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Bürgerversicherung
Ärzte drohen mit Widerstand und Praxisschließungen
Die Zweigliedrigkeit des Krankenversicherungssystems könnte zum gesundheitspolitischen Top-Thema dieser Legislaturperiode werden. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob sich die SPD mit ihrem Wunsch nach einer Bürgerversicherung in einer möglichen Großen Koalition durchsetzt. Die Ärzteschaft macht schon jetzt klar: Sollte die GKV/PKV-Trennung samt unterschiedlicher Gebührenordnungen aufgeweicht werden, gibt es heftige Proteste. Das geht aus Positionspapieren zweier Verbände vor, die DAZ.online vorliegen.
Schon vor den inzwischen begonnenen Sondierungsgesprächen hatte die SPD das Krankenversicherungssystem zu einem ihrer wichtigsten Forderungen erklärt. Die Sozialdemokraten beschweren sich über eine „Zweiklassenmedizin“ und würden gerne eine einheitliche Krankenversicherung schaffen, eine Bürgerversicherung. Auch die unterschiedlichen Gebührenordnungen der niedergelassenen Ärzte für GKV- und PKV-Versicherte sollen nach dem Wunsch der SPD nicht mehr so bestehen bleiben. Einige Unionspolitiker hatten in den vergangenen Wochen sogar ein Entgegenkommen signalisiert und etwa auf das Hamburger Modell verwiesen, bei dem Beamten der Umstieg in die GKV staatlich erleichtert wird.
Mehrere Ärzteverbände laufen jetzt Sturm gegen die Forderungen der SPD. Ganz vorne mit dabei sind der NAV-Virchowbund, der eigenen Angaben zufolge etwa 12.000 Mitglieder hat, sowie der Spitzenverband der Fachärzte – ein Zusammenschluss mehrerer fachärztlicher Verbände. Der NAV-Virchowbund hat für seine Mitglieder ein Informationspapier zu dem Thema erstellt, was Ärzte nutzen können, um sich in Gesprächen mit Patienten auf das Thema vorzubereiten. Beide Verbände haben das Schreiben jetzt an alle ihre Mitglieder versendet.
Im Anschreiben an die Mediziner heißt es: „Das Informationspapier ‚Warum eine Bürgerversicherung zu einer echten Zweiklassenmedizin führt – Mythen und Legenden, politische Lügen und Wahrheiten‘ setzt sich mit den Argumenten der Befürworter auseinander und entzaubert die politischen Wunschvorstellungen, Fehlannahmen und Unwahrheiten.“ Die Ärzteverbände kritisieren darin nicht nur die Maximalforderung der SPD, sondern auch schon erste Schritte in diese Richtung. Mit Begriffen wie „Beitrags- Parität“ und „Wahlfreiheit für Beamte“ werde vernebelt, „dass knallharte Tatsachen in Richtung einer unumkehrbaren Einheitskasse geschaffen werden sollen“.
Ärzte sollen „parat und gegebenenfalls widerstandsbereit“ sein
Diese Argumente führen die Ärzteverbände gegen die Bürgerversicherung ins Feld:
- Aus Sicht der Mediziner gibt es keine „Zweiklassenmedizin“. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Die Behauptung einer Zweiklassenmedizin ist eine Diffamierung des jetzigen Systems und eine Beleidigung aller im System tätigen Ärzte. Jeder Arzt sorgt dafür, dass Patienten, die dringend Facharzttermine benötigen, diese auch erhalten.“
- Die Verbände verweisen auf die historischen Hintergründe der GKV-/PKV-Trennung und schreiben: „Die Einführung der Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung wurde eingeführt, weil es gesellschaftlicher Konsens war, dass gut verdienende Bürger für sich selber zu sorgen hätten und keinen Anspruch auf die Solidarität von Beziehern mittlerer und geringer Einkommen verdienten. Dieser Personenkreis wurde damit zum Selbstzahler. (…) Es ist also nicht so, dass sich heute Privatversicherte der Solidarität entzögen, sondern es wurde ihnen die Solidarität verweigert. Dies jetzt argumentativ umzudrehen ist unseriös. Mit einer Bürgerversicherung zahlt die Sekretärin künftig mit ihren Beiträgen die Herzoperation ihres Vorstandsvorsitzenden.
- Behauptungen, nach denen der Beitragssatz in einer Bürgerversicherung für alle Versicherten insgesamt sinken würde, weisen die Mediziner zurück. „Bei rund 80 Prozent der Privatversicherten liegt das Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze und sie leisten dadurch keine nennenswerten Beiträge in die Bürgerversicherung. Folglich: Bürgerversicherung bedeutet Beitragssteigerungen!“
- Aus Sicht der Ärzteverbände würde mit einer Bürgerversicherung jeglicher Wettbewerb im Krankenversicherungsmarkt erstickt. „Das einzig bislang bestehende Wettbewerbsinstrument für eine innovative Versorgung, nämlich die teilweise Möglichkeit des Wechsels in den Status eines Selbstzahlers, der sich privat versichert hat, ist komplett abgeschafft. Ein Wettbewerb um Leistungen findet dann nicht mehr statt. Es bildet sich ein Oligopol ausschließlich von Gesetzlichen Krankenkassen. (…) Auch wenn es noch verschiedene Versicherungsunternehmen gibt, so ist bei dem fehlenden Wettbewerb eine Einheitskasse, eine Einheitsversicherung, faktisch gegeben.“
- Die ärztliche Gebührenordnung (GOÄ) verteidigen die Verbände mit den folgenden Worten: „Im Übrigen ist die ärztliche Gebührenordnung ein Eckpfeiler der Freiberuflichkeit im Sinne des freien Berufes, wie es für Rechtsanwälte oder Architekten selbstverständlich ist. Die Ärzteschaft hat einen Anspruch auf eine eigenständige ärztliche Gebührenordnung, die ihre Leistungsfähigkeit und ihre gesellschaftliche Verantwortung widerspiegelt.“
Die Verbände wünschen sich, dass die Mediziner vor Ort diese Informationen ihren Patienten „in leicht verständlicher Weise vermitteln“. Doch mit reiner Information gibt sich zumindest der SpiFa nicht zufrieden. In dem Anschreiben an die Ärzte heißt es: „Neben Information und Aufklärung soll mit dem Informationspapier aber auch deutlich werden, dass derzeit in der Gesundheitspolitik gravierende Veränderungen für die ärztliche Berufsausübung vorbereitet werden.“ Die Ärzte müssten daher „parat und gegebenenfalls widerstandsbereit“ sein. Der Verband sieht eine „harte Auseinandersetzung“ auf sich zukommen. Und weiter: „Dies kann auch die zeitweise Schließung von Praxen bedeuten. Dies werden wir koordiniert in der Allianz der Berufsverbände, der sowohl der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands als auch der NAV Virchow Bund angehören, vorbereiten.“
4 Kommentare
Nur nichts „übereilen“ ... Apotheker denken ja „langfristig“ ...
von Christian Timme am 08.01.2018 um 23:42 Uhr
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Bürgerversicherung
von Uwe Hüsgen am 08.01.2018 um 20:49 Uhr
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Richtig
von Peter Lahr am 08.01.2018 um 13:30 Uhr
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AW: Falsch un kurzsichtig
von Wolfgang Müller am 08.01.2018 um 17:52 Uhr
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