Pflichten im Winter

Rutschgefahr – auch in der Apotheke

Berlin / Stuttgart - 23.02.2018, 16:00 Uhr

Ein solches Warnschild  in der Apotheke ist auch bei Schnee und Nässe 
nicht zwingend erforderlich. Kunden, die im Winter ein Geschäft 
betreten, müssen ohnehin besonders vorsichtig sein (Foto: lagom / stock.adobe.com)

Ein solches Warnschild  in der Apotheke ist auch bei Schnee und Nässe nicht zwingend erforderlich. Kunden, die im Winter ein Geschäft betreten, müssen ohnehin besonders vorsichtig sein (Foto: lagom / stock.adobe.com)


Sibirische Kaltluft, Temperaturen wie am Polarkreis – so die Wettervorhersage für die kommenden Tage. Kurzum der Winter hat Deutschland im Griff. Vielerorts liegt Schnee. Doch wo Schnee ist, ist in der Regel auch Matsch. Und der macht auch vor Apotheken nicht halt. Die müssen dafür sorgen, dass die Patienten nicht ausrutschen. Doch wie weit gehen diese Pflichten?

In einigen Regionen Deutschlands liegt derzeit Schnee oder das, was davon übrig ist. Kälte sorgt zudem vielerorts für Glatteis. Da kann es schon mal passieren, dass der Gehweg vor der Apotheke oder auch Fußboden in der Offizin rutschig ist. Was muss die Apotheke tun, damit Kunden nicht ausrutschen und möglicherweise die Apotheke in Haftung nehmen? Wie weit gehen die sogenannten Verkehrssicherungspflichten?

Gehwege vor der Apotheke

Für die Gehwege und Stellen vor der Apotheke gilt: Selbstverständlich sind auch die Wege und etwaige Treppen und Rampen vor der Ladentür im Winter zu räumen. Die Beseitigung von Schnee und Eis ist in der Regel aber Aufgabe des Grundstückseigentümers oder Vermieters. Er trägt die Verkehrssicherungspflicht und ist bei deren Verletzung haftbar. Dabei gilt: Auf Geschäftsstraßen muss ein mindestens ein Meter breiter Streifen geräumt werden. Bei Glatteisgefahr muss gestreut werden – am besten mit Sand oder Granulat. Ist die Apotheke gemietet, muss nur dann Schnee geräumt oder gestreut werden, wenn dies im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart wurde.

Und in den Innenräumen? 

Aber was ist mit den Innenräumen? Muss man Teppiche auslegen oder gar Hinweisschilder aufstellen? Oder reicht es, den Boden regelmäßig zu wischen? Ein im Sommer 2016 beim Landgericht München ergangenes Urteil hat Anhaltspunkte für den Umfang der Verkehrssicherungspflichten des Inhabers in der Apotheke festgesteckt.

Für Apotheken gelten nach Ansicht der Münchener Richter geringere Verkehrssicherungspflichten als für andere Geschäfte mit mehr Publikumsverkehr und größerer Warenauswahl, zum Beispiel Kaufhäuser. Das Amtsgericht hat eine diesbezügliche Klage einer Kundin abgewiesen, die vom Apotheker Schadensersatz verlangt hatte. Die Frau hatte geklagt, weil sie hinfiel, als sie um den HV-Tisch herumgehen wollte, um einen Blick in den Computer zu werfen, und auf ihren Arm stürzte. Sie zog sich dabei eine Fraktur am Ellenbogen mit Gelenkbeteiligung zu, die operiert werden wusste, und zu sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit führte. Das Ganze war an einem winterlichen Februar-Tag geschehen. Fußmatten gab es nur im Eingangsbereich, nicht vor dem HV-Tisch. Auch Warnschilder hinsichtlich einer etwaigen Rutschgefahr waren nicht aufgestellt. Doch eine Reinigungskraft machte zu diesem Zeitpunkt den Boden sauber. Vom Apotheker verlangte sie Schadenersatz, unter anderem, weil sie ihren Haushalt nicht allein führen konnte. Zudem beanspruchte sie ein Schmerzensgeld von mindestens 1500 Euro. Bei der Berechnung räumte sie ein, dass sie für den Unfall zur Hälfte selbst die Schuld trage.

Keine Fußmattten vor dem HV-Tisch. Ein Problem?

Aus Sicht der Richter hatte der beklagte Apotheker keine Schutzpflichten verletzt. Denn in Apotheken herrsche regelmäßig kein Publikumsandrang, der die Einsehbarkeit des Bodenbereichs für Kunden signifikant einschränke. Zudem gingen von den Auslagen einer Apotheke keine besonderen Ablenkungswirkungen aus. Und auch das Warensortiment einer Apotheke rufe regelmäßig keine erhebliche Sturzgefahr für Kunden hervor.

Schnee und Eis auf Arbeitswegen

Kommt ein Arbeitnehmer zu spät zur Arbeit, weil Schnee und Eis ihn daran hinderten, pünktlich zu sein, so braucht sein Arbeitgeber ihm dafür keinen Ausgleich zu zahlen: Er muss die Zeit entweder „nacharbeiten“ oder Urlaub nehmen. Denn das „Wegerisiko“ trägt der Mitarbeiter, nicht das Unternehmen, so das Bundesarbeitsgericht schon vor Jahren (Az.: 5 AZR 283/80).

Mehr lesen Sie in  Ausgabe 04/2018 der AZ.

Dass es keine Fußmatten vor dem HV-Tisch gab, sieht das Gericht ebenfalls nicht als Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Denn dort bestehe gerade keine erhöhte Ausrutschgefahr. Unschädlich sei weiterhin, dass der Apotheker kein Warnschild aufgestellt hatte. Wer im Winter ein Geschäft betrete, müsse immer mit einer Rutschgefahr rechnen. Der Besucher sei hier zu erhöhter Vorsicht verpflichtet. Überdies: Die Anwesenheit der Reinigungskraft habe einen ähnlich warnenden Effekt wie das Aufstellen eines Hinweisschildes gehabt.

Kunden müssen eine gewisse Feuchtigkeit hinnehmen

Letztlich stellen die Richter fest, dass Besucher eines Geschäfts im Winter eine gewisse Feuchtigkeit des Fußbodens hinnehmen müssen. Eine Feuchtigkeit des Fußbodens lasse sich nämlich in einem solchen Falle auch durch häufiges Aufwischen niemals ganz beseitigen. Bevor er trocken werden kann, haben bereits die nächsten Kunden Feuchtigkeit hineingetragen. „Deshalb kann lediglich ein Aufwischen in angemessenen Zeiträumen gefordert werden“. Dass dies geschah, daran zweifelten die Richter nicht.

Das Urteil betrifft einen konkreten Fall – und nur die Verkehrssicherungspflicht des Apothekeninhabers in der Offizin.

Amtsgericht München, Urteil vom 24.Juni 2016, Az.: 274 C 17475/15 - rechtskräftig



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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