Apotheker, Ärzte und Zahnärzte

Erst der Heilberuf, dann die Digitalisierung

Berlin - 17.01.2018, 16:20 Uhr

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, KBV-Chef Dr.
Andreas Gassen und KZBV-Chef Dr. Wolfgang Eßer (v.l., Foto: Violetta Odenthal)

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, KBV-Chef Dr. Andreas Gassen und KZBV-Chef Dr. Wolfgang Eßer (v.l., Foto: Violetta Odenthal)


Der Begriff „Digitalisierung“ wird insbesondere im Apothekenmarkt immer häufiger als politisches Schlagwort benutzt. In einer gemeinsamen Grundsatzerklärung wiederholt die ABDA gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung jetzt, was die Digitalisierung  im Gesundheitswesen für sie bedeutet. Dabei wird deutlich: Für die Heilberufler darf nichts zum Selbstzweck digitalisiert werden.

Obwohl viele Arbeitsprozesse in der Apotheke heutzutage schon komplett digitalisiert ablaufen, müssen sich die Vor-Ort-Apotheker insbesondere von ihren politischen Kontrahenten vorwerfen lassen, sie würden der Entwicklung hinterherlaufen. Erst kürzlich erklärte DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller eindrücklich, wie das Thema Digitalisierung aus Sicht der Versandhändler angegangen werden müsste: „Die Digitalisierung ist in der Gesellschaft angekommen, wir im Gesundheitswesen müssen diese Herausforderung annehmen und Versorgungsmodelle entwickeln.“ Die Debatte dazu sei hierzulande aber oftmals angstgetrieben, statt fortschrittgetrieben. Und weiter: „Es geht uns nicht um den Streit ‚Alt gegen Neu’ oder ‚Vor-Ort-Apotheke gegen Versandapotheke‘. Wir müssen alle an dieser Entwicklung partizipieren, sie wird sich nicht mehr aufhalten lassen. Wir bei DocMorris wollen die Welt jedenfalls jeden Tag ein Stückchen besser machen.“

Für die ABDA wird es also allerhöchste Zeit, das Thema politisch zu besetzen und der Öffentlichkeit zu zeigen, wo die Reise aus Sicht der Standesvertretung in der Digitalisierung hingehen sollte. Und auch im Ärztelager bewegt sich derzeit so einiges in diesem Bereich: Die Landesärztekammer Baden-Württemberg hatte als erste Kammer das strikte Fernbehandlungsverbot zumindest teilweise geöffnet, bald startet in der Region das erste Unternehmen mit Video-Behandlungen. Experten gehen davon aus, dass die Bundesärztekammer (BÄK) nachzieht und schon im Frühling Fernbehandlungen ermöglicht.

ABDA, KBV und KZBV unterschreiben Letter Of Intent

Um ihre eigenen Positionen bei diesem Thema klarzustellen, hatten sich die Apotheker schon im Herbst 2017 mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zusammengetan und einen solchen Letter of Intent veröffentlicht. Nun hat sich auch die Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) an diese Erklärung angeschlossen.

In dem Papier stellen die Heilberufler gleich im ersten Abschnitt klar, dass sie einen ganz anderen Blick auf digitale Prozesse haben als ihre Herausforderer. Eine nicht hinterfragte Digitalisierung nur zum Selbstzweck kommt für die Heilberufler nicht in Frage. In dem Papier heißt es: „KBV, ABDA und KZBV sehen in den Anwendungen der Digitalisierung Instrumente zur Unterstützung der heilberuflichen Tätigkeit. Sie haben dienenden Charakter und ersetzen keine Entscheidungen von Ärzten oder Apothekern; sie erweitern vielmehr deren Handlungsspektrum zum Wohle des Patienten.“

Trotzdem deuten die drei Verbände zumindest an, dass neue, digitale Prozesse zumindest dabei helfen könnten, entstehende Versorgungslücken wieder zu stopfen. Die Rede ist von einer „heilberuflichen Bedarfs-Angebots-Schere“, die sich in der Zukunft ergibt und die digital unterstützte „arbeitsteilige“ Therapieprozesse erforderlich mache. Konkrete Beispiele dafür, inwiefern digitale Lösungen die Versorgung unterstützen könnten, liefern die Standesvertreter aber nicht mit.

Telematikinfrastruktur und e-Patientenakte

Viel Kritik mussten die Standesvertretungen von Ärzten und Apothekern für ihre Arbeit in der gematik einstecken, wo seit Jahren die Telematikinfrastruktur (TI) und die elektronische Gesundheitskarte geplant werden. Als Mitgesellschafter der gematik erklären ABDA, KBV und KZBV, dass ein „grundsätzliches Bekenntnis“ zur TI bestehe, neue Technologien müssten aber in die Weiterentwicklung der TI einfließen. Neben der TI müssten aber weitere sektorale Anwendungen möglich sein. Wichtig sei, dass diese Sonderlösungen kompatibel mit der TI seien.

Beim Thema Datenschutz sehen die drei Standesvertretungen Nachholbedarf. So müssten Regelungen zum Datenschutz weiterentwickelt werden, „um den Versorgungsalltag rechtssicher und am Therapieerfolg orientiert zu gestalten“. Welche konkreten Änderungen sich die Organisationen vorstellen, geht aus dem sehr allgemein gehaltenen Papier nicht hervor. Es heißt lediglich: „Dabei soll auf eine angemessene Dimensionierung bei gleichzeitiger Harmonisierung an die EU-DSGVO hingewirkt werden.“

Etwas konkreter sind die Vorstellungen zum Thema elektronische Patientenakte (ePA). ABDA, KBV und KZBV fordern bundesweit einheitliche Standards und Schnittstellen bei der e-Patientenakte. Im Oktober hatte der AOK-Bundesverband Schlagzeilen gemacht, weil er angekündigt hatte, für das AOK-System eine eigene Patientenakte aufzubauen. Persönliche e-Gesundheitsakten können aus Sicht der Apotheker und Ärzte eine „sinnvolle Ergänzung“ sein. Zu den eigenen Projekten der Krankenkassen teilen die Standesvertretungen mit: „ABDA und KZBV werden die Entwicklungen der Krankenkassen und ihrer Dienstleister gemeinsam verfolgen, bewerten und, wo sinnvoll, unterstützen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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