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Methadon-Diskussion
„Interessenkonflikte werden stets auf Seiten der Kritiker gesehen“
Hat Methadon das Potenzial Tumorzellen für eine Chemotherapie zu sensibilisieren? Laut einer Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, die sich auf eine am Deutschen Krebsforschungszentrum durchgeführte Zellkulturuntersuchung bezieht, ist das nicht der Fall. Dr. Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm sieht das anders und wirft den Forschern schwere methodische Mängel vor. Professor Wolfgang Wick, der die Untersuchung leitete, hält die Aussagen der Ulmer Forscherin für irreführend und sieht seine Daten falsch eingeordnet.
Dr. Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm hatte massive Kritik an experimentellen Untersuchungen geübt, die Forscher des Deutschen Krebsforschungszentrums auf dem 33. Krebskongress vorgestellt hatten und die die deutsche Gesellschaft für Neurologie dann in einer Pressemeldung aufgriff. Das Team um Professor Wolfgang Wick, Direktor der neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg, hatte den Einfluss von L-Methadon auf Glioblastomzellen untersucht, dabei aber nach Friesens Ansicht mehrere Grundvoraussetzungen für Studien an Zellkulturen nicht beachtet. Gegenüber der DAZ erklärte sie, warum sie es für wenig verwunderlich hält, dass die Heidelberger Forscher zum dem Schluss kamen, dass L-Methadon die Wirksamkeit der Chemotherapie nicht verstärkt. Im Interview mit DAZ.online bezieht Professor Wolfgang Wick nun zu den Ausführungen von Dr. Friesen Stellung.
DAZ.online: In der Studie wurden laut Pressemitteilung Glioblastom-Zellen verwendet, die den Opioid-Rezeptor gar nicht exprimieren.
Wick: Auf unserem Poster sind zwei unterschiedliche Gewebe adressiert. Zum einen Zellkulturen, die den Rezeptor exprimieren, aber eine gewisse Ferne zum Patienten aufweisen.
Zum anderen Tumormaterial unmittelbar aus der Pathologie, welches zeigt, dass der Rezeptor im Patienten selbst fast nie exprimiert ist. Möglicherweise handelt es sich bei Zellkulturdaten daher um Artefakte der Kultivierung. Aus unserer Sicht ist dieser Abgleich, ob die Modelle, die Zellkultursysteme immer darstellen etwas mit der Realität der Patienten zu tun haben unabdingbar. Gegen diesen Grundsatz verstößt eine unmittelbare Übertragung von Zellkulturdaten in Patiententherapie. Dies hatten wir in der ersten Pressemitteilung von NOA/DGN 2014 genauso angemahnt.
„Eine Vermischung der beiden Gewebepopulationen ist irreführend und in der aktuellen Online Darstellung von Frau Friesen schlicht falsch dargestellt.“
DAZ.online: Andere Untersuchungen zeigen jedoch, dass Glioblastom-Zellen Opioid-Rezeptoren besitzen. Wie ist es zu erklären, dass die von Ihnen verwendeten Zelllinien keine Opioid-Rezeptoren exprimieren und warum wurden diese Zellen dennoch für die Untersuchungen eingesetzt?
Wick: Diese Aussage ist nicht richtig. Die verwendeten Zellinien exprimieren den Rezeptor. Eine Vermischung der beiden Gewebepopulationen ist irreführend und in der aktuellen Online Darstellung von Frau Friesen schlicht falsch dargestellt.
DAZ.online: Es ist bekannt, dass das Racemat D,L-Methadon (durch D-Methadon) die Herunterregulation von Opioid-Rezeptoren verhindert, die durch das L-Enantiomer auftreten kann. Wieso haben Sie sich dennoch gegen den Einsatz des Racemats für den Einsatz von L-Methadon in Ihren Experimenten entschieden?
Wick: Diese Aussage ist so nicht richtig und aus unserer Sicht zumindest für die Hirntumorsituation belegt. Weder bei uns, noch bei anderen Wissenschaftlern, die einen Effekt von L-Methadon bei Prostatakarzinomzellen sogar bestätigen, lässt sich dieser Effekt zeigen. Zum anderen ist es ja nicht so, dass wir keine Effekte von L-Methadon am µ-Opiodrezeptor sehen, sondern dass diese Effekte keine Sensibilisierung für die verwendete Chemotherapie bewirkt haben und auch keine relevanten Eigeneffekte. Unsere Forschung fokussiert auf Gliome; alle anderen Tumorarten werden von mir als Neuroonkologen aktuell nicht untersucht.
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Kritik an Studie
„Im falschen Zellsystem kann Methadon nicht wirken“
„Natürlich wurden ausführliche Konzentrationsreihen durchgeführt“
DAZ.online: Laut Abstract wurde in Ihrer Studie lediglich eine Methadon-Konzentration untersucht. Wie kann man bei fehlender Konzentrations-Reihe sicher sein, dass dies eine geeignete und wirksame Konzentration ist?
Wick: Nein, natürlich wurden ausführliche Konzentrationsreihen unabhängig für alle Zellen, i.ü. für D/L Methadon und L-Methadon durchgeführt. Selbst bei den höchsten sinnvoll einsetzbaren Konzentrationen, die zudem denen der Arbeiten von Frau Friesen entsprechen, sind keine positiven Effekte zu sehen, mit Ausnahme der minimalen Effekte auf A172 Klonogenität (im Sinne der Friesen Daten) und T325 (als Förderung des Tumorwachstums).
Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass Poster einen begrenzten Raum für Informationen lassen, so dass eine ausführliche Diskussion um Poster und Abstracts für gewöhnlich bis zum Zeitpunkt der Publikation des ausführlichen Manuskripts aufgeschoben werden.
„Der Effekt von Temozolomid ist auch auf unserem Poster sichtbar und unstrittig.“
DAZ.online: In der Studie wurde das Prodrug Temezolomid eingesetzt. Wäre es nicht sinnvoller, den aktiven Metaboliten einzusetzen, um Störfaktoren in der Zellkultur auszuschließen?
Wick: Es ist schade, dass in der DAZ unkritisch die Vorwürfe von Friesen et al. repliziert werden. Sie können ebenso wie wir rasch feststellen, dass Temozolomid so wie eingesetzt wirksam ist. Zudem wird es so wie aktuell seit Jahrzehnten in vielfältigen anderen zum Teil hochrangig publizierten Studien von anderen und uns genauso eingesetzt.
Der Effekt von Temozolomid ist auch auf unserem Poster sichtbar und unstrittig.
DAZ.online: Wie geht es nun weiter? Anscheinend ist trotz dieser ernüchternden Ergebnisse eine klinische Studie bei Hirntumorpatienten geplant. Könnten Sie hierauf kurz eingehen?
Wick: So lange eine ausgewogene Berichterstattung schwierig scheint und Interessenkonflikte stets auf Seiten der Kritiker und nie auf Seiten der Erfinder des neuen Konzepts gesehen werden und gleichzeitig Patienten und Angehörige gezielt verunsichert werden, kann eine Studie möglicherweise die einzige Chance für Klärung bieten. Andererseits sollten wir vor einer Studie am Patienten immer Chancen für zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen, die ggf. unsere ursprünglichen Pläne modifizieren.
7 Kommentare
Dubiose Wick Studie
von Horst Gutglück am 14.03.2018 um 11:41 Uhr
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AW: Dubiose Wick Studie
von Nathaniel am 15.03.2018 um 22:48 Uhr
AW: Hinweis von Nathaniel
von Juergen Busch am 16.03.2018 um 10:59 Uhr
Methadonstudie
von Weidner am 14.03.2018 um 9:10 Uhr
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Danke DAZ
von J Arens am 13.03.2018 um 22:20 Uhr
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Apropos Temozolomid...
von Dr. Sabine Dettling am 13.03.2018 um 15:36 Uhr
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Der Artikel "Interessenkonflikte" von Prof. Wick
von Juergen Busch am 13.03.2018 um 15:19 Uhr
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