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Lindner-Buch „Schattenjahre“
„Wir wollten den Versendern die Rabatte streichen“
Wer verstehen möchte, woher die Neuausrichtung der FDP in der Apothekenpolitik kommt, dem sei Christian Lindners Buch „Schattenjahre“ empfohlen. In seinem autobiografischen Werk bezeichnet der FDP-Chef, wie es möglich sein kann, dass eine Partei, die für Freiberufler kämpft, trotzdem Chancengleichheit zwischen Apothekern und Versendern fordert. Von Lindners Erlebnissen auf dem ABDA-Sommerfest bis hin zum „Shitstorm der Apotheker-Fachmedien“ ist viel dabei für das gekränkte Apothekerherz.
Seit Ende Oktober ist das autobiografische Buch „Schattenjahre“ von FDP-Chef Christian Lindner auf dem Markt. In dem Buch beschreibt Lindner seine persönlichen Erlebnisse während des Niedergangs der Liberalen nach der Bundestagswahl 2013 sowie die jüngsten Erfolge bei den Landtagswahlen und der Bundestagswahl. Einen großen Abschnitt widmet er auch dem neuen Umgang seiner Partei mit den Apothekern.
Die FDP und die Apotheker haben derzeit keine unbeschwerte Beziehung zueinander: Galten die Liberalen einst als „Apothekerpartei“ und Partei der freien Heilberufler, haben sie sich zuletzt von vielen Grundprinzipien des etablierten Apothekensystems verabschiedet. Der Parteitag verabschiedete im Vorfeld der Bundestagswahl ein Wahlprogramm, das die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes enthält und sich dafür ausspricht, dass Versendern und Apothekern die gleichen Rechte eingeräumt werden.
Trotzdem feierten die Liberalen im September einen großen Wahlerfolg: Nach einem stark personalisierten und auf Christian Lindner zugeschnittenen Wahlkampf holte die FDP knapp 10 Prozent und zog wieder ins Parlament ein. Welche Apothekenpolitik die Liberalen aus der Opposition heraus betreiben wollen, machte zuletzt auch die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus in einem Interview mit DAZ.online klar.
Großen Platz im Lindner-Buch nimmt die Erklärung des Bundestags-Wahlkampfes ein. Hier erklärt der FDP-Chef, den zentralen Claim „Mut“ der FDP.
„Wir wussten nun, welches Angebot wir glaubwürdig unterbreiten konnten. Ein Angebot für alle, deren Wunsch nach Selbstbestimmung groß ist, die bereit zur Übernahme von Verantwortung für sich und andere sind, die Mut zu Veränderungen aufbringen und die Freude daran empfinden, etwas zu schaffen. Einem Unternehmer, der statt Wettbewerb in der Marktwirtschaft eher die Subvention für seine Photovoltaikanlage schätzt, könnten wir nichts anbieten. […] Der Lehrerin dagegen, die mit der Elterninitiative und Sponsoren darauf hinwirkt, dass in ihrer Klasse digitale Lernmittel genutzt werden können, die Gemeinde und Land nicht bereitstellen, würden wir versuchen zu helfen, indem zum Beispiel bürokratische Regeln beseitigt werden. Eine Politik für Menschen mit Unternehmensgeist war das Ziel, nicht für einzelne Berufsgruppen oder Branchen.“
„Das herkömmliche Modell der Apotheken ist einem Wandel unterworfen"
Im folgenden Teil beschreibt der FDP-Chef, wie dieses neue Leitbild auf teilweise ältere Positionen der Partei prallte:
„Ob ein solches Leitbild tatsächlich politische Relevanz besitzt, zeigt sich, wenn seine Ansprüche mit traditionellen politischen Reflexen konfrontiert werden. Am nachdrücklichsten in Erinnerung geblieben ist mir in diesem Zusammenhang die Debatte um die Versandapotheken. Die Freien Demokraten wurden in der Vergangenheit gerne als ‚Apotheker-Partei‘ diffamiert. Wir hatten und haben Respekt vor allen Freien Berufen, weil dort unsere Werte von Leistungsbereitschaft, Unabhängigkeit und Eigenverantwortung gelebt werden. Dennoch sind wir als Liberale zuerst der Wahlfreiheit der Kunden und dem Gedanken des fairen Wettbewerbs verpflichtet.“
Seine neue apothekenpolitische Position erklärt der FDP-Chef damit, dass er die Freiheit der Kunden vor die Bedürfnisse der Apotheker stelle:
„Das herkömmliche Geschäftsmodell der Apotheken vor Ort ist einem Wandel unterworfen. Der Marktanteil von Versandapotheken steigt, die auch verschreibungspflichtige Medikamente anbieten. Die Antwort des CDU-geführten Gesundheitsministeriums lautete: Versand verbieten. Der Spiegel schrieb, dass die Apotheker-Lobby nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Deutschen Bundestag ursprünglich Nachteile befürchtet hatte, sich nun aber im Grunde alle anderen Parteien um ihren Schutz bemühten. Der Beitrag verschwieg die eigentliche Pointe, dass sich nämlich eine Partei vorbehaltlos für die Freiheit der Kunden eingesetzt hat, den Bezugsweg für Arzneimittel zu wählen, der ihren Wünschen und Bedürfnissen am besten entspricht: die Freien Demokraten.“
So wie im FDP-Wahlprogramm festgehalten, schreibt auch Lindner, dass er den Apotheker an anderen Stellen auch Gutes hätte tun wollen:
„Einerseits wollten wir den Apotheken ärgerliche Bürokratie ersparen, sie etwa für Nachtdienste besser honorieren und auch die Beschränkungen beim Sortiment lockern, damit sie beispielsweise über kosmetische Artikel Umsätze erzielen konnten. Andererseits waren wir gegen ein Verbot des Versandhandels, der allerdings auf besondere Rabatte verzichten und sich an die Preisbindung halten müsste, damit der Wettbewerb fair und nicht ruinös wäre. Dafür wollten wir alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen.“
Fehler im Lindner-Buch
Zumindest an dieser Stelle wird das Lindner-Buch ungenau bis falsch: Denn bislang hat die FDP an keiner Stelle mitgeteilt, dass sie dafür sorgen wolle, dass Versender sich an die Preisbindung halten sollen. Allein schon mit Blick auf das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung wäre das gar nicht möglich. Und auch vom FDP-Parteitagsbeschluss zur Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes fehlt in „Schattenjahre“ jede Spur. Vielmehr bringt Lindner die Berichterstattung in den Apotheker-Medien in Verbindung mit der FDP-Positionierung zum Versandhandel:
„Die Wellen der Empörung schlugen dennoch hoch. Einen veritablen Shitstorm gab es in den Apotheker-Fachmedien, die nahezu täglich gegen uns und speziell gegen meine Person eine Kampagne betrieben. In meinem Posteingang stapelten sich die wütenden Zuschriften von Apothekern, die beteuerten, nie wieder FDP wählen zu wollen. Wir gehörten auf den ‚Müllhaufen‘ - das war noch eine relativ freundliche Formulierung. Wir seien von den Versandapothekern ‚gekauft‘ worden - nur weil ein Anbieter einen Stand bei den Ausstellern auf unseren Bundesparteitagen hatte. Der Vorwurf war eine Absurdität, denn den Versendern wollten wir ja die Rabatte streichen.“
Nur kurz schreibt der FDP-Chef, dass es „innerparteilich“ Bedenken gegeben habe. Dass sich aber insbesondere einige Landesverbände gegen die neue Apothekenpolitik stark machten, erwähnt der FDP-Chef nicht. Vielmehr folgt eine eindrucksvolle Schilderung seines Besuches auf dem ABDA-Sommerfest, wo Lindner spät am Abend völlig überraschend erschien:
„Einladungen zu den parlamentarischen Sommerfesten von Verbänden in Berlin habe ich nie annehmen können, weil ich mich auf Veranstaltungen im Land konzentriert habe. Im Sommer 2017 machte ich eine Ausnahme - und ging ganz bewusst zu den Apothekern. Ich wollte mich stellen, aber zugleich dem Eindruck entgegentreten, wir sähen in ihnen ein Feindbild oder wollten nur ein Exempel statuieren. Ich erinnere mich genau, wie ich staunend beäugt und von Verbandsoffiziellen umringt wurde. Sahra Wagenknecht würde die Apotheken vor der Konkurrenz durch turbokapitalistische Versender schützen, dafür müssten sie dann auf ihren Gewinn 70 Prozent Steuern zahlen, scherzte ich. Bei der FDP gebe es ein mittelstandsfreundliches Programm, aber eben um den Preis, sich im Interesse der Kunden einem fairen Wettbewerb stellen zu müssen. Natürlich konnte ich dort niemanden überzeugen.“
Und trotzdem habe er einige Apotheker von seinem neuen Kurs überzeugen können, schreibt Linder:
„Aber mir schrieben während dieser Phase viele Apotheker, sie könnten unseren Standpunkt zumindest nachvollziehen. Einige wurden sogar Mitglied der FDP. ‚Das Eintreten der FDP für Marktwirtschaft und Mittelstand ist für mich umso glaubwürdiger geworden, nachdem Ihre Partei dafür auch Schelte von alten Freunden in Kauf nimmt‘, schrieb ein Apotheker. Ich glaube das auch: Wer Interessengruppen nur jeden Wunsch von den Lippen abliest, erfährt vielleicht für den Moment Unterstützung, bekommt aber keinen Respekt. Am Ende degradiert man sich zum nützlichen Idioten.“
2 Kommentare
Buch
von Frank ebert am 08.12.2017 um 14:55 Uhr
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So jung und ....
von gabriela aures am 08.12.2017 um 13:47 Uhr
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