Kommentar

Homöopathisches Nicorette-Spray? Gefunden auf Otto.de

Stuttgart - 07.03.2018, 16:30 Uhr

In der Rubrik „Haushalt“ bietet Otto.de auch Arzneimittel an. (Screenshot: otto.de / PTAheute.de)

In der Rubrik „Haushalt“ bietet Otto.de auch Arzneimittel an. (Screenshot: otto.de / PTAheute.de)


Otto.de ist wie früher der Otto-Katalog ein buntes Potpourri von allem, was das Konsumentenherz begehren könnte: Von der Akkukettensäge über Wäschetrockner und Vibratoren bis zu Krawatten und Duschgel ist alles zu haben – auch Arzneimittel. Otto arbeitet hier mit der Versandapotheke Mycare zusammen, die Verkauf und Versand übernimmt. Allerdings läuft dabei einiges schief, findet PTAheute.de-Redakteurin Cornelia Neth.  

Zugegeben, man muss schon ein wenig suchen, wenn man auf der Plattform Otto.de Arzneimittel finden will. Unter Haushalt -> Körperpflege -> Gesundheitsprodukte -> Medikamente finden sich dann aber 194 Seiten voll von Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel, Homöopathika und vielem mehr – gleich neben der Vibrator-Kollektion zu „Fifty Shades of Grey“. Auch Blutdruckmessgeräte, Inkontinenzprodukte, Bandagen und Kompressionsstrümpfe führt der Onlinehändler durch seinen Drittanbieter mycare.de seit April vergangenen Jahres.

Alles homöopathisch?

Schaut man sich die 23 Rubriken einmal genau an, kann man feststellen, dass da bei der Kategorisierung wohl so einiges schief gelaufen zu sein scheint. Nachdem in der Kategorie „Allergien“ soweit alles halbwegs schlüssig einsortiert zu sein scheint, sticht einem die Abteilung „Homöopathie“ mit 1643 Treffern direkt ins Auge. Wow, was für eine Auswahl! Die Ernüchterung kommt mit dem nächsten Klick. Denn weder Nicorette® Spray noch Bromhexin Krewel Meuselbach® Tropfen haben hier etwas zu suchen. Auf Seite 4 findet man Tonsipret® von Bionorica in der „Homöopathie-Ecke“. Jede PKA, die für die Regalgestaltung in der Offizin zuständig ist, würde wohl die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

„Das könnte Sie auch interessieren“: Aspirin® complex und ein Wein-Probierpaket

Schlimmer geht's nimmer? Wir finden schon. Denn Otto.de ist so nett und bietet „Das könnte Sie auch interessieren“ zu jedem Artikel an.

(Screenshot: otto.de / DAZ.online)

Klickt man also beispielsweise auf ein namhaftes Thymianbad für Babys, werden einem neben einem Dampfbügeleisen und einem Standventilator auch eine Spülbürste und eine Massagematte mit Wärmefunktion angezeigt. Erkältete Kundschaft, die nach Aspirin® complex sucht, interessiert sich wohl auch für ein Wein-Probierpaket und einen Zahnzwischenraumreiniger. Otto.de, da läuft wohl einiges (noch) nicht ganz rund!

Wer ist für das Angebot zuständig?

Für das Angebot, so ein Sprecher des Konzerns, sei alleine die Versandapotheke mycare.de zuständig, die mit dem Hamburger Versandhaus zusammenarbeitet. Auch für den Verkauf der Arzneimittel und den Versand ist die Versandapotheke um Apotheker Christian Buse verantwortlich. Der Bestellprozess läuft zwar über die Otto-Website, die Ware wird jedoch direkt aus Lutherstadt Wittenberg versendet und auch die Rechnung wird von der Versandapotheke ausgestellt. Es gelten ebenfalls die AGB der Robert-Koch-Apotheke mycare.de.

Otto-Group als Online-Riese

Otto.de und damit der Versandhandel sind nur ein kleiner Teil des großen Konzerns „Otto Group“. Vom Spielzeug-Shop über den SaaS-Anbieter bis hin zur Open-Commerce-Plattform. Das Portfolio deckt die ganze Bandbreite des Einzelhandels ab. Mehr als 123 einzelne Gesellschaften, darunter die in Deutschland bekannten bonprix, limango, myToys, SportScheck und der Zusteller Hermes gehören zur Gruppe. Nach eigenen Angaben gehört Otto zu den weltweit größten Onlinehändlern.

mycare.de - Versandapotheke in Sachsen-Anhalt

2001 gründeten die Apotheker Christian und Matthias Buse einen Versandhandel für Gesundheitsprodukte, heute mycare.de, da die elterliche Apotheke in einer sachsen-anhaltinischen Kreisstadt nur begrenzte Wachstumsmöglichkeiten hatte und die Brüder somit keine langfristige Perspektive sahen. Daraus entsteht dann die Idee, Heil- und Pflegemittel nicht nur den Kunden vor Ort anzubieten, sondern deutschlandweit über das Internet.



Cornelia Neth, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Mischmasch

von Ben Schäfer am 07.03.2018 um 17:36 Uhr

So Sachen wie Tonsipret sind aber gerade genau schuld an jener Verwirrung. Guckt man auf die Packung steht da nämlich homöopathisches Arzneimittel. Dabei handelt es sich um eine so niedrige Potenz (=hohe Konzentration), dass man eigentlich von einem direkten phytopharmakologischen Effekt sprechen muss. Wodurch ist das möglich? Durch die undurchsichtige Verfahrensweise der Zulassungen von Homöopathika und der bunten Vermischung von (wirkstofflosen) Hoch-und (extrakthaltigen) Niederpotenzen. Und dass Capsaicin warm im Mund wird hat in der Tat rein gar nichts mit dem Prinzip Homöopathie zu tun. Der Laie denkt dann aber: „Aha, wird warm im Mund, also wirkt Homöopathie, weil es ja draufsteht“. Eine klassische Irreführung von Verbrauchern und leider auch einigen Leuten vom Fach.

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