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Und, mein liebes Tagebuch, wie war das Jahr 2017 für uns Apothekers? Sagen wir’s mal so: Ein wirklich gutes Jahr sieht anders aus. Ein Riesen-Imageschaden durch den Bottroper Zytoskandal, nervige Lieferengpässe, der quälende und erfolglose Kampf fürs Rx-Versandverbot, eine zahnlose und schwächelnde ABDA und dann noch ein unsägliches Honorar-Gutachten, das wir sorgenvoll ins neue Jahr mitnehmen – schlimmer geht nimmer. Oder doch? Aber, mein liebes Tagebuch, wir lassen den Kopf nicht hängen und das Pistill nicht stecken: Ohne Apotheke geht’s nicht! Auch nicht 2018!
1. Quartal
Januar 2017
Alles dreht sich, alles bewegt sich um ein Rx-Versandverbot. Es wird ein Ganzjahresthema, ein ewiges Pro und Contra, in der Politik, von Organisationen, die sich zu Wort melden, und von Medien. Da müsste doch was zu machen sein, meinen nicht nur wir. Da gibt es CDU-Politiker, die eine tolle Zuversicht verbreiten: Das Rx-Versandverbot kommt, sicher! Zum Beispiel die bayerische Gesundheitsministerin Huml oder der Gesundheitspolitiker Hennrich. Und dann gibt es diejenigen, die sich notorisch dagegenstellen: SPD-Politiker wie Karl Lauterbach, zum Beispiel. Oder der Vizechef des GKV-Spitzenverbands Magnus von Stackelberg. Auch Medien wie der „Spiegel“ schießen mit oberflächlichen Argumenten gegen die Apotheke und meinen, die Apotheken wollten den Versandhandel per se verhindern. Bundesgesundheitsminister Gröhe geht dagegen unbeirrt seinen Weg. Er poliert sogar seinen Gesetzentwurf für ein Rx-Versandverbot nach und stellt den Gesundheitsschutz der Bürger in den Mittelpunkt. Und während alle das Für und Wider diskutieren, bereitet die Oberversandapotheke DocMorris eine Werbeaktion nach der anderen vor und lockt Kunden mit satten Boni zum Rx-Versand. Mein liebes Tagebuch, wir müssen uns im Januar auf ein ganzjähriges Auf und Ab zu diesem Thema einstellen.
Der zweite Dauerbrenner: Lieferengpässe und Versorgungsengpässe Das Bundesgesundheitsministerium macht sogar den Weg frei für Not-Importe aus dem Ausland. Mein liebes Tagebuch, es wird immer deutlicher, wie wir von der Antibiotika-Produktion in China abhängig werden. Und wie GKV-Sparzwänge und Gewinnmaximierung die Märkte im Griff haben. Dann setzen Hersteller noch eins drauf und kontingentieren ihre Ware an den Großhandel und liefern bevorzugt direkt über die Plattform Pharma Mall. Wilde Spielchen laufen da ab.
Das Januar-DAZ-Interview mit dem ABDA-Präsidenten: erfrischend offen. Er habe viel gelernt in seiner bisherigen Amtszeit. Er freut sich über das Erreichte wie z. B. das Perspektivpapier, den Nacht- und Notdienstfonds und ARMIN. Was drückt und noch vor ihm liegt, sind natürlich die Anpassung des Apothekenhonorars und ein Rx-Versandverbot. Ach ja, dann wären da noch der verunglückte Medikationsplan und die ausstehende Reform des Pharmaziestudiums, die er 2017 angehen wolle. Was seinen Führungsstil betreffe, so habe er ein dickes Fell bekommen und ja, die Vorstellung vieler Mitglieder nach einem Idol an der Spitze – das könne er nicht erfüllen. Nein, mein liebes Tagebuch, muss er auch nicht, aber ein bisschen häufiger vielleicht mal ein klares Statement zu aktuellen Fragen wäre schon nicht schlecht.
Februar 2017
Überraschung Anfang Februar: Die vom Bundeswirtschaftsministerium mit dem Honorargutachten beauftragte Consulting-Agentur 2hm sucht Kontakt zu Apotheken und will intime Daten aus der Apothekenpraxis, seltsam gegliedert nach Warenwirtschaft, BtM-Abgabe und Zubereitung parenteraler Lösungen. Die ABDA war über den Fragenkatalog nicht informiert. Mein liebes Tagebuch, das kann ja heiter werden, so unsere Vorahnung, steht da ein Pharmageddon fürs Apothekenhonorar bevor?
Auch im Februar treibt uns das Thema Rx-Versand um. Die SPD schlägt Kapriolen:
Während die Landesebene geschlossen für ein Verbot ist, mauert die Bundesebene. Sie will nun Rx-Boni übers Sozialrecht für zwei Jahre verbieten und danach eine Umstellung des Apothekenhonorars prüfen. Und macht den Apotheken klar: Akzeptiert den Vorschlag oder es gibt gar nichts.
Auch die Grünen können sich nicht zu einem Verbot durchringen. Die Grüne Kordula Schulz-Asche sieht z. B. keine Gefahr für die flächendeckende Versorgung – notfalls könnten Apotheken doch kleine Zweig-Apos auf dem Land eröffnen.
Derweil steht Gröhe fest wie der Fels in der Brandung: Er schickt seinen Gesetzesvorschlag für ein Rx-Versandverbot zur Abstimmung ans Wirtschafts- und Justizministerium. Der „Spiegel“ wirft dem „Apothekerfreund Gröhe“ vor, er habe sich von der Apothekerlobby einflüstern lassen, den Versandhandel zu verbieten.
Während dessen macht die ABDA nette Filmchen über Patientenschicksale und entdeckt Emotionen. Da wird’s uns richtig warm ums Herz, mein liebes Tagebuch.
Dann noch eine Überraschung: Die Deutsche Parkinson Vereinigung, die von DocMorris satte Boni einstrich und uns praktisch das EuGH-Urteil einbrockte, kooperiert mit der ABDA: Sorry, liebe Apotheker, war alles nicht so gemeint, die Apotheker vor Ort sind doch besser. Mein liebes Tagebuch, na supi!
März 2017
Auch der März ist ein Monat des Ringens um das Rx-Versandverbot. Gegner bemühen das Schlagwort vom digitalen Wandel und das, was sie darunter verstehen, z. B. Internetklicks und Päckchen packen. Kassenbosse tanzen Hand in Hand mit ausländischen Versandapotheken um das Goldene Kalb Versandhandel. Dass sie dabei kleine Apotheken zertrampeln, merken sie nicht. Digitaltrunken meint der BKK-Chef, Arzneiversandhandel sei unverzichtbar.
Unsere ABDA lässt sich trotz Querelen ums Versandverbot nicht beirren und geht ihren Weg: Ein schniekes neues Apotheker-Häuschen wird in Berlin gebaut für schlappe 35 Mio. Euro. Mit Plenarsaal, Konferenzflächen und Dachterrasse, aber Hallo, vom Feinsten! Am 2. März war der Spatenstich an der Heidestraße in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs. Und in zwei Jahren sollen unsere ABDA-Oberen schon die Ledersessel ihrer neuen Büros besetzen.
Fast schon wie ein Aufatmen: Endlich, unser Präsident redet Klartext! Mit einer Pressemitteilung meldet sich die ABDA zur Blockadehaltung der SPD beim Rx-Versandverbot zu Wort: Auch inländischen Apotheken die Vergabe von Boni zu erlauben, wie es die SPD vorschlägt, sieht Schmidt mehr als kritisch und sagt: „Diese Idee ist ebenso untauglich wie gefährlich.“ Die Präsenzapotheken würden in die Rabattschlacht gezwungen. Aber das ist es, was wohl auch die Wirtschaftsweisen wollen: „Einen sanften Wettbewerb“, wie es ihr Vorsitzender Christoph Schmidt nennt. Sein grauenvoller Vorschlag: Die Kassen bezahlen den Apotheken nur noch den Großhandelseinkaufspreis und bekommen kein Honorar mehr. Die Apotheken dürfen sich dann über eine „Servicepauschale“ zwischen null und zehn Euro ihren Verdienst beim Kunden holen. Zum Glück finden solche Vorschläge keinen Niederschlag in der Politik. Aber der GKV-Spitzenverband singt dazu sein hohes Lied des Versandhandels. Wie schräg das klingt! Und der AOK-Bundesverband träumt von einem Höchstpreismodell für Arzneimittel und von Selektivverträgen – natürlich am liebsten mit ausländischen Versendern.
Die ABDA-Unterschriftenaktion „Gesundheitssystem in Gefahr“, mit der sich Apothekenkunden zur Vor-Ort-Apotheke bekennen können, geht zu Ende. Unspektakuläre 1,2 Millionen Unterschriften für die Vor-Ort-Apotheke haben Deutschlands Apotheken bei ihren Kunden eingesammelt – ob das die SPD beeindruckt? Wohl eher nicht! Die beiden SPD-Ministerien für Wirtschaft und für Justiz legen ihr Veto gegen den Gesetzentwurf von Gröhe ein, der unbeirrt weiter für ein Rx-Versandverbot kämpft.
Doch die SPD bleibt davon unbeeindruckt. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis versteckt sich sogar hinter dem Zeitgeist, als sie sagt, es sei „dem Zeitgeist geschuldet, dass wir den Rx-Versandhandel nicht einfach abschaffen können“. Selbst ein Gutachten eines Gesundheitsökonomen (Professor May), einer Politikwissenschaftlerin (Bauer) und eines Juristen (Dettling), das die Folgeszenarien nach dem EuGH-Urteil durchspielt und durchrechnet, wonach ein Preiswettbewerb für die Apotheken verheerende Auswirkungen auf die flächendeckende Versorgung bedeuten würde, scheint die SPD- und Grünen-Politiker kalt zu lassen. SPD-Wirtschaftsministerin Zypries tönt sogar: Der Rx-Versand bedroht die Apotheken nicht.
Es kommt zum Spitzentreffen von Union und SPD – mit enttäuschendem Ausgang: keine Einigung auf ein Rx-Versandverbot. ABDA-Präsident Schmidt wendet sich in einer Videobotschaft ans Apothekenvolk und spricht von einer „ganz schlechten Nachricht“ für Apotheker und Patienten.
2. Quartal
April 2017
Wie geht’s nun weiter? Die ABDA denkt nicht im Entferntesten daran, nur einen Millimeter vom Rx-Versandverbot abzurücken. Selbst die Charmeoffensive vom SPD-Mann mit der Fliege, Karl Lauterbach, über regulierte Rx-Boni und ein höheres Apothekenhonorar zu sprechen, lehnt die ABDA dankend ab. Die Absage ist eine Abfuhr für Lauterbach, aber andererseits, was hätte es gebracht, wenn Lauterbach nur zusammen mit dem Versandapothekenverband und der ABDA diskutieren wollte? Genau: nichts!
Was die ABDA wirklich will, steht im Positionspapier zur Bundestagswahl. Also: die Apothekenpflicht erhalten, das Fremd- und Mehrbesitzverbot, den einheitlichen Rx-Abgabepreis und das Rx-Versandverbot, außerdem die Ausweitung des Leistungskatalogs der Apotheker durch Leistungen wie Medikationsmanagement, Arzneimitteltherapiesicherheit und Prävention. Dann hätten wir da noch den Wunsch des Ausbaus von E-Health-Anwendungen, aber das bleibt dann doch etwas im Nebulösen hängen. Und schließlich fordert die ABDA, das Honorarsystem auszubauen plus Planungssicherheit bei der Honoraranpassung und Honorierung neuer Dienstleistungen.
Noch immer keine Bewegung beim Rx-Versandverbot. Die ABDA versucht mit einer Plakatkampagne nachzuhelfen, z.B. ein Plakat mit einem „richtig guten Postboten“, der „aber kein Apotheker“ ist. Schade, dass diese Aktion erst im April kam, tja, war wieder mal gut gemeint…
Die Lachnummer im April: Der niederländische Versender DocMorris öffnet in der 2000 Seelen-Gemeinde Hüffenhardt seinen Arzneiautomaten mit Videoberatung – und muss ihn nach rund 48 Stunden wieder schließen auf Anordnung der Behörde. Dumm gelaufen für den Versender. Dabei hatte er es sich so schön zurechtgelegt: Eigentlich ist das doch Versand! Zwar bekommt der Patient dort vor Ort sein Arzneimittel aus einem Automaten, aber in der kleinen Welt von DocMorris soll dies doch Versandhandel sein, denn der Auslöseknopf für die Automatenausgabe wird in den Niederlanden gedrückt. DocMorris, träum weiter! Dieses Konstrukt überzeugt selbst versandhandelsaffine Behörden und Gerichte nicht. Übrigens, aus dem Berliner Apothekerhaus war zu diesem Vorgang kein Wörtchen zu hören. Auch stark, oder?
Neueste Tiefstandsmeldung der Apothekenzahlen: Am Ende des ersten Quartals 2017 zählen wir nur noch 19.940 Apotheken in Deutschland – das ist das Niveau von 1990. Und es geht weiter abwärts.
Der Deutsche Apothekerverband will auf dem Wirtschaftsform nicht übers Honorar reden, zumindest nicht jetzt und nicht vor der Wahl. Denn das sei wie eine Operation am offenen Herzen, sagt Verbandschef Fritz Becker. Aber kann man Operationen, selbst wenn sie schwierig sind, so lange hinausschieben, bis der Patient fast tot ist?
Und wie geht’s uns eigentlich? Gefühlt so la la bis miserabel. Die durchschnittliche Apotheke macht 2,2 Mio. Euro Umsatz, aber 61 Prozent der Apotheken liegen unter diesem Durchschnitt. Das steuerliche Betriebsergebnis beträgt bei der durchschnittlichen Apotheke 6,4 % des Netto-Umsatzes. Die Aussichten: Wenn kein größeres Unglück passiert, sind leichte Steigerungen zu erwarten. Es gibt bald mehr Geld für Rezepturen, für die Dokumentation, bei Rx ist ein kleines Wachstum zu erwarten und die Zahl der Apotheken wird weiter abnehmen. Aber es gibt viele Unbekannte in dieser Rechnung: Wie entwickelt sich der Versandhandel? Was hat die Politik mit dem Apothekenhonorar vor?
Mai 2017
Sie will sie tatsächlich: Die neoliberale Randpartei FDP will Apothekenketten – ohne weiter darüber nachzudenken. Andererseits will die Partei die inhabergeführte Apotheke stärken – indem man das Rx-Versandverbot ablehnt und das Fremdbesitzverbot abschafft. Wie quer muss man da denken, um so einen Nonsens zu fordern? Unser ABDA-Präsident traut sich aber nicht auf den Tisch zu hauen. Er meint da nur: Die Aussagen des FDP-Wahlprogramms zur Arzneimittelversorgung seien „inkonsistent“. Mehr kommt aus dem Berliner Lindencorso nicht.
Videoautomat war gestern. Heute unterwirft sich ein Münchner Apotheker der Amazon-Knechtschaft und macht beim Schnelllieferdienst des Versandkonzerns mit. Und morgen?
SPD und Grüne wollen immer noch Boni. Und die Arbeitgeberverbände wollen den gesamten Arznei- und Apothekenmarkt liberalisieren.
Während unsere Apothekenzahlen weiter in den Keller rauschen, feiern derweil die Arzneiversender zweistellige Zuwachsraten.
Auch das bringt der Mai, endlich: Das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz tritt in Kraft und bringt uns mehr Honorar bei der Rezeptur und beim Dokumentieren von BtM- und T-Rezepten.
Wie schön, ein ABDA-Sommerfest! Das Apotheker-Palais ist verkauft, der Preis bleib geheim. Der ABDA-Präsident verrät ihn nicht. Aber er lässt die Hosen runter und äußert sich als Privatmann zum Honorarthema: Er hätte gern ein Einschreibemodell nach holländischem Vorbild. Hier schreiben sich Patienten in einer Apotheke ihrer Wahl ein und die Apotheke bekommt dafür eine Pauschale, mit dem die Apothekenleistungen abgegolten sind. Ach ja, mein liebes Tagebuch, privat kann man sich ja viel wünschen. Offiziell hört man nichts. Nur von unseren Honorargegnern, den Kassen, die meinen, die Apotheker verdienen zu viel.
Im März war die Unterschriften-Kampagne gegen das Rx-Versandverbot zu Ende, erst Mitte Mai werden die mickrigen 1,2 Mio. Unterschriften der Politik übergeben. Das muss man erstmal schaffen! Und so verpufft der Sinn der Aktion.
Juni 2017
Präventionsleistungen aus der Apotheke – nur wenige Kunden wollen sie, die Kassen zahlen nix und Ärzte poltern mit Selbstdispensation. Aber die ABDA will sie. Konzentrieren wir uns lieber aufs Rx-Versandverbot – auch wenn die SPD stur bleibt – und klären die Bürgerinnen und Bürger auf, was wäre, wenn’s immer weniger Apotheken gäbe.
Die schönste Nachricht seit langem: Der Videoautomat von Hüffenhardt steht still, ein Gericht hat den Stecker gezogen. Und ein Gutachten listet eine Reihe von Ordnungswidrigkeiten und Straftatbeständen auf. Die andere Front: Ausländische Versender wachsen weiter und picken sich Rosinen auf Rezept. Jetzt wundern sich sogar die Grünen, wollen aber immer noch 1-Euro-Boni. Und die Digitalisierung geht im Schneckentempo weiter, aber noch nicht beim Rezept. Zum Glück.
Während Krankenkassen den Apothekenmarkt disruptiv aus den Angeln heben wollen, hat die ABDA-Mitgliederversammlung die Ruhe weg, fast wie bei einem Anglerverein. Und die Bearbeitung der Apothekertagsanträge aus 2016 reißt nicht zu Begeisterungsstürmen hin. Hauptsache die ABDA hat einen Newsroom mit Filmchen, netten Texten und Klangwolken, alles dreimal gefiltert und weichgespült. Und Newsroom klingt ja irgendwie digital. Aber vom Hocker reißt das nicht. Ein Lichtblick: Die ABDA will U40-Apothekers verstehen – wird auch Zeit. Und in NRW: ein freundliches Hallo für Laumann und ein wehmütiges Tschüss für Steffens.
Und dann ist da noch der Skandal um den Zyto-Apotheker in Bottrop. Die BILD-Zeitung meint dazu: „Für sein Luxusleben ließ er Krebskranke sterben“. Wenn sich das alles bewahrheitet, was da nach und nach an die Oberfläche kommt, dann fragt man sich: Wozu können Menschen fähig sein?
3. Quartal
Juli 2017
Der AOK-Boss Martin Litsch will Ketten, Wettbewerb, Direktverträge mit Versandapos, vor allem mit denen aus Holland. Aber die Union will’s nicht, sie steht zum Rx-Versandverbot, nach wie vor, und so steht’s auch im Wahlprogramm. Ist zwar noch kein Gesetz. Aber wir arbeiten dran, sagt die ABDA. Auch an den Lieferengpässen. Und schaut per Webcam beim Bau des neuen Apothekerhäuschens zu. Wenn alles gut geht, sollen schon im März 2019 die Geschäftsstellen von ABDA, Bundesapothekerkammer und Deutschem Apothekerverband ein neues Zuhause haben. Hoffentlich gibt’s dann noch ein paar Apotheken.
Neues Retax-Ungemach durch Entlassrezepte: Klinikärzte müssen das Rezepteschreiben erst noch lernen und da können schon mal Fehler passieren. Wann erkennt eigentlich die Politik, welchen Wert wir Apothekers haben?
Ende Juli schlägt mein Herz für Weiß-Blau: Die CSU will, so steht‘s in ihrem Wahlprogramm, die Apotheken schützen, Apotheken gehören einfach dazu, flächendeckend und unabdingbar. Und sie will den Rx-Versandhandel verbieten. Schöner geht’s kaum. Beim Wort AOK dagegen fängt mein Herz an zu rasen: Der Chef der AOK Ba-Wü ist besessen vom Versandhandel und von Selektivverträgen. Ein Lichtblick: Vielleicht gibt’s bald mehr Stationsapotheker in Niedersachsens Krankenhäusern.
Apropos Versand: Verbraucher dürfen ihre bestellten Arzneimittel zurückschicken, die dann allerdings in die Tonne müssen – tut mir sowas von Leid. Und der alte Zopf der Importquote poppt auf: Wann wird der abgeschnitten?
August 2017
Die Aufreger: Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) besucht den niederländischen Versender DocMorris und jubelt ihn hoch – eine Ohrfeige für die Vor-Ort-Apotheken in Deutschland. Ich konnte mit ihr sprechen und sie war ein Stück weit einsichtig. Aber an ein Rx-Versandverbot glaubt sie nicht und hält auch nichts davon. Sie will lieber gedeckelte Boni. Die Grüne Kordula Schulz-Asche gönnt den Apotheken die Honorarerhöhung für die Rezeptur nicht. Ihr Credo lautet: Die großen reichen Apotheken sollten die kleinen armen Apotheken unterstützen.
Noch immer überall Engpässe: Lieferengpässe, Versorgungsengpässe und auch noch Fachkräfteengpässe. Die Bundesarbeitsagentur stuft den Apothekerberuf offiziell als „Mangelberuf“ ein.
Das Land Niedersachsen will in allen seinen Krankenhäusern Stationsapotheker einführen für mehr Arzneimittelsicherheit. Die niedersächsisches Kammerpräsidentin Linz begrüßt das, aber die Krankenhausgesellschaft sieht das kritisch – ist sie etwa gegen mehr Arzneisicherheit? Mein liebes Tagebuch, Apotheker auf Station sollte es in allen Bundesländern geben – das fordert übrigens auch der Verband der Krankenhausapotheker ADKA.
Mitte August die neuesten Apothekenzahlen: Es gibt nur noch 19.880 Apotheken in Deutschland! Ist der Versandhandel daran schuld? Der jedenfalls wächst und wächst und wirft mit Gutscheinen und Rabatten um sich. Und der Vize-Chef des GKV-Spitzenverbands kann es nicht lassen: Er fordert, das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufzuheben, damit mehr Wettbewerb aufkommt. Unsäglich! Die EU ist derweil im Liberalisierungs-Modus. Mit dem „Dienstleistungspaket“ sollen der Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr liberalisiert werden. Sie will alte Zöpfe bei den Freien Berufen, auch bei den Apothekern abschneiden. Die Berufsorganisationen der Heilberufe, auch die ABDA, wehren sich dagegen und wollen Ausnahmen erreichen.
September 2017
Wie digitalisiert sind eigentlich unsere Apotheken? Hält sich noch in Grenzen, vielleicht auch kein Wunder. Von offizieller Seite, aus dem Apothekerhaus, kommen nur sehr wenige richtig zündende digitale Impulse. Immerhin, die ABDA hat eine Abteilung IT/Telematik gegründet und seit April gibt es die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA). Wenn man sich aber vor Augen hält, dass es 2017 immer noch keine Vernetzung der Apotheken untereinander gibt, sollte sich da endlich was tun.
Ein Gutachten macht die Runde: Die Autoren May, Bauer und Dettling haben im Auftrag des Deutschen Apotheker Verlags und der Noweda ein Papier erstellt, das zeigt, dass allein ein Rx-Versandverbot der richtige Weg ist. Gröhe sieht sich bestätigt.
DocMorris verschickt auch was, Broschüren, die über Mythen und Fakten zum Versandhandel aufklären wollen, Motto: der Rx-Versandhandel ist doch gar keine Gefahr für die Apotheke vor Ort, außerdem ist der Versandhandel so sicher, so rein und fein. Richtig dick aufgetragen ist das alles, mein liebes Tagebuch. Aber mit der Anfertigung von Rezepturen hadert der Versender nach dem Motto: Im Prinzip machen wir’s, wenn sie einfach sind, wenn die PTA da ist, wenn wir die Stoffe da haben oder so ähnlich, könnte das Fazit lauten.
Dieses Jahr Apothekertag im September – wegen der Bundestagswahl. Gröhe war da, stand auf Apothekers Seite und verpasste den Kassen und den Sozis eine Abfuhr. Dann der ABDA-Präsident: emotional, menschlich nah, „das können nur wir“. Welch ein Auftakt! Es folgten EU-Betrachtungen: kritisch, aber alternativlos – wir brauchen Argumente! Und der Wille des Apothekertags: Rx-Versandverbot, Kampf gegen Lieferengpässe, mehr Apotheker und mehr Digitales, aber bitte mit Vorsicht. Ach ja, die Botschaft der Pressekonferenz: Die Stimmung der Apotheker ist im Keller. Das war’s dann auch schon.
Zurück zur Realität. AOK-Hermann träumt vom Rx-Verivoxportal und Einsparungen satt. Er möchte Höchstpreise für Rx-Arzneimittel, die jede Apotheke nach Belieben unterschreiten kann. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Dittmar träumt von der Quadratur der Apo-Kreise: starke Vor-Ort-Apos und starker Rx-Versand. Der LAV Ba-Wü und die VSA träumen von digitalen Rezeptsammelstellen, die sie auf der Expopharm vorgestellt haben. Auch der Apothekertag träumte von neuen Botendienst-Sammelstellen-Zweigapo-Konzepten, zumindest soll darüber mal nachgedacht werden. Ob dabei was herauskommt?
Dann die Wahl: Unter schwarz-gelb-grüner Flagge segeln wird erstmal mit Kurs auf Jamaika. Der ABDA-Präsident fordert Planbarkeit von der Politik. Aber wie soll das gehen? Politik und Planbarkeit?
Da plant die ABDA lieber ihr neues schniekes Haus und legt den Grundstein in aller Stille, also ohne Presse, nur die PZ durfte dabei sein. Mit feinen Häppchen, Sekt und dem Versenken einer Zeitkapsel im Grundstein feiert man den Baubeginn unter sich. Aber ja doch, es soll ein ganz offenes Haus, ein Haus der Begegnung werden, verspricht BAK-Präsident Andreas Kiefer. Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, wenn das schon so anfängt, dann fehlt uns der Glaube. 2019 werden wir mehr wissen, dann nämlich soll’s fertig sein.
4. Quartal
Oktober 2017
Ab 1. Oktober gibt’s Entlassrezepte, eigentlich eine gute Sache für Patienten, die aus der Klinik kommen. Aber in der Praxis? Klinikärzte haben keine Übung im Ausstellen mit Rezepten – da gibt’s für Apotheken eine Menge an Fehler- und für Kassen viele Retaxquellen.
Schon heute ist sicher: Der Medikationsplan auf Papier und ohne Apotheker ist ein Mega-Flop. Von den Ärzten wird er selten ausgestellt und viele Patienten wissen nicht, was sie damit sollen, sie verstehen ihn nicht.
Das Urteil der Woche: Skonti vom Großhandel darf’s auch weiterhin geben, Skonti sind keine Rabatte. Und der Großhandel darf sogar seine Marge von 3,15 % überschreiten und sein Fixum von 70 Cent weitergeben. Im Prinzip ein gutes Urteil für die Apotheke, aber was sind die Folgen? Rabattkämpfe? Fällt das bei den Diskussionen um eine neue Honorarstruktur negativ in die Waagschale?
Denkwürdiges Datum: ein Jahr EuGH-Urteil und noch immer ist alles offen. Das Rx-Versandverbot scheint in weite Ferne gerückt. Sogar der ABDA hat es die Sprache verschlagen – kein Wort zu diesem Jahrestag. Aber unter den Jamaikanern ist es Gröhe, der noch tapfer fürs Rx-Versandverbot kämpft.
Im Gegensatz zum CDU-Wirtschaftsrat, der glaubt, ohne Versandhandel nicht leben zu können. Da kommt der Test von Versandapos von Stiftung Warentest gerade recht: Das Ergebnis ist eine Katastrophe für die Versender: Sieben der 18 getesteten Versender erhielt ein „mangelhaft“.
November 2017
Der Hammer im November! Wir Apothekers kriegen über eine Milliarde Euro zu viel von der GKV, soll das Honorargutachten berechnet haben. Erste Zahlen aus dem ominösen Gutachten sickern in die Öffentlichkeit und stiften Verwirrung und Verunsicherung. Umgerechnet würde jede Apotheke rund 85.000 Euro zu viel von der GKV bekommen? Muss man, kann man das ernst nehmen? Die Gerüchteküche kocht. Die ABDA hält sich vornehm aus den Gerüchten heraus. Der ABDA-Präsident widmet sich lieber dem Medikationsplan und sagt: „Er funktioniert nicht.“ Mein liebes Tagebuch, das haben wir zwar schon gewusst, aber es musste auch mal gesagt werden.
Und während sich die Politik noch lange nicht auf ein Rx-Versandverbot einigen kann, nutzen die Versender die Gunst der Stunde. DocMorris beispielsweise ballert aus allen Rohren, beschwört mit dem Slogan „Morgen macht uns digitaler“ und hippen Filmchen die digitale Zukunft.
Mitte November wabern wilde Honorarmodelle durch die Gegend. Die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Overwiening, kann sich vorstellen, 50 Cent unseres Honorars in einen Topf zu werfen, aus dem dann Apotheken, die viele pharmazeutische Dienstleistungen anbieten, belohnt werden. Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke ist darüber not amused.
Das Thema Rezepturverweigerer schwappt hoch: Immer mehr Apotheken wollen keine Rezepturen mehr machen. Mein liebes Tagebuch, wissen die eigentlich, was sie da anrichten? Die Bayerische Apothekerkammer überlegt bereits, wie sie diese Missstände abstellen kann.
Und Ende November: Die Sondierungsgespräche sind geplatzt. Was nun? Doch Groko?
Ende November legt die BILD-Zeitung nach mit der Schlagzeile: „Apotheker kassieren 1,1 Milliarden zu viel.“ Das lockt endlich auch die ABDA aus der Reserve. In einem Wut-Video nennt der Präsident das Durchstechen solcher Infos in die Medien einen „skandalösen Vorgang“. Und meint zu den kolportierten Zahlen: Wer zu dem Ergebnis kommt, die Arbeit des Apothekers sei überbezahlt, „der ist ein totaler Ignorant oder hat überhaupt keine Ahnung von der Versorgungsrealität in unseren Betrieben“. Die Arbeit von 160.000 Kolleginnen und Kollegen werde verhöhnt. Maximalen Widerstand kündigt der Präsident an.
Dezember 2017
Anfang Dezember nimmt das bekanntgewordene, aber nicht offiziell veröffentlichte Honorargutachten so richtig Fahrt auf. Das Wirtschaftsministerium verwehrt sich übrigens dagegen, die durchgesteckten Informationen kämen aus dem Ministerium. Immerhin, das Zypries-Ministerium bedauert die „Vorab-Leaks“.
Die ABDA lässt sich nicht auf eine Diskussion zu den kolportierten Zahlen ein. Nur so viel: Die ABDA will über eine Herabsenkung des Honorars nicht verhandeln und es soll auch keine interne Verteilungsdebatte zwischen kleinen armen und großen reichen Apotheken geben. Mein liebes Tagebuch, aber da gibt es doch seit 2011 eine „Arbeitsgruppe Honorar“ bei der ABDA, die sich über eine Fortentwicklung des Apothekenhonorars Gedanken machen soll. Was ist da eigentlich herausgekommen? Aus der AG ist wenig bis nichts nach außen gedrungen. Vom Präsidenten gibt’s nur ein paar dünne Sätze zur weiteren Richtung: Das Fixhonorar soll eine Säule des Honorars bleiben, daneben soll eine weitere Vergütungssäule gebaut werden, sprich Geld von den Kassen für individuelle Dienstleistungen wie beispielsweise Chronikerberatung oder Medikationsanalyse. Diese zweite Säule soll nach und nach in einem „evolutionärem Prozess“ entstehen. Neu klingt das nicht. Ob das die Politiker überzeugen kann? Gemunkelt wird, die ABDA habe sogar noch ein eigenes Gutachten in der Schublade, das allerdings erst herausgeholt werden soll, wenn wir eine neue Regierung haben.
Dann
kurz vor Weihnachten der Donnerschlag, unerwartet und unangekündigt: Das
Bundeswirtschaftsministerium veröffentlicht das berüchtigte Gutachten zum
Apothekerhonorar, im Auftrag erstellt von der 2hm-Agentur für schlappe 450.000
Euro. Eine zentrale Aussage in diesem Papier: Das Fixhonorar des Apothekers
muss auf 5,84 Euro abgesenkt werden. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass
das Honorar einer Apotheke um durchschnittlich 40.000 Euro gesenkt werden
sollte. Aberwitzig! Und wie zu erwarten halten die Gutachter von einem Rx-Versandverbot
rein gar nichts. Und dann noch ein weiteres Detail aus dem Gutachten:
„Relevante“ Apotheken sollen identifiziert und durch einen Strukturfonds (100
Mio. Euro) unterstützt werden. Wie das gehen soll, wie man diese Apotheken
identifiziert und aussortiert, bleibt genauso offen wie weitere Überlegungen zu
den Folgen.
Erstaunlich bis unfassbar: Von der ABDA kommt bis Ende des Jahrs keine Reaktion
zu den Inhalten des Gutachtens. Nimmt man das einfach so hin? Kein Aufschrei,
kein Protest, nichts. Nicht einmal eine erste Einschätzung. Dabei ist bereits
nach einer ersten Durchsicht klar: Würde das Gutachten wirklich umgesetzt,
wirft das unser Apothekenwesen über den Haufen. Wer sich diesem Zahlenwerk
anschließt, will ein anderes Apothekensystem in Deutschland, das nichts mehr mit
dem heutigen System zu tun hat. Mein liebes Tagebuch, wenn die Politik glaubt,
dass unsere hochwertige Arzneiversorgung (die weniger kostet, als für die
Mehrwertsteuer auf Arzneimittel ausgegeben wird) zu teuer ist, dann wird sie
das ändern. Aber dann wird alles anders. Aber sicher nicht besser.
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde meines lieben Tagebuchs, herzlichen Dank für die sonntägliche Begleitung durchs letzte Jahr, fürs Lesen, fürs Kommentieren, fürs Mitdiskutieren. Fünf Jahre lang gibt es bereits das liebe Tagebuch, mit dem ich versuche, das Wichtigste aus der Berufs- und Gesundheitspolitik für uns Apothekers kommentierend und einschätzend zusammenzufassen, niedergeschrieben mit spitzer Feder, gewürzt mit Kritik und einer Prise Satire, damit auch teils schwere Kost leicht verdaulich bleibt. Wenn Sie mein liebes Tagebuch und mich auch 2018 jeden Sonntag wieder begleiten, freue ich mich! Jetzt bleibt mir nur noch eins: die Hoffnung auf ein gutes und erfolgreiches neues Jahr! Das wünsche ich Ihnen von Herzen!
8 Kommentare
Nadelkissen gesucht
von Bernd Jas am 01.01.2018 um 12:52 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Nadelkissen gesucht
von Peter Ditzel am 01.01.2018 um 17:27 Uhr
Hoffnung
von Reinhard Rodiger am 01.01.2018 um 12:06 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Neujahrswunsch
von Frank ebert am 31.12.2017 um 14:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Neujahrswunsch
von AlFreD am 02.01.2018 um 18:13 Uhr
Vom Komma zum Koma ...
von Christian Timme am 31.12.2017 um 11:58 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Alles Gute für 2018
von Thesing-Bleck am 31.12.2017 um 11:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das ist der Punkt:
von Karl Friedrich Müller am 31.12.2017 um 9:50 Uhr
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