Grippeimpfstoff-Versorgung

AOK und Apotheker werfen Herstellern Panikmache vor

Berlin - 19.03.2018, 17:15 Uhr

(Foto: Miss Mafalda / stock.adobe.com)

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Die AOK Nordost und die Apothekerverbände der Region sehen sich derzeit massiver Kritik ausgesetzt. Der Grund ist ihre Vereinbarung zu Vierfach-Grippeimpfstoffen für die kommende Saison. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie sieht hierdurch geltendes Recht umgangen und das Patientenwohl gefährdet. Die AOK und die Apothekerverbände weisen diese Anschuldigung nun als „Panikmache“ zurück.

Bereits seit 2011 organisieren die AOK Nordost – federführend für alle Krankenkassen der Region – und die Apothekerverbände Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten  mit Grippe-Impfstoffen per Vertrag. Während in anderen Bundesländern bis vor kurzem Ausschreibungen stattfanden, suchte die Kasse hier stets den Draht zu den Apothekern. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Apotheken einen Festpreis pro Impfdosis bekommen, sofern die Ärzte der Apotheke die Auswahl des Grippeimpfstoffs überlassen. Bislang funktionierte dies reibungslos – es waren die Ausschreibungen der Kassen für Impfstoffe, die die Kritik auf sich zogen. Und das in einem Maße, dass der Gesetzgeber sie im vergangenen Jahr abschaffte.  

Doch seit die AOK Nordost und die Apothekerverbände kürzlich ihre jüngste Impfstoff-Vereinbarung für die Saison 2018/19 vermeldet haben, ist diese ins Zentrum der Kritik gerückt. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) prangerte eine Versorgungssteuerung „durch die Hintertür“ an. Die AOK Nordost riskiere zudem „sehenden Auges Versorgungsengpässe für die Patienten“. Warum? Nur mit einem Hersteller, Mylan, hat ein Tochterunternehmen des Berliner Apotheker-Vereins eine besondere Rahmenvereinbarung getroffen – erstmals über ein tetravalenten Grippeimpfstoff. Diese ist für Apotheken wegen verschiedener Regelungen besonders attraktiv. So wird beispielsweise die Lieferung bestimmter Mengen zu einem bestimmten Termin zugesagt, zudem sind Vertragsstrafen bei Nicht-Lieferfähigkeit vorgesehen. Die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Karin Maag (CDU), hat die Kritik aus der Industrie bereits aufgenommen und angekündigt, gegebenenfalls vertragliche Schlupflöcher zu schließen.

Bestellungen laufen ein

Indessen vermelden die AOK Nordost und die drei Apothekerverbände, dass die Vorbestellungen der von den Ärzten prognostizierten Impfdosen bei den Apotheken eingehen. Bis Ende März sollen die Apotheken die Vorbestellungen unter Dach und Fach haben. „Nach aktuellem Stand läuft das Verfahren reibungslos, sodass die Impfstoffhersteller nun die Impfdosen bis zum Herbst mit dem notwendigen Produktionsvorlauf herstellen können“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Das trage zur Versorgungssicherheit mit ausreichenden Grippeimpfstoffen bei.

Apothekerverbände: Bewährtes Verfahren

Die AOK verweist darauf, dass die Krankenkassen in den drei Bundesländern in  der laufenden Impfsaison pro Impfdosis des Dreifach-Impfstoffs meist jeweils 6,65 Euro bezahlen. Künftig nehmen die Kassen mindestens 7 Millionen Euro mehr in die Hand. Denn die neue Vereinbarung mit den Apothekerverbänden sieht für den Vierfach-Impfstoff im Regelfall 10,95 Euro pro Dosis vor.

Die Sprecher der Apothekerverbände betonen: „Das Verfahren hat sich bewährt und bildet insbesondere für die Pharmaindustrie eine verlässliche Grundlage. Die Hersteller können somit sehr frühzeitig mit der Produktion starten“. Sie sind überzeugt: „Auf diesem Weg können wir für unsere Patienten eine verlässliche und für die Apotheken und Kostenträger eine zugleich wirtschaftliche Versorgung organisieren.“

Die kritischen Äußerungen des BPI bezeichnen die Apothekerverbände und Krankenkassen gleichermaßen als Panikmache, die Patienten grundlos verunsichere. Denn wie in den Vorjahren sehe die Impfstoffvereinbarung vor, dass Ärzte Grippeimpfstoffe nicht nur einen Wirkstoff, sondern grundsätzlich alle am Markt befindlichen Hersteller verordnen können. Auch wenn ein besonders wirtschaftlicher Festpreis vereinbart sei, übernähmen die Krankenkassen auch für andere Impfstoff-Verordnungen der Ärzte problemlos die Kosten. Dies sei bereits langjährige Praxis, zum Beispiel für Impfstoffe mit besonderen Eigenschaften, bei denen Ärzte ein spezielles Präparat verordnen.

AOK und Apothekerverbände erklären im Übrigen, dass die Wettbewerbszentrale bereits die Aussagen des BPI beanstandet habe und nunmehr prüfe, gerichtlich gegen den Verband vorzugehen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Immerhin gibt es Vereinbarungen über Vierfach-Impfstoff!

von Kiwei am 20.03.2018 um 8:05 Uhr

Anders als hier in Baden-Württemberg, wo nach wie vor der unsägliche Rabattvertrag über zwei Dreifach-Impfstoffe besteht. Kein Arzt kann und will sich bislang dazu äußern, von welchem Impfstoff er voraussichtlich wieviele Dosen benötigt. Der schwarze Peter wird aus Angst vor Regressen der KV zugeschoben, die mit Ihrer Aussage diese Angst noch schürt. Die Krankenkassen haben sich bislang vornehm zurück gehalten. Die Dummen werden in der kommenden Saison die Patienten sein. Vielleicht werden sie nur den Dreifach-Impfstoff bekommen; wenn für Baden-Württemberg überhaupt genügend Impfstoffe zur Verfügung stehen. Denn ohne entsprechende Zahlen durch Vorbestellungen wird kein Hersteller Millionen von Impfdosen produzieren, auf denen er nachher sitzen bleibt.

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