BMG, Phagro, AOK, etc.

Das sind die Reaktionen auf das Honorar-Gutachten

Berlin - 22.12.2017, 16:30 Uhr

Die AOK will über Strukturen diskutieren, der Phagro fürchtet Margenverluste, die Gesundheitspolitik analysiert. Das sind die ersten Reaktionen der Branche auf das nun veröffentlichte Honorar-Gutachten. (Foto: dpa)

Die AOK will über Strukturen diskutieren, der Phagro fürchtet Margenverluste, die Gesundheitspolitik analysiert. Das sind die ersten Reaktionen der Branche auf das nun veröffentlichte Honorar-Gutachten. (Foto: dpa)


Viele Politiker und Verbände hatten sich zu den Vorab-Versionen des Honorar-Gutachtens bislang nicht äußern wollen. Nun gibt es aber plötzlich ein finales Papier. Wie reagiert die Gesundheitspolitik? Was sagt das BMG aus gesundheitspolitischer Sicht? Was hat der Großhandelsverband Phagro vor? Und wie kommen die Vorschläge der Gutachter bei den Krankenkassen und in der Pharmaindustrie an? DAZ.online hat nachgefragt.

(Foto: Sket)

Das Bundesgesundheitsministerium wollte die Fragen von DAZ.online zu den gesundheitspolitischen Folgen des Gutachtens nicht kommentieren und verweist auf die Antworten des Bundeswirtschaftsministerium.

(Foto: Külker)

Sabine Dittmar: „Nachdem in den zurückliegenden Wochen viel über das Honorargutachten spekuliert wurde, ist es gut, dass es jetzt endlich offiziell vorliegt. Damit kann die weitere Diskussion nun anhand von Daten und Fakten geführt werden.“

(Foto: wes)

Kordula Schulz-Asche: „Ich freue mich, dass Frau Zypries meiner Bitte gefolgt ist und das Gutachten nun veröffentlicht wurde. Jetzt können alle Beteiligten auf gleicher Informationsbasis über die nächsten Schritte diskutieren.“

(Foto: FDP)

Christine Aschenberg-Dugnus: „Da ich nichts von überstürzten Kommentaren halte, werde ich – wie immer – das Gutachten mit der nötigen kritischen Distanz in Ruhe lesen und durchdenken.“

AOK und BAH

(Foto: AOK-BV)

Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes: „Das Gutachten macht endlich transparent, was Apotheken tatsächlich verdienen. Damit erfüllt es zumindest den Anspruch seiner Auftraggeber, eine belastbare Entscheidungsgrundlage für Veränderungen der Arzneimittelpreisverordnung zu sein. Wir werden uns die Endfassung des Gutachtens sehr genau anschauen. Einige Ansätze gehen definitiv in die richtige Richtung, beispielsweise die deutliche Reduktion pauschaler Zuschläge, mit denen die reine Verkaufsleistung in der Apotheke vergütet wird. In der nun folgenden Diskussion darf es aber nicht nur um neue Preisschilder gehen, sondern wir müssen grundlegende Fragen zu den Arzneimittelabgabestrukturen beantworten. Das Gutachten zeigt deutlich, dass wir in Ballungsräumen Überkapazitäten haben. Es kann aber nicht die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sein, diese mit Milliardensummen am Leben zu halten. Spannend finde ich vor diesem Hintergrund die Aussage des Gutachtens, dass ein Verbot des Versandhandels mit Blick auf die flächendeckende Versorgung nicht zu rechtfertigen ist.“

Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH): „Wir werden die Ergebnisse des Gutachtens nun in aller Ruhe analysieren und auf dieser Basis eine Bewertung vornehmen. Ungeachtet der Ergebnisse und der Schlüsse, die daraus gezogen werden, muss das Ziel aller Beteiligten sein, die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln auch in Zukunft über die Apotheke zu gewährleisten. Denn insbesondere in ländlichen Regionen stehen viele Apotheken bereits jetzt stark unter Druck.“

Thomas Trümper (Phagro)

(Foto: Phagro)

„Kurz nach Veröffentlichung des Gutachtens kann man nur eine erste Bilanz ziehen, denn natürlich müssen alle Daten und Fakten in aller Ruhe analysiert und bewertet werden. Der Bundesverband PHAGRO kann und will ausschließlich zu dem Teil des Gutachtens einen Kommentar abgeben, der die Vergütung und Leistung des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels behandelt.

Die mit dem AMNOG neu eingeführte Struktur zur Berechnung der Vergütung des Großhandels wird positiv bewertet, allerdings anders gewichtet. Bezogen auf den fixen Anteil der Vergütung decken sich die neu berechneten Werte mit den Ansichten unseres Verbandes und bestätigen damit unsere seit Jahren vorgebrachten Argumente, dass der jetzige Festzuschlag nicht kostendeckend ist. Dass es eine Diskrepanz zwischen den Angaben des statistischen Bundesamtes und desjenigen unabhängigen Institutes gibt, das für den PHAGRO regelmäßig Statistiken führt, muss im Detail erörtert werden, ändert aber nicht grundsätzlich die im Gutachten getroffenen Aussagen.

Der Vorschlag zum variablen Anteil der Vergütung des Großhandels muss sicher eingehend diskutiert werden. Er führt zu einer drastischen Reduzierung der Marge im dreistelligen Millionenbereich. Damit können weder die notwendigen Handelsfunktionen zur herstellerneutralen Vollversorgung, noch Anreize zu rationellem Einsatz der Logistik- und Wirtschaftsfunktionen, noch die Ertragserwartungen von Unternehmen zur Aufrechterhaltung der geforderten Versorgungssicherheit erfüllt werden. Die Denkansätze driften hier doch sehr stark in den theoretischen Bereich ab, der von der Realität des Marktes und dem tatsächlichen Umfang des vom Gesetzgeber vorgesehenen Sicherstellungsauftrages des Großhandels weit entfernt ist.

Dies zeigt sich in der immer wieder aufflammenden Diskussion um die Belieferungshäufigkeit und die damit verbundenen angeblichen Einsparpotentiale. Auch die Annahmen dazu sind frei aus der Luft gegriffen und sollten eigentlich in einem Gutachten, das im Wesentlichen darum bemüht ist, faktenbasierte Aussagen zu treffen, nicht getätigt werden. Relativiert werden alle Angaben mit der Anmerkung, dass die Gutachter letztendlich die Notwendigkeit der Belieferungshäufigkeit nicht beurteilen können, und das ist richtig! Diese Diskussion dauert seit 30 Jahren an, ohne dass eine Lösung gefunden werden konnte, woran auch angeblich innovative neue Konzepte nichts geändert haben, wenn man die Fakten genau betrachtet.

Abschließend stellt der PHAGRO fest, dass hier eine Diskussionsgrundlage geschaffen wurde, auf deren Basis im Bereich der Leistungen des vollversorgenden pharmazeutischen Großhandels und der damit verbundenen Vergütung sicher ein sachlicher Dialog geführt werden kann, vorausgesetzt der alte Spruch gilt: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“

Freie Apothekerschaft

Pressemitteilung der Freien Apothekerschaft: „Was darf ein Apotheker als Leistungserbringer der Gesetzlichen Krankenkasse verdienen? Laut einem jetzt veröffentlichten 256 Seiten starken Gutachten, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) in 2016 in Auftrag gegeben wurde, in Zukunft deutlich weniger. Die Folge? Jede dritte Apotheke wird schließen müssen. Die Freie Apothekerschaft fordert die Politik auf, umgehend die fragwürdigen Änderungen am Arzneimittelpreis zu beenden und endlich mit Augenmaß die Versorgung der Bürger durch die deutschen Apotheken zu sichern.
In Diskussion steht der Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel. In diesem wird unter anderem die Vergütung für die Apotheken geregelt. 'Dem SPD-geführten Bundesministerium scheint es in erster Linie um die Frage zu gehen: Was darf ein Apotheker als Leistungserbringer der Gesetzlichen Krankenkasse verdienen? Wenn allerdings die Abgabe von Hustenbonbons gleichgesetzt wird mit der Abgabe eines Blutdruckmittels auf Verordnung eines Arztes inklusive Beratung, und der Inhaber einer Apotheke mit allen Risiken der Selbständigkeit und auch der Haftung für sein Tun verglichen wird mit dem angestellten Apotheker einer Krankenhausapotheke, dann scheint das Ergebnis des Gutachtens schon vorher festgestanden zu haben', so Dr. Helma Gröschel, Vorsitzende der Freien Apothekerschaft.

Bereits in Sachen 'Versandhandel aus Holland mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln' mussten Apotheken zur Kenntnis nehmen, dass sich augenscheinlich die SPD zusammen mit der FDP und den Grünen die deutschen Apotheken zum Feindbild Nr. 1 im Gesundheitswesen erkoren haben. 'Alle Beteuerungen dieser Parteien, wie wichtig die Apotheken vor Ort für die Versorgung der Bevölkerung seien, kann man jetzt getrost als Makulatur bezeichnen', kritisiert Gröschel. 'Das von den Steuern der Bürger finanzierte Honorar-Gutachten bildet nicht annähernd die Leistung der Apotheken vor Ort ab, ja man muss sogar von falschen und irreführenden Zahlen ausgehen, und dennoch scheint es für das BMWi als Grundlage zu dienen, das Apothekenhonorar über den Arzneimittelpreis in Gänze zu ändern und durch drastische Kürzungen mindestens 40 Prozent der Apotheken den Garaus zu machen.' Beteiligt an dem Preis ist mit 19% Mehrwertsteuer auch der Staat, der ab einem Verkaufspreis von ca. 45 Euro mehr 'verdient' als die Apotheke. Die Mehrwertsteuer ist in dem Gutachten nicht berücksichtigt.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) geht in einem Artikel gar von der Vernichtung von 50 Prozent der Apotheken aus (siehe Link FAZ unten). Das bedeutet gleichzeitig den Verlust von mehr als 70.000 qualifizierten, frauenfreundlichen Arbeitsplätzen. Dieser Kahlschlag führt konsequenterweise zu dem Schluss, dass der Versandhandel zukünftig unverzichtbar wird. Inwieweit die ausländischen Versandapotheken mit schweizerischen und saudi-arabischen Investoren an dem Gutachten mitgewirkt haben, entzieht sich der Kenntnis des Vereins. Die guten Kontakte zum Bundesministerium und ihrer Ministerin sowie die Begehrlichkeiten der ausländischen Aktiengesellschaften am deutschen Arzneimittelmarkt sind hinlänglich bekannt.

Leider konnte die sogenannte Standesvertretung ABDA bis heute anscheinend vielen Politikern nicht den Unterschied begreiflich machen, dass Apotheken vor Ort 'versorgen', der Versandhandel aber nur 'liefern' kann. Ebenso haben viele Abgeordnete nicht verstanden, dass dem verschreibungspflichtigen Arzneimittel zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung ein einheitlicher Abgabepreis zugrunde liegen muss. Auch dieser wird seit Oktober 2016 durch ausländische Versandapotheken ohne Konsequenzen durch das Parlament unterlaufen. 'Ob GroKo oder KoKo: Die Bundeskanzlerin muss endlich ein deutliches Zeichen setzen', fordert die Freie Apothekerschaft.

Anfang 2018 wird der Bundesverband eine Unterschriftenaktion in allen deutschen Apotheken starten. Ziel ist, die täglich drei Millionen Apothekenkunden über die Vorhaben des Bundesministeriums zu informieren und festzustellen, wie die Bürger drastische Einschnitte der Politik bei der Versorgung durch die Apotheken bewerten.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Ersparnis?

von Karl Friedrich Müller am 28.12.2017 um 11:11 Uhr

Angenommen, die Vergütung wird pro Apotheke um 45.000€ gekürzt. Das wären für die GKV nicht mal 900 Mio € Ersparnis.

0,4% der Ausgaben. (von 210 Mrd € in 2016)

Dafür will man Tausende von Apotheken ruinieren? Die Versorgung torpedieren?

Für einen tropfen auf den heißen Stein?

Wie verbohrt muss man da sein?
Mit den Zahlen wird auch gezeigt, wie preiswert Apotheken für die Allgemeinheit arbeiten.

Die Stellungnahmen, die für eine Kürzung plädieren und das Gutachten sind reine Ideologie gegen Apotheken.
Spinnereien, Hass, Hetze, Dummheit. Verkennung der Realitäten.
wahnsinn

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Geschickter TERMIN

von Heiko Barz am 23.12.2017 um 13:03 Uhr

Ich kann das BMfWi und seiner Spitzenkräftin!nur beglückwünschen für die exzellente Terminierung zur Veröffentlichung des von ihr mitbeauftragten "Gutachtens".
Ich bin sicher, dass dieses Pamphlet schon länger in seiner Gänze vorlag, nur der Zeitpunkt mußte noch gewählt werden, um sich nagender Kritik zu entziehen, blieb also nur die Vorweihnachtszeit. Die Apothekerschaft wird sich dann bis Mitte Januar soweit beruhigt haben, dass man ihnen dieses Konstrukt überstülpen kann mit dem immer jungen Apothekersatz " es hätte wesentlich schlimmer kommen können."
Den Herrn Martin Litsch von der AOK, der schon wieder neue Milliarden aus den Pfründen der Apothekerschaft erwartet, möchte ich nur fragen, wie er es begründen will, dass für eine rein ideelle Beratungsleistung eine 30% Rabattierung zu erfolgen hat.
Ich schäme mich, mit solchen Leuten über unsere Existenz reden zu müssen.
Ein Satz von meiner Frau noch zum Termin des Gutachtens:
'Ich erinnere nur zu gerne an einen tragischen "Blaue Brief"
Zum Mutteretag' Ohne weitere Worte!
Wir haben wieder einmal am !.Weihnachtstag Dienst und niemanden wird unser Problem interessieren, es sei denn, er wurde gerade aus einer Paracelsusklink zwangsentlassen.
Frohes Fest!

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Stimmt es

von Karl Friedrich Müller am 23.12.2017 um 7:25 Uhr

Dass schon wieder eine Unterschriftenaktion geplant ist für Anfang 2018?
Wieviel Geld will man noch verplempern?

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