Gut beraten! Wissen am HV

Alles im Lack! – Wissenswertes zum Thema Nagelpilz

Hamburg - 17.05.2018, 11:30 Uhr

Zur Nagelpilz-Behandlung stehen die antimykotischen Wirkstoffe Amorolfin und Ciclopirox als wasserfester und wasserlöslicher Lack zur Verfügung. (Foto: vladimirfloyd / stock.adobe.com)
HV Theme badge

Zur Nagelpilz-Behandlung stehen die antimykotischen Wirkstoffe Amorolfin und Ciclopirox als wasserfester und wasserlöslicher Lack zur Verfügung. (Foto: vladimirfloyd / stock.adobe.com)


Nagelpilz heilt nicht von selbst aus, sondern muss behandelt werden. Im OTC-Bereich stehen unter anderem antimykotische Lacke zur Verfügung. Bei der Beratung gilt es, dem Kunden wichtige Anwendungshinweise zu geben und die Grenzen der Selbstmedikation im Blick zu behalten.

Nagelpilz (Onychomykose) ist eine chronische, langsam die Nagelplatte zerstörende Pilzinfektion. Die Zehennägel sind wesentlich häufiger betroffen als die Fingernägel. In den meisten Fällen wird Nagelpilz von Dermatophyten hervorgerufen, seltener von Hefen oder Schimmelpilzen. Zur Risikogruppe gehören Diabetiker sowie Patienten mit Durchblutungsstörungen oder Immunschwäche. Weitere begünstigende Faktoren sind u.a. Verletzungen des Nagels und bestehender Fußpilz – der ebenfalls behandlungsbedürftig ist. Die Übertragung erfolgt durch infektiöse Hautschüppchen, weitergegeben durch direkten Kontakt oder über Gegenstände und Fußböden.

Mehr zum Thema

Gut beraten! Wissen am HV

Ist das wirklich Nagelpilz?

Verschiedene Formen

Es gibt verschiedene Onychomykose-Formen. Oftmals handelt es sich um den distolateralen subungualen Typ: Dabei breitet sich die Infektion von der umgebenden Haut des Nagels über das sogenannte Hyponychium (Nagelbettepithel) in die Unterseite der Nagelplatte aus, und zwar von körperfern nach körpernah. Durch eine Hyperkeratose unterhalb des Nagels ist die Nageplatte gelblich verfärbt und verdickt. Unbehandelt kann diese Form in der totalen dystrophischen Onychomykose mit vollständiger Nagelzerstörung münden. Weitere, aber seltenere Formen sind z.B. die proximale subunguale Onychomykose – hier breiten sich die Erreger von der Nagelmatrix Richtung Nagelspitze aus – und die weiße superfizielle Onychomykose.

Wann zum Arzt?

Berichtet der Kunde von erstmalig auftretenden Beschwerden oder davon, dass sich der Nagelpilz auf mehr als drei Nägel, mehr als 50 Prozent der Nagelfläche oder die Nagelmatrix erstreckt, ist ein Arztbesuch anzuraten. Bestimmte Patientengruppen (z.B. Kinder, Diabetiker, Personen mit Durchblutungsstörungen oder Immunschwäche, Schwangere und Stillende) sollten grundsätzlich an einen Arzt verwiesen werden. Zeigt sich unter einer Lokaltherapie innerhalb von drei Monaten keine Besserung oder tritt ein Rezidiv auf, sind ebenfalls die Grenzen der Selbstmedikation erreicht.

Stellt der Arzt die Diagnose Nagelpilz (siehe Kasten), ist abhängig von Form und Schwere der Infektion sowie weiteren Faktoren (z.B. Alter, Medikation, Grunderkrankungen) eine systemische und/oder lokale Therapie indiziert. Für eine systemische Therapie stehen verschreibungspflichtige Antimykotika wie Itraconazol, Fluconazol oder Terbinafin zur Verfügung. Bei einem entsprechenden Rezept sollte ein Interaktionscheck in der Apotheke nicht fehlen. Von Vorteil ist die Kombinationstherapie mit einem lokalen antimykotischen Präparat. 

Nagelveränderungen = Nagelpilz?

Die Apotheke ist für Kunden mit Nagelpilzsymptomen oftmals die erste Anlaufstelle. Aber nicht immer steckt hinter unschönen Nagelveränderungen tatsächlich eine Pilzinfektion. Eine ärztliche Abklärung ist also grundsätzlich ratsam und wichtig, um mögliche Allgemeinerkrankungen oder Dermatosen wie Psoriasis, Ekzeme oder bakterielle Infektionen – die ausgeprägte Nagelveränderungen bewirken können – auszuschließen. Ob es sich um eine Nagelmykose handelt, kann der Dermatologe durch einen mikroskopischen Nachweis von Pilzelementen im Nativpräparat feststellen. Für eine genaue Erregerbestimmung ist eine Pilzkultur nötig.

Lokale Therapie

Zur Behandlung in der Selbstmedikation oder nach ärztlicher Empfehlung stehen die antimykotischen Wirkstoffe Amorolfin und Ciclopirox als wasserfester und wasserlöslicher Lack (nur Ciclopirox) sowie Harnstoffzubereitungen zur atraumatischen Entfernung des infizierten Nagelmaterials zur Verfügung (siehe Tabelle 1 und 2). In der Apotheke sollten die Anwendungsmodalitäten genau erklärt und ein Präparat gewählt werden, das zum Patienten und seinen Bedürfnissen passt. Ein wichtiger Hinweis – neben der Notwendigkeit der Behandlung – ist, dass die Therapie i.d.R. langwierig ist.

Wasserfeste antimykotische Lacke

Zu Beginn der Behandlung mit einem Amorolfin-Lack sollen die erkrankten Nagelteile inklusive Nageloberfläche so gründlich wie möglich gefeilt und der Nagel mit einem Alkoholtupfer gereinigt werden. Der Lack wird einmal pro Woche mit einem wiederverwendbaren Spatel (Reinigung: mit Alkoholtupfer) aufgetragen. Vor jeder weiteren Behandlung muss der alte Lack mit einem Alkoholtupfer entfernt werden. Die Nägel sollen bei Bedarf je nach Hersteller vor oder nach der Reinigung gefeilt werden. Als Behandlungsdauer werden für Fingernägel etwa sechs Monate, für Zehennägel neun bis zwölf Monate veranschlagt.

Die wasserfesten Ciclopirox-Lacke werden mit einem in der Flasche integrierten Pinsel aufgetragen (Ausnahme: Ciclocutan®). Auch hier soll vor Behandlungsbeginn der betroffene Nagelbereich weitgehend mit einer Schere oder mit einer Einmalfeile entfernt werden. Der Lack wird im ersten Behandlungsmonat jeden zweiten Tag dünn aufgetragen, im zweiten Monat mindestens zweimal pro Woche und ab dem dritten Monat einmal pro Woche (Ausnahme z.B. Miclast®: einmal täglich). Die Reinigung und das Feilen erfolgt einmal wöchentlich (Miclast®: Feilen nicht zwingend notwendig). Die Lacke sollen (ohne ärztlichen Rat) nicht länger als sechs Monate angewendet werden.

Wasserlöslicher Ciclopirox-Lack

Der wasserlösliche Ciclopirox-Lack (Ciclopoli® gegen Nagelpilz) wird einmal täglich in dünner Schicht auf den erkrankten Nagel, auf fünf Millimeter der umliegenden Haut und, wenn möglich, unter dem freien Nagelrand aufgepinselt und etwa 30 Sekunden trocknen gelassen. Eine abendliche Anwendung ist empfehlenswert, da die Nägel mindestens sechs Stunden nicht gewaschen werden dürfen. Feilen und die Reinigung mit Lösungsmittel ist nicht nötig, die Lackreste können am nächsten Morgen mit Wasser entfernt werden. Bei Fingernägeln dauert es ca. sechs Monate bis der Nagel gesund nachgewachsen ist, bei Zehennägeln neun bis zwölf Monate.


Tab. 1: Topische Antimykotika zur Behandlung von Nagelpilz (Beispiele)

Wirkstoff Präparat Darreichungs-form Anwendungs-häufigkeit Anwendungs-dauer
Amorolfin 5%

Amofin®, Amorocutan®,

Amorolfin AL®, Amorolfin-ratiopharm® Amorolfin Stada® ,

Loceryl®

wasserfester Lack 1x / Woche Fingernägel etwa 6 Monate, Zehennägel
9-12 Monate
Ciclopirox 8%     Ciclopoli® wasserlöslicher Lack 1x tgl., vorzugsweise abends Fingernägel etwa 6 Monate, Zehennägel 9-12 Monate
Ciclocutan®, Ciclopirox Winthrop®, Nagel Batrafen® wasserfester Lack

1. Monat:
jeden 2. Tag;

2. Monat:
mind. 2x / Woche;

ab 3. Monat:
1x / Woche;

abhängig vom Schweregrad des Befalls, max. 6 Monate; Weiter-behandlung nach ärztlichem Ermessen
Miclast® wasserfester Lack 1x tgl.,
vorzugsweise abends
Fingernägel etwa 3 Monate, Zehennägel 6 Monate; insg. max. 6 Monate


Ablösung durch Harnstoff

Für eine atraumatische Nagelentfernung stehen topische Zubereitungen mit Harnstoff zur Verfügung. Harnstoff weicht nur den erkrankten Teil des Nagels auf, sodass dieser entfernt werden kann. Als Präparatebeispiel ist Canesten Extra® Nagelset zu nennen: Die Salbe mit Harnstoff (40%) und Bifonazol (1%) wird einmal täglich dünn aufgetragen und mit einem Pflaster für 24 Stunden okklusiv abgedeckt. Nachdem die Zehen etwa zehn Minuten in warmem Wasser gebadet wurden, ist die infizierte Nagelsubstanz mit dem Spatel zu entfernen und die Salbe erneut auf den trockenen Nagel aufzutragen. Die Behandlung dauert etwa sieben bis 14 Tage. Darauf folgt eine ca. vierwöchige Therapie mit einer Bifonazol-Creme (z.B. Canesten® Extra Creme, 1x tgl.). Weitere Produkte sind z.B. Onychomal® Creme und Onyster® Nagelset, auf deren Anwendung ebenfalls eine geeignete antimykotische Therapie folgen muss.

Tab.2. Harnstoffzubereitungen zur atraumatischen Nagelentfernung (Beispiele)

Wirkstoff  Präparat Darreichungs-form Anwendungs-häufigkeit Anwendungs-dauer
Harnstoff 40% + Bifonazol 1% Canesten® Extra Nagelset Salbe, Pflaster, Spatel 1x tgl., dazwischen mit Pflaster okklusiv abdecken; erweichte Nagelsubstanz vor erneuter Anwendung abkratzen 7-14 Tage; im Anschluss 1xtgl. Bifonazol-Creme über ca. 4 Wochen

Harnstoff 20%

Onychomal®

Creme

alle 5-10 Tage, dazwischen mit Folie okklusiv abdecken; erweichte Nagelsubstanz vor erneuter Anwendung entfernen (lassen)

i.A. 16 Tage; im Anschluss antimykotische Therapie

Harnstoff 40%

Onyster® Nagelset

Salbe, Pflaster

1x tgl., dazwischen mit Pflaster okklusiv abdecken

1-3 Wochen; am Ende infizierte Nagelsubstanz entfernen lassen; im Anschluss antimykotische Therapie


Hygienetipps nicht vergessen!

Im Rahmen der Beratung gilt es, dem Kunden einige Hygienetipps für die Zeit während und nach überstandener Nagelpilzinfektion mit auf den Weg zu geben. Textilien, die mit den Füßen in Berührung kommen (z.B. Socken, Handtücher), sollten bei mind. 60°C gewaschen werden. Ist das nicht möglich, ist die Zugabe eines Hygienespülers (z.B. Canesten® Hygiene Wäschespüler) empfehlenswert. Einmalnagelfeilen für infizierte Nägel sollten nicht für gesunde Nägel benutzt werden. Auch die Nagelschere ist gründlich zu desinfizieren, bevor sie in Berührung mit gesunden Nägeln kommt. Grundsätzlich ist Barflußlaufen zu vermeiden, vor allem in Schwimmbädern, Hotelzimmern und Turnhallen. Zudem gilt es, auf eine schonende Nagelpflege zu achten. Um ein feuchtwarmes Fußklima und Mikroläsionen zu vermeiden, sollten Schuhe atmungsaktiv sein und nicht drücken. Außerdem ist die Anwendung eines Schuhdesinfektionssprays (z. B. Myfungar® Schuhspray, CalCifu® Dosierspray Schuhdesinfektion) sinnvoll.

Pilzinfektionen – kein Tabuthema!

Ob Fuß-, Nagel- oder Vaginalpilz: Pilzerkrankungen verschwinden nicht von alleine, sondern müssen behandelt werden. Häufig ist die Apotheke die erste Anlaufstelle. Eine fundierte Beratung zu Therapiemöglichkeiten und der richtigen Anwendung eines Präparates sind von großer Bedeutung. Gleiches gilt für Maßnahmen, um eine (erneute) Ansteckung zu vermeiden. Natürlich kann auch bei ärztlich behandelten Mykosen eine gute Apothekenberatung die Compliance deutlich verbessern. Diese und weitere Themen sind im Buch „Pilzinfektionen“ von Jutta Lehnen übersichtlich aufbereitet.

Jutta Lehnen

Pilzinfektionen
Beratungspraxis


2013
Deutscher Apotheker Verlag

169 Seiten, 21,80 Euro

ISBN 978-3-7692-5782-3


Annette Lüdecke (lue), Apothekerin, Autorin DAZ.online
teamschulung@deutscher-apotheker-verlag.de


Diesen Artikel teilen: