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Bundesgesundheitsministerium
Cannabis: Nutzen und Risiken
Das Bundesministerium für Gesundheit hat eine Auswertung von über 2000 wissenschaftlichen Publikationen zu Cannabis veröffentlicht. Die Autoren beleuchten darin sowohl die Risiken des Marihuana-Freizeitgebrauchs als auch das klinische Potenzial von Cannabis als Medikament. Nach diesem Review sind die antiemetischen und analgetischen Wirkungen von Medizinal-Hanf am besten belegt.
Über 2000 wissenschaftliche Cannabis-Publikationen haben Experten unter Projektleitung der Ludwig Maximilian Universität München im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums ausgewertet. Die Ergebnisse wurde bereits im vergangenen November vom BMG veröffentlicht: Der Review „Cannabis: Potenzial und Risiken. Eine wissenschaftliche Analyse“ (CaPRis) gliedert sich in zwei Teile: Im ersten Teil stehen die Risiken der Freizeitanwendung von Marihuana im Vordergrund. Der zweite Teil widmet sich der Evidenz zu den verschiedenen Anwendungsgebieten von medizinischem Cannabis.
Die Autoren schlossen in ihren Review kontrollierte Vergleichsstudien, Metaanalysen, Fallberichte und Kohortenstudien der letzten zehn Jahre ein. Das heterogene Datenmaterial umfasste nicht nur Publikationen zu Cannabis-Blüten, sondern auch zu Fertigarzneimitteln aus Cannabisextrakten sowie zu synthetischen Derivaten. Die Zusammenfassung der medizinischen Evidenz könnte aus Sicht der Autoren eine Grundlage für Behandlungsempfehlungen medizinischer Fachgesellschaften bilden.
Risiken für Minderjährige
Im ersten Teil stehen die Auswirkungen des freizeitmäßigen Cannabiskonsums auf die Kognition, Fahrsicherheit, soziale Entwicklung, Psyche und die Organe im Vordergrund. Dabei differenzieren die Autoren zwischen den akuten Folgen des kurzfristigen Konsums und den langfristigen Konsequenzen des chronischen Gebrauchs.
Die Studie zeigt eindeutig, dass Kiffen kurzfristig die Psychomotorik, Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit einschränkt. Für den regelmäßigen Cannabis-Konsum sind die Ergebnisse bezüglich der kognitiven Auswirkungen inkonsistent und scheinen reversibel zu sein. Auch bezüglich der organischen Folgen gibt es Unterschiede zwischen kurzfristigem Kiffen und Dauergebrauch. So bewirkt die Cannabisinhalation eine akute Steigerung des Blutdrucks, der Pulsfrequenz und eine Erweiterung der Blutgefäße. Die vorliegende Evidenz erlaubt jedoch keine eindeutigen Rückschlüsse, ob chronischer Cannabiskonsum Herzinfarkte, Vorhofflimmern oder weitere kardiovaskuläre Ereignisse auslösen kann.
Was die psychosozialen Folgen des Kiffens im Jugendalter angeht, dazu ist die Datenlage wiederum eindeutig. Ein Einstieg in den Cannabiskonsum vor dem 15. Lebensjahr ist mit geringem Bildungserfolg assoziiert. Auch das Risiko für psychische Störungen wie Depression und Angststörungen ist bei jugendlichen Konsumenten genauso wie bei Erwachsenen erhöht. Bemerkenswert ist zudem, dass zusätzlicher Alkohol- und Tabakkonsum die in den Daten beschriebenen schädlichen Effekte in einigen Fällen verstärken kann.
Antiemetische und analgetische Wirkung am besten belegt
Neben den Risiken der Freizeitanwendung gibt die Studie auch Aufschluss über die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Cannabis-Arzneimitteln bei chronischen Schmerzen, Spasitzität, Übelkeit, gastrointestinalen und neurologischen Erkrankungen. Da nicht zu allen Anwendungsgebieten randomisiert-kontrollierte Studien oder konsistente Daten vorliegen, waren nicht zu allen Indikationen eindeutige Schlussfolgerungen möglich.
Die Evidenz zu der antiemetischen Wirkung von Cannabisarzneien ist relativ eindeutig. Cannabis-basierte Arzneimittel wie Nabilon oder Dronabinol können das Erbrechen im Rahmen von Chemotherapien signifikant besser als Placebo verhindern. Ihre antiemetische Wirkung zeigt sich in einer kontrollierten Vergleichsstudie vergleichbar zu der von Ondansetron. Dronabinol und Cannabiszigaretten haben bei palliativen HIV und Krebspatienten mit Kachexie einen gewichtssteigernden Effekt.
Bei chronischen Schmerzen zeigen Cannabisarzneimittel im Mittel eine Schmerzreduktion um 30 Prozent gegenüber Placebo. Da Placebo bekanntlich ebenfalls eine analgetische Wirkung entfaltet, ist die zusätzliche Schmerzlinderung durch Cannabis für die Lebensqualität von Chronikern durchaus therapierelevant. Bezüglich der Spastizität bei Multipler Sklerose oder Rückenmarksverletzungen zeigt sich die Datenlage insgesamt zwar inkonsistent, jedoch gibt es Berichte über eine subjektiv empfundene Besserung der Beschwerden.
Bezüglich der anderen Indikationen ist die vorliegende Datenlage ebenfalls nicht eindeutig. Die Behandlung mit Cannabidiol zeigt eine partielle Symptomreduktion bei therapieresistenten Epilepsie-Formen. Eine Untersuchung zur Begleittherapie mit Nabilon bei Parkinson-bedingten Bewegungsstörungen weist auf eine Verbesserung der Dyskinesien hin, jedoch können andere Studien diesen Effekt wiederum nicht bestätigen. Beim Glaukom existiert eine Studie, welche eine Senkung des Augeninnendrucks durch ein cannabis-basiertes Arzneimittel beschreibt.
Die Autoren merken in ihrer Schlussfolgerung an, dass die vorhandene, heterogene und teilweise inkonsistente Datenlage zur medizinischen Cannabisanwendung für einige Indikationen noch keine eindeutigen Aussagen zulässt. Sie empfehlen daher in ihrem Fazit, weitere Datenerhebungen, insbesondere Verum-kontrollierte Vergleichsstudien, durchzuführen.
2 Kommentare
Unglaublich
von Samuel Lechner am 31.01.2018 um 12:10 Uhr
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Zeitraum der einbezogenen Studien
von Hans am 30.01.2018 um 17:06 Uhr
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