Bottroper Apotheken-Skandal

VdPP fordert strengere Zyto-Kontrollen und Whistleblower-Schutz

Stuttgart - 19.12.2017, 16:45 Uhr

Aufgrund des Skandals um den Bottroper Zyto-Apotheker fordert auch der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten strengere Kontrollen. (Foto: Hermdorff / stock.adobe.com)

Aufgrund des Skandals um den Bottroper Zyto-Apotheker fordert auch der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten strengere Kontrollen. (Foto: Hermdorff / stock.adobe.com)


Eigentlich hätte der Zyto-Skandal um den Apotheker Peter S. aus Bottrop verhindert werden können, erklärt der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten – doch fehle es an Anlaufstellen und Kontrollmöglichkeiten. Der Verein fordert besseren Schutz von Whistleblowern, wie auch stärkere Kontrollen, beispielsweise von Kassenseite.

„Arzneimittel müssen sicher sein“, beginnt ganz grundsätzlich eine Stellungnahme des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP): Angesichts des Skandals um einen Bottroper Zyto-Apotheker, der laut Anklage Krebsmittel unterdosiert und allein innerhalb von fünf Jahren rund 62.000 Krebsmittel im Wert von gut 56 Millionen Euro unter schlechten hygienischen Bedingungen hergestellt haben soll, fordert der Verband tiefgreifende Reformen. „Alle Menschen müssen darauf vertrauen können, dass Arzneimittel, die sie anwenden müssen, dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen“, erklärt der VdPP. „Der Staat hat dabei die Aufgabe, die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um die für die Überwachung zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, wirksame Kontrollen bei den Herstellern und Vertreibern der Arzneimittel durchführen zu können.“

Der Verein erklärt, dass der Apotheker offenbar „mit hoher krimineller Energie“ gehandelt habe und damit wissentlich auf wirksame Krebsarzneimittel angewiesene Patienten „massiv geschädigt“ habe. Wenn seine Mitarbeiter, die überwachenden Behörden und behandelnde Onkologen schon bei ersten Anzeichen hiergegen vorgegangen wären, hätte der Skandal verhindert werden können, schreibt der VdPP. Doch fehlten Apotheken-Mitarbeitern eine Vertrauensstelle, an die sie sich in solchen Fällen wenden können. Auch könne die Apothekenüberwachung derzeit „schon aus personellen Gründen“ keine umfassende Kontrolle ausüben – und Ärzte würden nicht „bei jedem Therapieversagen auch Arzneimittelfälschungen für möglich halten“, auch da in der Krebsmedizin Erfolg und Misserfolg oft eng beieinander lägen.

„Skandale müssen wachrütteln“

„Solche Skandale müssen wachrütteln und dazu führen, genauer hinzuschauen, Schwachstellen des bisherigen Systems zu erkennen und Maßnahmen zu entwickeln, die solche kriminellen Machenschaften wirksamer verhindern“, betont der VdPP. „Blinder Aktionismus“ verbiete sich jedoch, sagt der Verein.

Er schlägt mehrere Lösungsansätze vor. „Arzneimittel- und Apothekenüberwachung ist staatliche Aufgabe und muss von staatlichen Stellen wirksam durchgeführt werden“, heißt es in der Stellungnahme. Auch die in einigen Ländern - nicht so NRW - stattfindende Überwachung durch Apothekerkammern sei zu hinterfragen, erklärt der Verband. Allgemein bedürfe es einer besseren Personalausstattung, und unangemeldete Überwachung müssten selbstverständlich sein. Auch müsse deutlich kommuniziert werden, „was heute durch die Arzneimittel- und Apothekenüberwachung möglich ist“, schreibt der VdPP – „also wozu Behörden unter den heutigen Voraussetzungen eben auch nicht in der Lage sind“.

Whistleblower-Schutz und Kassen-Kontrollen

Der Patientenschutz habe dabei „höchste Priorität“, erklärt der Verein. „Mitarbeitende, die in der Patientenversorgung tätig sind und Missstände sehen, müssen sie sich an eine Vertrauensstelle wenden können“, betont er – und betont, dass arbeitsrechtlicher Schutz für Apothekenmitarbeiter zentral sei. Diese müssten zumindest dann geschützt werden, wenn Hinweise zur Aufdeckung illegaler Praktiken geführt haben. „Whistleblowing dient dem öffentlichen Interesse und muss entsprechend gesetzlich definiert werden“, erklärt der VdPP.

Politik, Patientenverbände, Kostenträger und Gesundheitsdienstleister müssten sich nach Ansicht des Apotheker-Vereins jetzt zusammensetzen und Vorschläge entwickeln, wie sie alle Schwachstellen konsequent beseitigen können, damit sowohl Patienten als auch Mitarbeitende besser als bisher geschützt werden können. „Dabei müssen auch weitere Dokumentationspflichten geprüft werden, etwa eine Eingangs-/Ausgangsdokumentation von Wirkstoffen“, erklärt der VdPP. Da dies bislang normalerweise nicht Teil der Apothekenüberwachung ist, sei zu prüfen, ob beispielsweise die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, die bei den Krankenkassen angesiedelt sind, entsprechende Kontrollaufgaben erhalten sollten.

„Patienteninteressen stehen vor Unternehmerinteressen“, betont der Verein – und kritisiert ein grundlegendes Thema, nämlich die im Bereich der Krebstherapie teils hohen Arzneimittelpreise. „Wo viel Geld im Spiel ist, lohnt sich das Verbrechen“, erklärt der VdPP, der sich für nachhaltige Reformen einsetzen will. „Einzelne Schnellschüsse von Landesregierungen als Reaktion zur Beruhigung der Menschen dürfen nicht das Ende der Diskussion sein“, heißt es in der Stellungnahme. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
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