Schiedsspruch

Das sind die Änderungen in der Hilfstaxe

Berlin - 25.01.2018, 16:30 Uhr

Die jüngst beschlossenen Änderungen an der Hilfstaxe gelten rückwirkend. Stichtag ist der 1. November 2017. (Foto: Hermsdorff / stock.adobe.com)

Die jüngst beschlossenen Änderungen an der Hilfstaxe gelten rückwirkend. Stichtag ist der 1. November 2017. (Foto: Hermsdorff / stock.adobe.com)


Der Deutsche Apothekerverband ist mit dem Schiedsspruch zur Hilfstaxe bekanntlich gar nicht zufrieden. Festzuschläge wird es auch künftig nicht geben. Zudem sind die gegenüber den Kassen zu leistenden Abschläge für generische Wirkstoffe, die Apotheken für die Zyto-Zubereitungen verwenden, massiv gestiegen. Und auch auf bestimmte patentgeschützte Arzneimittel sind nun Abschläge zu leisten. Es gibt nun allerdings ein wirkstoffbezogenes Sonderkündigungsrecht und besondere Regelungen für den Fall, dass Rabattverträge bestehen.

Bis zum 31. August 2017 sollten GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband (DAV) die in der Anlage 3 der Hilfstaxe („Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen“) vereinbarten Preise für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie neu bestimmen. Weil die Vertragspartner sich nicht einigen konnten, kam die Schiedsstelle unter ihrem Vorsitzende Dr. Rainer Hess zum Zug. Am 19. Januar fand ihre letzte Sitzung statt. Nach erfolglosen Versuchen, GKV-Spitzenverband und DAV zu einer gemeinsamen Lösung zu führen, mussten die Unparteiischen ihren Beschluss letztlich ohne Zustimmung der Apotheker fällen.

Am vergangenen Montag erklärte der DAV bereits, dass er den Beschluss, der auch vom GKV-Spitzenverband mitgetragen wird, ablehnt. Nicht zuletzt missfällt ihm, dass er sich mit seiner Forderung nicht durchsetzen konnte, eine neue Struktur in die Preise zu bekommen. Er wollte auch einen Fix- und einen Zuschlag für parenterale Zubereitungen – so wie schon bei Fertigarzneimitteln und Rezepturen. Zudem wollte er den Arbeitspreis anheben. Wie aus dem DAZ.online vorliegenden Schiedsspruch hervorgeht, zunächst auf 108,75 Euro, dann auf 112,70 Euro. DAV-Chef Becker: „Wir wollten eine Vergütungsvereinbarung, die die Arbeitsleistung der Apotheken anerkennt und von der alten Praxis wegführt, dass Apotheken ihre Wirtschaftlichkeit über Einkaufskonditionen sichern müssen. Leider ziehen die Kassen hier nicht mit."

Generika: 50 Prozent Abschlag – und Ausnahmen

Nach dem Schiedsspruch gelten – und zwar rückwirkend ab dem 1. November 2017 – neue Abschläge. Der Abrechnungspreis für den Wirkstoff ist demnach bei nicht patentgeschützten Wirkstoffen im Grundsatz der zweitgünstigste Apothekeneinkaufspreis – abzüglich eines Abschlags von 50 Prozent. Zuvor waren es 30 Prozent. Für Pacitaxel- und Docetaxel-haltige Lösungen galt zuvor schon ein Abschlag von 46 Prozent. Nach dem Schiedsspruch sind es elf generische Wirkstoffe, für die eine Ausnahme gilt. Hier liegen die Abschläge zwischen 59,4 Prozent (Vinorelbin) und 83,7 Prozent (Epirubicin und Doxorubicin) auf den zweitgünstigsten Apothekeneinkaufspreis.

Ferner gibt es nun auch Abschläge für bestimmte patentgeschützte Wirkstoffe und Fertigarzneimittel ohne Konkurrenz sowie für bestimmte Biosimilars, Bioidenticals und deren Referenzarzneimittel. Grundsätzlich ist dies ein Abschlag von 1,6 Prozent auf den günstigsten Apothekeneinkaufspreis. Abweichend davon sind sechs Abschlagsgruppen mit Wirkstoffen (A bis F) gelistet, die Abschläge zwischen 0,05 Prozent und 7,5 Prozent vorsehen.

Wirkstoffbezogenes Kündigungsrecht

Zudem gibt es nun neben dem bereits zuvor bestehenden Kündigungsrecht ein neues außerordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund für einen einzelnen Wirkstoff oder eine einzelne Wirkstoffgruppe. Ein wichtiger Grund liegt dem Beschluss nach vor, wenn durch Belege der pharmazeutischen Unternehmen glaubhaft gemacht werden kann, dass sich für den betreffenden Wirkstoff oder die betreffende Wirkstoffgruppe die Einnahmemöglichkeit für die Apotheken bei wirtschaftlicher Bezugsmenge gegenüber dem in der Hilfstaxe ausgewiesenen Durchschnittspreis um mehr als 10 Prozent verändert hat.

Auch dem GKV-Spitzenverband steht ein Kündigungsrecht zu, wenn er glaubhaft machen kann, dass sich durch Preisveränderungen oder neue Preiserhebungen gegenüber diesem Durchschnittspreis Veränderungen um mehr als 10 Prozent ergeben oder wenn patentgeschützte Arzneimittel gegnerikafähig werden. Im Falle der Kündigung haben die Vertragspartner innerhalb von zwei Monaten eine neue Vereinbarung zu treffen. Anderenfalls entscheidet die Schiedsstelle binnen eines Monats ab Antragstellung. Die neue Vereinbarung gilt sodann einen Monat über den Zugang der außerordentlichen Kündigung hinaus zurück.

Sonderregelungen bei bestehenden Rabattverträgen

In einer neu in die Anlage 3 Teil 2 der Hilfstaxe eingefügten Ziffer 3b finden sich überdies Sonderreglungen zu Wirkstoffen, für die Rabattverträge nach § 130a Abs. 9a SGB V bestehen. Danach gelten die festgesetzten Abschläge zwar grundsätzlich auch für Wirkstoffe unter Rabattvertrag – jedoch nur, soweit ein Rabattvertragspartner den Wirkstoff zum festgesetzten Abrechnungspreis nach der Hilfstaxe an die Apotheke abgibt. Gibt keiner der Rabattvertragspartner den Wirkstoff zum Abrechnungspreis nach der Hilfstaxe an die Apotheke ab, gilt als Abrechnungspreis der günstigste Apothekeneinkaufspreis ohne Berücksichtigung eines Abschlags.

Für den Fall der Nichtlieferbarkeit des rabattbegünstigten Arzneimittels zum Zeitpunkt der Vorlage der Verordnung gelten die Vorgaben des Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorung entsprechend (§ 4 Abs. 2 Sätze 2, 3 und 5). Die Vertragspartner werden dazu ein neues Sonderkennzeichen vereinbaren.

Laut DAV bedarf der derzeit vorliegende Beschlusstext allerdings noch einiger redaktioneller Korrekturen. Der DAV habe eine Berichtigung beantragt.

Schwierige Verhandlungen

Aus der Beschlussbegründung geht hervor, dass die Verhandlungen offensichtlich nicht einfach waren. Gerade in der letzten Sitzung am 19. Januar gab es noch viel zu diskutieren, zumal der DAV kurzfristig am Tag zuvor noch weitere Änderungen zur Beschlussvorlage der Unparteischen eingebracht hatte – wobei er die Beschlussvorlage zugleich insgesamt ablehnte. Zudem legte er zu diesem Zeitpunkt noch ein Gutachten vor, von dem es zuvor nur eine Entwurfsfassung gegeben hatte. Doch das war für die Schiedsstelle zu spät. Letztlich war die Schiedsstelle „mangels einer alternativen Datengrundlage“ auf die vom GKV-Spitzenverband eingebrachten Erhebungen und Berechnungen angewiesen. Der DAV habe zwar einige diese Berechnungen bezweifelt, der GKV-Spitzenverband habe hierauf aber jeweils schlüssig erwidern können, heißt es im Beschluss.   



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Verhandlungstaktik

von Holger am 26.01.2018 um 9:33 Uhr

Das ist doof, da gebe ich Ihnen recht. Aber einerseits gibt es in Deutschland zwei Rechtsgebiete, in denen solch rückwirkende Festlegungen nicht nur zulässig, sondern üblich sind - das Steuerrecht und das Sozialrecht. Und hier sind wir halt im Bereich des Sozialrechts.
Andererseits empfinde ich eine solch deutlich einseitige Entscheidung einer zur Neutralität verpflichteten Schiedsstelle als eindeutiges Signal für eine insuffiziente Verhandlungsführung seitens des DAV. Verbindlich beurteilen kann ich das natürlich nicht, weil ich nicht mit am Tisch saß. Aber schon die vor Beginn der Schlichtung getätigten Einlassungen, man werde gegen den Schlichterspruch sowieso klagen, lassen mich vermuten, dass der DAV während der gesamten Schlichtung Andrej Gromyko gespielt und nichts anderes als "njet" gesagt hat. Und dann darf man sich halt nicht wundern, wenn der Schlichter ein Zeichen setzt ...

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rückwirkend = Abzocke !

von Alfons Neumann am 26.01.2018 um 3:28 Uhr

In Deutschland gibt es lt. GG eigentlich den Grundsatz von Treu und Glauben - was seinerzeit mal Gesetz war, besteht auch als Gesetz fort. Nun, das ist ja nicht erst seit AMNOG abgeschafft ... Aber hier werden Apotheken eindeutig im Nachhinein abgezogen !!
Der Patient/Verbraucher/Konsument jammert ja sowieso heutzutage wegen jedem Kleinkrams von wegen Abzocke, doch er sollte sich mal ernsthaft die Frage stellen, ob DIE Krankenkassen nicht noch mehr einsacken/betuppen - DIE machen nun mal die Rabattverträge !!
Letztendlich muß er in Konsequenz eine entsprechend notwendige Rückführung der Lieferfähigkeit erdulden oder eben die Mehrkosten selbst berappen - und zwar zu Marktpreisen !

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