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EU-Nutzenbewertung
Bundestag: Arzneimittelpreise gehören nicht in die EU!
Einstimmig hat der Bundestag am heutigen Donnerstag beschlossen, eine Subsidiaritätsrüge gegen die EU-Kommission zu verhängen. Konkret geht es um deren geplante EU-Nutzenbewertung für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Fraktionen lassen kein gutes Haar an dem EU-Vorhaben und stellen klar, dass Gesundheitsfragen in den Mitgliedsstaaten und nicht in der EU geklärt werden.
Die Subsidiaritätsrüge des Bundestages gegenüber der EU-Kommission in Sachen Nutzenbewertung ist beschlossene Sache. Am heutigen Donnerstag stimmten die Regierungsfraktionen sowie alle Oppositionsfraktionen für einen entsprechenden Antrag, den Union, SPD, Grüne und FDP gemeinsam und fraktionsübergreifend gestellt hatten. Weil sich die Union grundsätzlich weigert, mit der Linken und der AfD Anträge zu beschließen, musste die Linksfraktion einen eigenen Antrag ins Parlament einbringen, der zwar fast gleichlautend formuliert war, aber keine Mehrheit fand.
Um was geht es bei der Rüge? Das EU-Kommissariat für Gesundheit hatte Ende Januar einen Verordnungsentwurf vorgestellt, der die Arzneimittelpolitik in den EU-Mitgliedsstaaten stark beeinflussen würde. Demnach sollen alle Nutzenbewertungssysteme für Arzneimittel und einige Medizinprodukte in den EU-Mitgliedsstaaten gleichgestellt werden. Dem EU-Vorschlag zufolge sollen künftig Experten aus allen Staaten in einer Koordinierungsgruppe zusammenkommen, um über den Zusatznutzen von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu entscheiden. Besonders brisant ist der Entwurf, weil die Entscheidungen dieser Gruppe für alle EU-Staaten bindend sein sollen. Die hierzulande erst 2011 mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) etablierte frühe Nutzenbewertung wäre somit obsolet.
Die neuen gesundheitspolitischen Sprecherinnen der Regierungsfraktionen, Karin Maag (CDU) und Sabine Dittmar (SPD), hatten schnell festgestellt, dass sie gegen einen solchen Eingriff seien und eine Rüge angedroht. In der Begründung der nun beschlossenen Rüge kritisiert der Bundestag die EU-Nutzenbewertung aufs Schärfste. Grundsätzlich erinnern die Parlamentarier die EU an den Grundsatz, dass Gesundheitspolitik Sache der Mitgliedstaaten ist. Wörtlich heißt es in dem Antrag: „Der Vorschlag greift in der derzeitigen Ausgestaltung – mindestens mit Blick auf die Verpflichtung nach Art. 8 des Vorschlags – in die rechtlich geschützte Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und medizinischen Versorgung ein.“
Bundestag: Kein Eingriff in das bewährte AMNOG-Verfahren
Diesen sogenannten Subsidiaritätsgrundsatz sieht das Parlament verletzt, weil der EU-Vorschlag Regelungen enthält, die „Auswirkungen auf die Ausgestaltung der nationalen Gesundheitssysteme haben“. Der Bundestag befürchtet insbesondere, dass die EU-Nutzenbewertungs-Beschlüsse zu Arzneimitteln die Preisbildung hierzulande beeinflussen könnten. Dementsprechend heißt es: „Die Erstellung von HTA-Berichten und insbesondere die auf dieser Basis getroffenen Bewertungsentscheidungen determinieren in hohem Maße die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit und die Preisbildung.“
Außerdem erachtet das Parlament die EU-Vorschläge als unverhältnismäßig. Wörtlich heißt es dazu: „Eine umfassende Harmonisierung von HTA auf EU-Ebene mit verpflichtender Übernahme der gemeinsam erstellten klinischen Bewertungen ist eine sehr weit gehende Maßnahme. Es bestehen Bedenken, ob die angestrebten Ziele der Vermeidung von Doppelarbeit und ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes durch den Abbauadministrativer Hürden für Hersteller von Gesundheitstechnologien nicht auch über freiwillige Kooperationen auf EU-Ebene erreicht werden können (…).“
Und so kommt das Parlament in der Begründung zu dem Schluss: „Die Ausgestaltung des Verfahrens ist im Detail nicht überzeugend und bringt viele Unklarheiten mit sich. (…) Es besteht bei der Umsetzung des Vorschlags der Europäischen Kommission grundsätzlich die Gefahr, dass dies zur Abwertung von Standards der Nutzenbewertung in Deutschland führt. Dies stellt einen Eingriff in das bewährte AMNOG-Verfahren von Arzneimitteln dar.“
Ob die Rüge überhaupt etwas bewirkt, wird sich noch zeigen. Denn erst wenn ein Drittel aller Mitgliedsstaaten sich über das Vorhaben beschwert, muss sich die EU-Kommission mit der Rüge beschäftigen.
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