„Pille danach“ und Schwangerschaftsabbrüche 

ABDA: „Die These der Frauenärzte ist abenteuerlich“

Stuttgart - 09.03.2018, 11:20 Uhr

Der Vorwurf Apotehker würden nicht zuverlässig zur "Pille danach" beraten, ist in den Augen der ABDA haltlos. (Foto: Imago / Sepp Spiegl)

Der Vorwurf Apotehker würden nicht zuverlässig zur "Pille danach" beraten, ist in den Augen der ABDA haltlos. (Foto: Imago / Sepp Spiegl)


In einer Pressemeldung postulierte der Berufsverband der Frauenärzte einen Zusammenhang der gestiegenen Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche mit dem OTC-Switch der „Pille danach“ und der damit verbundenen unzureichenden Beratung in der Apotheke. In den Augen der ABDA ist es abenteuerlich, hier eine Korrelation zu vermuten. Zudem entbehre der Vorwurf der unzuverlässigen Beratung jeder Grundlage.

„Einen Zusammenhang zwischen der Entlassung von Notfallkontrazeptiva aus der Verschreibungspflicht und Schwangerschaftsabbrüchen zu postulieren, ist abenteuerlich und vergleichbar mit dem 'Zusammenhang' zwischen dem Schokoladenkonsum verschiedener Länder und der Anzahl der Nobelpreisträger aus diesen. Zudem spricht der Anstieg der Abgabezahlen von Notfallkontrazeptiva seit 2015 bis Ende 2016 dagegen, dieser hat sich 2017 fortgesetzt.“ So äußert sich die Standesvertretung der Apotheker zu der These des Berufsverbandes der Frauenärzte (bvf), dass der OTC-Switch der „Pille danach“ und die mangelhafte Beratung der Apotheker die Mitschuld an einem Anstieg der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2017 tragen. Diese Vermutung hatte der Verband in einer Pressemitteilung kundgetan. Sie hätten ja von Anfang an darauf hingewiesen, dass die Apotheker durch ihre eigene Standesorganisation ungenügend auf diese anspruchsvolle Beratung vorbereitet wurden, und das zu einer Zunahme unerwünschter Schwangerschaften führen könnte, wurde Dr. med. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, zitiert.

„Die Behauptung entbehrt jeder Grundlage“

Diesem Vorwurf widerspricht die ABDA. „Die Behauptung, dass Apotheker nicht zuverlässig zur 'Pille danach' beraten würden, entbehrt jeder Grundlage“, heißt es in einer Stellungnahme, die DAZ.online vorliegt. Offensichtlich habe der bvf die gerade aktualisierten Handlungsempfehlungen, zum Anlass genommen, sich erneut pauschal und plakativ gegen Apothekerinnen und Apotheker zu positionieren, heißt es weiter.

An der Erstellung und Aktualisierung dieser Handlungsempfehlungen sei der Berufsverband neben der Bundesapothekerkammer, dem BMG, dem BfArM, pro familia und anderen Gynäkologenverbänden aber beteiligt gewesen. Mit der Entlassung aus der Verschreibungspflicht seien zudem in unzähligen Fortbildungsveranstaltungen auf Basis eines ebenfalls bereits Anfang 2015 konsentierten Curriculums die Kolleginnen und Kollegen zu diesem Thema qualitätsgesichert geschult worden. Aktualisierungsbedarf bezüglich dieses Curriculums habe keine der beteiligten Institutionen, Verbände und Fachgesellschaften angemeldet, erklärt die ABDA.

Auch Pro Famila widerspricht den Frauenärzten

Auch gegenüber DAZ.online hatte der Verband die „lückenhaften Unterlagen“, an deren Erstellung er, wie gesagt beteiligt war, moniert. Die Apotheker würden mit falschen Botschaften auf die Frauen losgelassen, erklärte ein Sprecherin. Unter anderem geht es wohl um die Aussage, dass bei einem Einnahmefehler in der 2. Zykluswoche eine Notfallverhütung normalerweise nicht notwendig sei.

Dorothee Kleinschmidt, Ärztin bei Pro Famila in Bochum verweist im Hinblick auf These des Berufsverbandes der Frauenärzte ganz nüchtern auf die Statistik des Statistischen Bundesamtes. So habe beispielweise in den Jahren 2010 bis 2012, also zu Zeiten als die „Pille danach“ noch rezeptpflichtig war, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche pro 10.000 Frauen über der von 2017 gelegen. Vor allem bei den Frauen unter 20 sei sie konstant rückläufig – übrigens auch 2017 im Vergleich zu 2016. Das werte man als großen Fortschritt, so Kleinschmidt.

Gerade diese jungen Frauen profitierten nach Ansicht von Pro Familia vom OTC-Switch. Denn die hatten früher die größten Probleme, ein Rezept zu organisieren: Diese Erfahrung haben man in der Beratung gemacht. „Wenn die Montag bei uns in der Beratungsstelle saßen, war das Zeitfenster von 72 Stunden, das bis zur Einführung von Ulipristal bestand, oft vorbei“, erklärt die Pro-Familia-Ärztin. Vor allem diese junge Frauen habe man bei der Forderung nach der Entlassung der „Pille danach“ aus der Rezeptpflicht im Blick gehabt.

Rückgang bei jungen Frauen wird nicht erwähnt

Apropos Statistik: Die wird in der Mitteilung des Berufsverbandes nur sehr selektiv beleuchtet. So heißt es dort: „In der Altersgruppe von 30 bis 40 Jahren beträgt der Anstieg 4 Prozent, bei Frauen zwischen 40 und 45 Jahren über 7 Prozent. Auch im Jahr 2016 war schon gegenüber dem Vorjahr eine ähnliche Steigerung zu beobachten.“ Dass Schwangerschaftsabbrüche in der Altersgruppe von 15 bis 20 weiterhin rückläufig sind und bei den 20 bis 25-Jährigen nach einem jahrelangen Rückgang von 2016 auf 2017 auch kein Anstieg zu sehen ist, wird verschwiegen.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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