Pharmacon Schladming

Warum Depot-Antipsychotika oft die bessere Wahl sind

Schladming - 16.01.2018, 13:15 Uhr

Professor Martina Hahn vom Vitos Klinikum Rheingau hält Depot-Präparate für die bessere Wahl. ( Foto: jb / DAZ.online)

Professor Martina Hahn vom Vitos Klinikum Rheingau hält Depot-Präparate für die bessere Wahl. ( Foto: jb / DAZ.online)


Mehr als die Hälfte der ambulanten Schizophrenie-Patienten ist nicht adhärent. Insbesondere plötzliches Absetzen kann gravierende Folgen haben. Depot-Antipsychotika können das Problem lösen. Doch nicht nur aus diesem Grund favorisiert Professor Martina Hahn vom Vitos Klinikum Rheingau die langwirksamen Varianten. Warum sie sie noch für die bessere Wahl hält, hat sie auf dem Pharmacon in Schladming erklärt.

Etwa 50 Prozent der Schizophrenie-Patienten nehmen mindestens 30 Prozent ihrer verordneten Arzneimittel nicht ein. 50 bis 60 Prozent der ambulanten Patienten sind nicht adhärent und 90 Prozent sind zumindest teilweise nicht adhärent. Diese erschreckenden Zahlen präsentierte Professor Martina Hahn, die als Apothekerin am Vitos Klinikum Rheingau, einer psychiatrischen Einrichtung arbeitet, zu Beginn ihres Pharmacon-Vortrags.

Warum das so ist? Zum einen werde oft wegen Nebenwirkungen abgesetzt, zum anderen – und das erklärt die große der Zahl der partiell Non-Adhärenten – seien die Einnahmeregime oft komplex. So verteile sich beispielsweise die Clozapin-Einnahme auf vier Zeitpunkte. „Wann haben sie das letzte Mal versucht, ein Arzneimittel dreimal täglich zu nehmen“, fragt sie das Auditorium, um das Problem zu verdeutlichen.

Erschwerend komme hinzu, dass Schizophrenie-Patienten sehr oft kognitiv beeinträchtigt seien und keinen strukturierten Tagesablauf haben – viele von ihnen seien nämlich nicht mehr in der Lage, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bestehen. Plötzliches Absetzten der Medikation habe fatale Folgen. „Das ist wie, wenn sie bei Vollgas die Handbremse lösen“, erklärt Hahn. Es komme zu einem Rebound mit Psychosen, Manie, Agitation oder Entzugsdyskinesien. Ein ganz typisches Symptom sei auch Speichelfluss – einer überschießende Reaktion, weil die Blockade der H1-Rezeptoren plötzlich wegfällt. 

Wie kann man die Adhärenz fördern?

Doch was kann man tun, um die Adhärenz zu fördern? Ein häufiger Absetzgrund ist laut Hahn, dass Patienten „nichts mehr fühlten“. Hier könne ein Substanzwechsel auf eine neuere Substanz hilfreich sein. Während nämlich beispielsweise Haloperidol als Dopaminantagonist „stummschalte“, modulierten Drittgenerations-Antipsychotika wie Aripiprazol hingegen lediglich. Grundsätzlich favorisiere sie aber Depot-Antipsychotika. Hier seien ältere und neuere Substanzen verfügbar (siehe Kasten), wobei die neueren Substanzen gemäß der aktuellen Leitlinie zu bevorzugen seien – wegen des günstigeren Nebenwirkungsprofils. Es gibt aber noch einen weiteren Grund der nach Ansicht von Martina Hahn für die Atypika spricht: die Grundlage. Während die alten Präparate ölige Grundlagen haben und daher bei der intramuskulären Injektion extrem schmerzhaft sind, enthalten die neueren wässrige Lösungen. Für den Patienten sei das angenehmer, so Hahn. 

Depot-Antipsychotika

Auf Planzenölbasis:

  • Flupenthixol: Dosierungsintervall zwei bis vier Wochen
  • Fluphenazin:  zwei bis fünf Wochen
  • Haloperidol: vier Wochen
  • Zuclopenthixol: zwei bis vier Wochen

Auf wässriger Basis:

  • Paliperidon: vier Wochen und drei Monate
  • Olanzapin: zwei bis vier Wochen
  • Risperidon: zwei Wochen
  • Aripiprazol: vier Wochen

Und auch für adhärente Patienten hält die Apothekerin die Depot-Präparate für die bessere Wahl. Sie scheinen nämlich Rezidive besser zu verhindern als die orale Medikation. So ergab beispielsweise eine Metaanalyse aus dem Jahr 2011, dass unter langwirksamen Antipsychotika im Vergleich zur oralen Gabe – und zwar bei guter Adhärenz unter Studienbedingungen – 30 Prozent weniger Rückfälle auftraten. Und auch in einer anderen Untersuchung war Depot-Risperidon oralem Quetiapin diesbezüglich überlegen.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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