Rote Hand zu Obeticholsäure

Wie dosiert man Ocaliva richtig?

Stuttgart - 13.02.2018, 12:30 Uhr

Bei Leberinsuffizienz: Dosierung von Ocaliva® anpassen. (Foto: yodiyim / stock.adobe.com)

Bei Leberinsuffizienz: Dosierung von Ocaliva® anpassen. (Foto: yodiyim / stock.adobe.com)


Schwere Leberschädigungen mit teilweise tödlichem Ausgang geben Anlass, dass die EMA die korrekte Dosierung von Ocaliva® nochmals betont. Welche Patienten mit primär biliärer Cholangitis nehmen Obeticholsäure täglich – und welche Patienten dürfen Ocaliva® nur einmal pro Woche einnehmen?

Die zweite Sitzung des Jahres des Pharmakovigilanz-Ausschusses PRAC bei der EMA (European Medicine Agency) gestaltete sich offenbar äußerst „leberlastig“. Gleich bei drei Arzneimitteln hat der PRAC vor Leberschädigungen gewarnt: Ulipristalacetat in Esmya® zur Myombehandlung, Flupirtin in Katadolon® zur Therapie akuter Schmerzen und Obeticholsäure in Ocaliva®. Bei Flupirtin sieht der Pharmakovigilanz-Ausschuss ein derart ungünstiges Nutzen-Risiko-Profil, dass er empfiehlt, die Zulassung komplett zu widerrufen. Hintergrund ist, dass Ärzte trotz restriktiver Indikation Flupirtin offenbar nach wie vor zu leichtfertig verordnet haben.

Mehr zum Thema

Leberschäden durch Ulipristalacetat?

Bei Esmya Leberwerte kontrollieren

EMA-Empfehlung

Aus für Katadolon

Auch für Obeticholsäure spricht der PRAC eine Warnung aus. Obeticholsäure hat seit 2016 die Zulassung in der EU zur Behandlung der primären biliären Cholangitis (PBC). Bei Ocaliva® führten offenbar die unterschiedlichen Dosierungsintervalle für Patienten mit und ohne Leberzirrhose zu Verwirrung – und in der Folge zu Überdosierungen mit Leberschäden. Die Therapie der primären biliären Cholangitis umfasst in der Regel eine Kombination mit Ursodesoxycholsäure (UDCA), falls Kontraindikationen für UDCA bestehen, kann Obeticholsäure auch als Monotherapie gegeben werden.

Bei Leberinsuffizienz Dosis von Obeticholsäure anpassen

Die EMA erneuert nun die richtige Dosierung von Ocaliva® für PBC-Patienten mit bereits eingeschränkter Leberfunktion.

  • Patienten mit primär biliärer Cholangitis und eingeschränkter Leberfunktion ohne Zirrhose (Child-Pugh A) nehmen Obeticholsäure täglich. Sie starten ihre Therapie mit Ocaliva® 5 mg für sechs Monate, anschließend erhöhen sie die tägliche Dosis auf 10 mg Ocaliva®.
  • Patienten mit primärer biliärer Cholangitis und einer eingeschränkten Leberfunktion mit Zirrhose (Child-Pugh B oder C) nehmen zunächst Ocaliva® 5 mg einmal wöchentlich. Vertragen die Patienten Obeticholsäure gut, können sie nach drei Monaten die Dosis auf Ocaliva® 5 mg zweimal pro Woche erhöhen. Bei erneuter Toleranz sieht die Fachinformation als Zieldosis Ocaliva® 10 mg zweimal wöchentlich vor.

Insbesondere weist die EMA Ärzte darauf hin, bei einer Verschlechterung der Leberfunktion von Child-Pugh A nach Child-Pugh B oder C das Dosierungsintervall anzupassen. Unabhängig davon, soll vor jedem Behandlungsbeginn mit Ocaliva®, der Leberstatus des Patienten überprüft und auch fortlaufend während der Obeticholsäure-Therapie überwacht werden. Verschlechtern sich die Leberwerte der Patienten, soll die Kontrolle der Leberfunktion engmaschiger erfolgen.

Primär biliäre Cholangitis hieß nicht immer so, …

… sondern primär biliäre Zirrhose. Der ursprüngliche Name der Erkrankung stammt noch aus früheren Zeiten, in denen Patienten mit PBC häufig erst im zirrhotischen Stadium beim Arzt vorstellig wurden. Mittlerweile werden auffällige Leberwerte früher entdeckt, nicht selten auch als Zufallsbefund. Die primär biliäre Zirrhose wurde folglich 2014 in primär biliäre Cholangitis umgetauft, angeblich auch, um die mit dem Begriff Zirrhose verbunden Stigmatisierung der Patienten als Alkoholiker zu umgehen, erklärt die Leitlinie.

Was ist primäre biliäre Cholangitis?

Die primär biliäre Cholangitis ist eine Lebererkrankung, die von den intrahepatischen Gallengängen ausgeht. Die Erkrankung trifft vorwiegend Frauen: Etwa 90 Prozent der PBC-Patienten sind weiblich. Häufiger Erkrankungszeitpunkt ist die fünfte Lebensdekade. Der primär biliären Cholangitis liegen wahrscheinlich autoimmune Prozesse zugrunde, die zum einen genetischen Ursprungs sind, zum anderen durch Umweltfaktoren beeinflusst werden. Rauchen und häufige Harnwegsinfekte prädestinieren anscheinend für eine primär biliäre Cholangitis. Im Laufe der Erkrankung kommt es zur sukzessiven Zerstörung der Gallengänge, dadurch staut sich Gallensekret in der Leber und schädigt das Lebergewebe. Die Folge: Zirrhose und ein erhöhtes Risiko für ein hepatozelluläres Karzinom.

Wie wirkt Obeticholsäure?

Obeticholsäure hat seine Zielstruktur im Zellkern: Es bindet als Agonist an den Kernrezeptor Farnesoid-X-Rezeptor (FXR), den vorwiegend Leber- und Darmzellen exprimieren. Die Affinität von Obeticholsäure zum Farnesoid-X-Rezeptor übersteigt die des natürlichen Liganden – Chenodesoxycholsäure – um den Faktor 100. Auf diese Weise hemmt Obeticholsäure effektiv die De-novo-Synthese von Gallensäuren aus Cholesterin. Zusätzlich fördert eine Aktivierung des FXR durch Obeticholsäure, dass Gallensäuren aus der Leberzelle ausgeschleust werden. Beide Mechanismen reduzieren die Gesamtexposition der Hepatozyten gegenüber Gallensäuren: Es werden weniger Gallensäuren produziert und mehr ausgeschieden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.