausnahmeregelung gestrichen, nach der 30-prozentiges Wasserstoffperoxid über Apotheken abgegeben werden darf. Nun greift also automatisch die sogenannte EU-Explosivgrundstoffverordnung, in der ein Abgabeverbot von Wasserstoffperoxidlösungen mit einem Massegehalt von über zwölf Prozent an Mitglieder der Allgemeinheit verankert ist.

Eine kleine Neuregelung mit großer Wirkung – zumindest für die Jäger. Aber warum benötigen die Jäger die Lösung eigentlich? Ein Sprecher des bayerischen Jagdverbandes erklärt gegenüber DAZ.online: „Das Thema beschäftigt uns natürlich sehr. Es betrifft zwar nicht unmittelbar die Ausübung der Jagd, aber die behördliche Verpflichtung bei Hegeschauen, die erlegten Schädel zu präsentieren, und natürlich die Tradition und das Brauchtum, wo ein sauber gebleichter Schädel natürlich auch den Respekt vor dem erlegten Tier demonstriert.“

Jagdverband: Mit 12-prozentiger Lösung können wir nicht bleichen

Der Verbandssprecher erklärt auch, warum sich die Jäger nicht mit der 12-prozentigen Lösung zufrieden geben wollen: „Mit der 30-prozentigen Wasserstoffperoxid-Lösung ist das Bleichen des männlichen Schalenwildes, das wir verpflichtend bei den öffentlichen Hegeschauen in Bayern vorzeigen müssen, bestens möglich. Aus praktischen und Hygienegründen ist das für die Jagd in Bayern sehr wichtig. Die 12-prozentige Lösung wurde durch einige Jäger getestet. Das Feedback war durchweg sehr negativ, das heißt ein fachgerechtes einwandfreies Bleichen ist laut deren Aussage mit dieser Konzentration nicht oder nur sehr schwer möglich.“

Nach Informationen von DAZ.online kam es in den vergangenen Monaten insbesondere in den Bundesländern Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg zu vermehrten Anfragen der Apotheker bei ihren Kammern und auch zu einzelnen Konflikten mit Hobbyjägern, die von den Apothekern die Abgabe der höherprozentigen Lösung verlangten. Dass die Nachfrage nach Wasserstoffperoxid gerade in diesen Ländern so groß ist, verwundert nicht – hier ist die Anzahl der Jagdscheininhaber am höchsten.

Wer ist Berufsjäger? Und wer nicht?

Aber wie verfahren die Kammern bei Nachfragen der Apotheker? Was wird empfohlen? Einer Sprecherin der Bayerischen Landesapothekerkammer zufolge ist die Lage eindeutig: Dass nicht mehr an die „Allgemeinheit“ abgegeben werden darf, heiße gleichzeitig, dass die 30-Prozent-Lösung nur noch an Berufsjäger gehen darf. Wörtlich erklärt die Sprecherin: „Benötigen Jäger Wasserstoffperoxid mit einem Massegehalt von über 12 Prozent für private Zwecke (beispielsweise Hobbyjäger) und nicht für gewerbliche, unternehmerische oder berufliche Zwecke, gilt folglich das Abgabeverbot (nicht „nur“ für Apotheken, sondern für alle Vertriebswege!)“. Auf Nachfrage, ob die Abgabe denn wenigstens in Einzelfällen an Privatpersonen gestattet sei, heißt es klar: Solche Ausnahmen seien in der EU-Verordnung nicht vorgesehen.

Weil das Thema den Jägern und somit auch den Apothekern auf der Seele brennt, hat sich die Kammer im März 2017 aber beim Bundesinnenministerium erkundigt. Denn fraglich ist nach wie vor: Wie soll ein Apotheker feststellen, ob der Jäger privat jagt, oder ein Berufsjäger ist. Das Ministerium antwortete: „Zum Nachweis über die berufliche oder gewerbliche Verwendung beim Erwerb von Grundstoffen bestehen keine speziellen Regelungen. Die berufliche oder gewerbliche Verwendung ist im jeweiligen Einzelfall plausibel zu machen.“ Und weiter: „Das Bleichen von Geweihen oder Gehörnen mit Wasserstoffperoxid kann eine Tätigkeit im Rahmen des Jägerberufs sein, wenn der Jäger diese für seinen Dienstherrn bleicht oder mit ihnen Handel treibt. In diesen Fällen ist der betreffende Jäger kein Mitglied der Allgemeinheit, sodass Wasserstoffperoxid auch in höherer Konzentration als 12 Gew.-% an ihn abgegeben werden kann.“

Jäger lobbyieren für eine Änderung

Die Jäger sind aber auch mit diesen Einzelfallentscheidungen nicht zufrieden. Der Sprecher des Jagdverbandes sagt gegenüber DAZ.online: „Für Berufsjäger, Förster und Jäger mit einem Gewerbeschein ist es nach wie vor möglich die 30-prozentige Lösung zu bekommen. Diese Zwei-Klassen-Lösung ist für viele der Jäger und auch für uns im Verband nicht nachvollziehbar.“ Zumindest die bayerischen Jäger haben nun den Kontakt zur Politik aufgenommen, damit der ehemalige Regelungszustand wiederhergestellt wird. Der Verbandssprecher: „Wir haben diesbezüglich mit den Abgeordneten des Bayerischen Landtags gesprochen, die einen Antrag in den Bayerischen Landtag eingebracht haben, mit dem Ziel die bisherige Praxis beizubehalten.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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