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Warum wirbt die Bundesregierung für Versandapotheken?

Berlin - 19.12.2017, 10:05 Uhr

Auf ihrer Internetseite stelt die Bundesregierung einen sehr werblichen, teils nicht mehr aktuellen Text zum Versandhandel zur Verfügung. (Screenshot: bundesregierung.de)

Auf ihrer Internetseite stelt die Bundesregierung einen sehr werblichen, teils nicht mehr aktuellen Text zum Versandhandel zur Verfügung. (Screenshot: bundesregierung.de)


Eigentlich gibt es in der geschäftsführenden Bundesregierung derzeit keine feste Meinung zur Zukunft des Arzneimittel-Versandhandels. Gibt man bei Google jedoch die Wörter „Versandhandel“ und „Bundesregierung“ ein, erscheinen ganz oben zwei Internetseiten der Regierung, die einen stutzig machen. Da ist von guten Preisen, Verträgen mit Krankenkassen und Vorteilen für Patienten die Rede. Das Bundespresseamt erklärt, dass die Seiten veraltet sind und keine politische Relevanz haben.

Wenn gesundheitspolitisch interessierte Bürger, Politiker oder Journalisten im Internet derzeit nach einer Positionierung der Bundesregierung zum Thema Arzneimittel-Versandhandel suchen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie auf eine Regierungsseite gelenkt werden, auf der erstaunliche Aussagen getroffen werden. Unter der Überschrift „Versandhandel mit Arzneimitteln – Was man wissen sollte“ hat die Bundesregierung zwei Seiten online gestellt, der sich wie eine PR-Broschüre für Versandapotheken lesen.

Nach einem sehr nüchternen Einstieg werden auf der einen Seite zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen für Versender in Deutschland beschrieben, etwa die Pflicht, auch gleichzeitig eine Apotheke vor Ort betreiben zu müssen. Auch die Freigabe des Versandhandels im Jahr 2004 wird kurz thematisiert. Doch schon im nächsten Kapitel mit der Überschrift „Vorteile für Patientinnen und Patienten“ geht es zur Sache. Dort heißt es:


„Bei der Einführung des Versandhandels hatte die Gesundheitspolitik vor allen Dingen folgende Personengruppen im Blick: Menschen, deren Mobilität aufgrund von Alter und Krankheit eingeschränkt ist oder die größere Entfernungen zur Apotheke zurücklegen müssen. Auch für Berufstätige, die über wenig Zeit verfügen, ist die Bestellung über das Internet oder Telefon eine interessante Alternative. Vor allem aber chronisch Kranke, die regelmäßig bestimmte Arzneien benötigen, können von günstigeren Preisen profitieren.“


Es folgt der Abschnitt „Gute Preise“. Auch hier kommt die Redaktion der Bundesregierung zu erstaunlich werblichen Aussagen:


„Seit der Gesundheitsreform 2004 dürfen Apotheken den Preis für rezeptfreie Arzneien, die sogenannten OTC-Präparate, selbst festsetzen. Dieser Preiswettbewerb macht sich gerade bei Internet- beziehungsweise Versandapotheken bemerkbar. Preisunterschiede von bis zu 30 Prozent sind keine Seltenheit. Außerdem gewähren viele Versandapotheken Boni, zum Beispiel in Form von Gutschriften.“


Tipp: Fragen Sie ihre Kasse nach Versand-Verträgen!

Aus Sicht vieler Apotheker dürfte jedoch am ärgerlichsten sein, dass die Bundesregierung den Patienten ganz offen dazu rät, sich bei ihren Krankenkassen nach bestehenden Verträgen mit Versendern zu erkundigen. Unter den Überschriften „Kooperationen mit den Krankenkassen“ und „Tipps“ heißt es:


„Einige Krankenkassen haben Kooperationsvereinbarungen mit Versandapotheken geschlossen, die den Versicherten Vorteile in Form von Rabatten oder Aktionsangeboten eröffnen. Drei Jahre nach der Zulassung des Versandhandels von Arzneien gibt es 1.842 zugelassene Internetapotheken. Das sind fast zehn Prozent der deutschen Apotheken.“ (…) „Fragen Sie Ihre Krankenkasse nach Internet- oder Versandapotheken! Hier wird man Ihnen Apotheken mit entsprechender Qualität nennen. Sie erhalten auch Informationen über die Erstattung von Arzneimitteln, die Sie über den Versand beziehen. Für Versandapotheken in Deutschland gilt: Alle hier bezogenen Arzneimittel werden, soweit sie erstattungsfähig sind, von Ihrer Krankenkasse erstattet. Beziehen Sie Arzneimittel über Apotheken aus EU-Mitgliedstaaten oder Vertragsstaaten über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wenden Sie sich wegen der Erstattungsformalitäten vorher an Ihre Krankenkasse. Arzneimittel aus Drittstaaten zu beziehen, ist hingegen nicht zu empfehlen.“


Es folgen weitere Tipps zur Sicherheit der Bestellungen, etwa dazu, wie man unseriöse Websites erkennt. Vom europaweit gültigen Sicherheitslogo, das seriöse Versandapotheken heutzutage verwenden müssen, ist noch keine Rede. Auch daran erkennt man, dass die Seite schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Und trotzdem erscheint sie bei Google ganz oben. Erst an dritter Position finden Interessierte eine aktuellere Information (Oktober 2016) der Bundesregierung zum Thema Versandhandel. Auch hier wird relativ werblich beschrieben, dass Arzneimittel den Patienten auch „bequem per Post“ erreichen können. Allerdings liegt der Schwerpunkt hier auf den Sicherheitsbestimmungen, wie etwa dem Versandhandels-Register des DIMDI und dem damit verbundenen EU-Sicherheitslogo.

Warum also stellt die Bundesregierung an so prominenter Stelle solche Aussagen im Internet zur Verfügung? Der Chef vom Dienst des Bundespresseamtes (BPA) erklärt gegenüber DAZ.online: „Den oben genannten Beitrag hat das Bundespresseamt Anfang 2008 innerhalb eines „E-Magazins“ veröffentlicht. Das BPA hat zur damaligen Zeit regelmäßig elektronische Magazine mit Hintergrund-Berichten, Reportagen und Gastkommentaren zu Schwerpunktthemen der Regierungspolitik herausgegeben. Interessierte Bürgerinnen und Bürger konnten die ‚E-Magazine‘ kostenlos abonnieren.“

Wenn die Seite also wirklich veraltet ist und keine aktuelle politische Relevanz hat, warum ist sie dann noch online? Dazu erklärt der CvD: „Da der Text aus dem Jahre 2008 stammt, hat er keinen Bezug zu aktuellem Regierungshandeln. Um Missverständnissen vorzubeugen, überprüfen wir nun die Möglichkeit, den genannten Artikel wieder aus unserem Internetangebot zu entfernen.“

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Update, 19.12.2017, 15.15 Uhr: Die Bundesregierung hat offenbar schnell reagiert und inzwischen beide betroffenen Seiten mit den fragwürdigen Inhalten vom Netz genommen.  



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Obiger Artikel

von PTA am 19.12.2017 um 21:38 Uhr

Hallo Herr Rohrer! Na da bin ich ja froh, dass sie zufällig vier Tage nach mir auf diese alte Seite der Bundesregierung gestoßen sind!
https://apothekentheater.wordpress.com/2017/12/15/das-hohelied-auf-die-versandapotheke/?preview=true
Ihnen hört man offenbar besser zu als mir. Erwähnen können hätten sie meinen Blog dennoch - wäre irgendwie fair gewesen finde ich. Aber sei es drum, das Ergebnis zählt! Ich freue mich dass diese Seite vom Netz geht :-)
Freundliche Grüße,
das PTAchen

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AW: Obiger Artikel

von Benjamin Rohrer am 20.12.2017 um 9:25 Uhr

Liebes PTAchen :-)

Vielen Dank für den Kommentar! Ich kannte Ihren Blog bislang allerdings gar nicht und habe den Tipp aus einer anderen Quelle erhalten. Das zeigt aber, dass Ihr Blog sehr gut gelesen wird und sich in der Branche schnell verbreitet! Viele Grüße! BR

Error

von Christian am 19.12.2017 um 14:49 Uhr

Der DAZ.online-Beiträge ist nicht ohne Wirkung geblieben: Den ersten Beitrag hat das Ministerium inzwischen vom Netz genommen: Error 404.Ob damit wohl gemeint ist, dass man sich bei der Einführung des Versandhandels politisch geirrt hat?

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