Immunantwort auf Bakterien

Wie das Immunsystem unerwünschte Eindringlinge erkennt

Remagen - 18.01.2018, 11:20 Uhr

Kolonien von Staphylococcus aureus. (Foto: Picture Alliance)

Kolonien von Staphylococcus aureus. (Foto: Picture Alliance)


Zu der Bakteriengattung der Staphylokokken gehören Vertreter, die die Haut und Schleimhaut des Menschen zu wechselseitigem Nutzen als friedliche Mitbewohner besiedeln, aber auch solche, die dort normalerweise nicht vorkommen. Beim Kontakt mit Bakterien wird das angeborene Immunsystems aktiviert, um eine mögliche Infektion abzuwehren. Wie aber unterscheidet das Immunsystem zwischen potenziellen Krankheitserregern und friedlichen Mitbewohnern?

Dieser Frage ist eine Forschergruppe unter der Leitung von Friedrich Götz vom Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin der Universität Tübingen auf den Grund gegangen. Ihre Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Bakterielle Gemeinschaften auf der Haut

Unsere Haut ist das Organ, das am meisten der Umwelt ausgesetzt ist, erläutern die Autoren der Studie in der Diskussion ihrer Studienresultate. Sie beherbergt unterschiedlichste bakterielle Gemeinschaften, die zu vier großen Stämmen gehören: Aktinobakterien, Bakteroideten, Firmikuten und den Proteobakterien. Unter den Firmikuten nehmen die Staphylokokken eine Sonderstellung ein, da viele Arten Kommensale, das heißt „friedliche Mitbewohner“, der Haut von Mensch und Tier sind. Jeder der verschiedenen Bereiche in unserer Haut, das heißt die feuchten, Talg- oder trockenen Bereiche sind Nischen für verschiedene Staphylokokken-Arten. Wirtsfaktoren, die immunologische Prägung und Gewohnheiten beeinflussen die Zusammensetzung dieser mikrobiellen Gemeinschaften. Umgekehrt haben die Mikroben auf der Haut einen starken Einfluss auf die Funktionen der menschlichen Immunität.

Friedliche und feindliche Staphylokokken

In ihrer Studie wollten die Wissenschaftler den gegenseitigen Einfluss zwischen der Bakterienflora und der Immunantwort des Wirts zu untersuchen. Hierfür nutzten sie Vertreter von drei verschiedenen Staphylokokken-Arten: S. Aureus, S. Epidermidis und S. Carnosus.

Staphylococcus epidermidis ist das häufigste klinische Isolat der Bakterienflora der Haut. Früher galt es als ein harmloser Kommensale, wurde aber aufgrund seiner Fähigkeit, Biofilme auszubilden, immer häufiger zur Ursache Fremdkörper-assoziierter chronischer Infektionen. S. Aureus ist ebenfalls ein Haut-Kommensale. Seine wichtige Nische sind die vorderen Nasenlöcher, von wo es bei mehr als einem Drittel der Bevölkerung isoliert werden kann. Im Gegensatz zu Staphylococcus epidermidis kann es ein ganzes Arsenal von Giftstoffen produzieren, die akute und manchmal fulminante Infektionen befördern können. Trotz dieser Batterie von Toxinen ist S. Aureus auf der gesunden menschlichen Haut als „friedlicher“ Kommensale ohne Erreger-Eigenschaften zu finden. Im Vergleich mit Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis hat Staphylococcus carnosus das geringste pathogene Potential. Es ist auch kein Kommensale der menschlichen Haut. Sein ursprünglicher Lebensraum ist bislang nicht bekannt. Es wird spekuliert, dass es von Meeresfischen stammen könnte. Nach Angaben der Studienautoren wird diese Art häufig bei der Produktion von Wurst und Fleischprodukten eingesetzt.

Fast zehnfache Steigerung der Immunantwort

Im Rahmen der Immunabwehr erkennt das menschliche Immunsystem über einen bestimmten Rezeptor die Lipoproteine der Staphylokokken, die nur in Mikroorganismen vorkommen, nicht aber im menschlichen Wirt. Auf diese fremden Eindringlinge kann es entsprechend reagieren.

„Wir fanden heraus, dass die Antwort des Immunsystems bei Staphylococcus aureus viel niedriger ausfiel als bei Staphylococcus carnosus“, berichtet Studienleiter Götz. Als hauptsächlichen Grund dafür identifizierte sein Team Unterschiede in der Struktur des Lipidanteils der Lipoproteine. Konkret entscheidet offenbar die Länge der Fettsäure am Molekül der Lipoproteine über die Stärke der Immunantwort. Bei S. aureus war das Protein durch die langkettige Heptadecanoylfettsäure modifiziert, während S. carnosus an der entsprechenden Stelle nur eine kurze Acetylgruppe trug. „Der Strukturunterschied ist vergleichsweise gering“, erläutert der Mikrobiologe, „aber er hat einen enormen Einfluss auf die Immunantwort. Die Lipoproteine mit der langen Kette von Staphylococcus aureus lösten eine deutliche Verringerung der Immunantwort aus, während die kurzkettigen Lipoproteine von Staphylococcus carnosus eine fast zehnfache Steigerung bewirkten. Dies betraf sowohl das angeborene als auch das erworbene Immunsystem. Der Mechanismus, dem Immunsystem über den Einbau langkettiger Fettsäuren in den Lipidanker der Lipoproteine zu entgehen, wie sein Forschungsteam dies bei der kommensalen Art S. aureus entdeckt habe, sei bislang nicht bekannt gewesen, resümiert Götz.

Das Rätsel, warum es keine wirklich schützende Immunantwort gegen diejenigen Formen von Staphylococcus aureus gibt, die teilweise lebensgefährliche Entzündungen verursachen könnten, bleibe damit aber nach wie vor offen, fährt der Wissenschaftler fort. Im nächsten Schritt will er nun untersuchen, welche Enzyme und Gene in den Einbau der Fettsäuren an den Lipoproteinen von S. aureus involviert sind.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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