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14. Zwischenahner Dialog
Entlassmanagement bringt viele neue Fragen
Das Entlassmanagement kann den Übergang vom Krankenhaus in die ambulante Versorgung durchaus erleichtern. Doch das Verfahren ist mit so vielen Formalitäten verbunden, dass es auch neue Probleme schafft. Diese kamen beim Zwischenahner Dialog , der am 1. und 2. März stattfand, zur Sprache.
Bereits 2015 wurde der gesetzliche Anspruch für GKV-Versicherte auf ein Entlassmanagement eingeführt. Doch der dazu nötige Rahmenvertrag trat wegen eines Schiedsverfahrens und einer Klage erst am 1. Oktober 2017 in Kraft. Das neue Verfahren wirft nun selbst viele Fragen und Probleme auf. Dies zeigte sich beim Zwischenahner Dialog am 1. und 2. März.
Viele neue Formalitäten
Die Krankenhäuser müssen bei Entlassverordnungen die gesamten umfangreichen Vorschriften der vertragsärztlichen Versorgung beachten, erklärte Rechtsanwalt Dr. Joachim Kasper, Kassel. Nicht zuletzt wegen der Formalitäten würden viele Krankenhäuser das Entlassmanagement an externe Dienstleister delegieren. Da bisher noch keine Urteile und keine Auslegungen zu diesem Thema vorliegen, seien so viele Fragen offen.
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Dr. Siiri Ann Doka, BAG Selbsthilfe, forderte klare Regeln. Diese dürften nicht so kompliziert sein, dass die Neuerungen nicht bei den Patienten ankämen. Brigitte Käser, AOK Niedersachsen, erklärte: „Das Entlassmanagement soll den Übergang der Patienten erleichtern, aber nicht den Hausarzt ersetzen.“ Über die bisherigen Erfahrungen sagte Käser: „Es gibt nichts, was es nicht gibt.“ Sie berichtete über diverse Fehler beim Verordnen bis zur Verwendung von Aufklebern mit Patientendaten, die bei der Rezeptabrechnung nicht verarbeitet werden können. Dr. Borchart Pundt, Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, mahnte die Patienten, ihren Anspruch auf das Entlassmanagement durchzusetzen. Es sei gut, dass die Inhalte des Entlassbriefs im Gesetz genau definiert sind. Denn wenn nur ein Aspekt fehle, sei dies ein Gesetzesverstoß. Dr. Beate Jungmann-Klaar, Leiterin der Krankenhausapotheke am Klinikum Oldenburg, berichtete, dass viele neue organisatorische Aufgaben das Pflegepersonal zusätzlich belasten. Stattdessen könnten Apotheker auf Stationen auch bei dieser Aufgabe sehr hilfreich sein.
Viel Potenzial für Apotheker
Was Apotheker für das Entlassmanagement tun können, zeige insbesondere ein Pilotprojekt der Apotheker am Klinikum Braunschweig. Das wichtigste Ziel dabei sei, den Hausarzt und die öffentliche Apotheke rechtzeitig über eine Entlassung zu informieren. Dazu werde der Medikationsplan schon elektronisch übermittelt, bevor der Patient mit dem Entlassrezept in der Apotheke eintrifft, berichtete Jungmann-Klaar.
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Das Entlassrezept kommt im Herbst
Diese Vorgehensweise wünscht sich Dr. Rolf Bruns, Vorstandsmitglied des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, als Normalfall des Entlassmanagements. Denn typischerweise würden am Samstag ungängige N1-Größen benötigt. Weitere praktische Probleme sieht Bruns insbesondere bei der Verordnungsmenge für Analgetika, nicht verfügbaren N1-Packungen, nicht über den Großhandel erhältlichen Arzneimitteln und formalen Fragen zu BtM- und T-Rezepten. Auch Bruns beklagte, dass die Apotheker beim Entlassmanagement eine nicht genutzte Ressource seien.
Eine Zukunftsvision, bei der sich Fragen nach einem Entlassmanagement nicht mehr stellen, präsentierte der Trendforscher Sebastian Raßmann von Trendone aus Hamburg. Demnach könnte schon in zehn Jahren im Internet der Dinge nahezu alles miteinander vernetzt sein. Das Auditorium diskutierte kritisch über die teilweise schockierenden Konzepte, bei denen Datenschutz und Selbstbestimmung ausgehebelt würden.
Drohende Wirtschaftlichkeitsprüfungen
Ein zentrales Thema mehrerer Vorträge waren die Wirtschaftlichkeitsprüfungen für Entlassrezepte. Diese stellen eine große Unwägbarkeit dar. Kasper und Pundt betonten, dass Wirtschaftlichkeitsprüfungen zwangsläufig zu den vertragsärztlichen Regeln gehören. Kasper sieht letztlich die Krankenhäuser in der Haftung, während Käser auch ein mögliches Haftungsrisiko für die Ärzte sieht. Das werde das Bundessozialgericht in vielen Jahren entscheiden. Doka fürchtet, dass nach den ersten Prüfungen keine Verordnungen mehr ausgestellt würden. Sie forderte daher alle Beteiligten auf, im Gespräch zu bleiben. Jungmann-Klaar konstatierte, dass Krankenhausärzte das Rezeptieren nicht gelernt hätten. Da sie an die Umsetzungshinweise der Krankenhausfinanzierung gewohnt seien, könnten ihnen die Regeln der wirtschaftlichen Verordnung im ambulanten System kaum vermittelt werden. Käser räumte ein, dass auch die Krankenkassen oft noch keine Antwort hätten. Denn dies sei ein lernendes System. Dies werde in der Einführungsphase durchaus berücksichtigt, aber es komme auf den jeweiligen Fehler an.
Beharrungskräfte gegen Veränderungen
Zur zentralen Frage, warum die Zusammenarbeit zwischen den Versorgungsbereichen so schwierig ist, erklärte Pundt, die Kultur des Miteinandersprechens sei nicht ausgeprägt genug. Käser ergänzte, die Organisation von Krankenhäusern sei nicht darauf eingestellt, mit irgendjemandem außerhalb des Krankenhauses außerhalb der formalen Prozesse zu kommunizieren. Außerdem seien technische Lösungen wie die elektronische Gesundheitskarte ausgebremst worden, weil viele die damit verbundene Transparenz als Bedrohung und nicht als Chance sehen würden. Bruns berichtete, im ländlichen Raum könnten viele Probleme einfacher gelöst werden, weil sich die Beteiligten kennen.
Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, bedauerte als Gastgeber des Zwischenahner Dialogs, dass kein Vertreter der Krankenhäuser einer Einladung zu dieser Veranstaltung gefolgt sei. Daher sei dort nur über die Anforderungen der anderen Systembeteiligten an die Krankenhäuser gesprochen worden. Unter den Anwesenden konstatierte Moderator Dr. Reiner Kern viel guten Willen, doch das Beharrungsvermögen des Systems wirke den Neuerungen entgegen.
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