Grünen-Anfrage

BMG: „Meinungsbildung“ zum Rx-Versandverbot nicht abgeschlossen

Berlin - 29.03.2018, 11:00 Uhr

Meinungsbildung nicht beendet: Das BMG teilt mit, dass sich die Koalition in der Frage zum Rx-Versandverbot immer noch eine Meinung bilden muss - trotz des Koalitionsvertrages. (Foto: Sket)

Meinungsbildung nicht beendet: Das BMG teilt mit, dass sich die Koalition in der Frage zum Rx-Versandverbot immer noch eine Meinung bilden muss - trotz des Koalitionsvertrages. (Foto: Sket)


Viele Apotheker fragen sich: Wie geht das „neue“ Bundesgesundheitsministerium mit dem geplanten Rx-Versandverbot um? Im Koalitionsvertrag ist jedenfalls klar festgehalten, dass sich die Große Koalition dafür einsetzen will. So klar scheint das für das BMG aber nicht zu sein: In einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen schreibt das Ministerium, dass der Meinungsbildungsprozess zu dem Thema noch nicht abgeschlossen sei. Die Grünen jedenfalls wollen weiter gegen das Verbot kämpfen und werfen der Union Wahlbetrug vor.

Nach monatelangem Ringen hatte sich die Union in den Koalitionsverhandlungen gegen die SPD durchgesetzt: In dem Vertrag heißt es nun, dass sich die Große Koalition für ein Rx-Versandverbot einsetzen will. Unionspolitiker erklärten in der vergangenen Woche im Bundestag, dass man mit dem Verbot nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung wieder eine Gleichbehandlung zwischen Apothekern und EU-Versendern herstellen und die Zukunft der Apotheken vor Ort sichern wolle.

Neben der SPD-Bundestagsfraktion waren die Grünen in der vergangenen Legislaturperiode die entschlossensten Gegnder des Verbotes. Die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche und ihre Fraktion hatten im vergangenen Jahr einen Gesetzesantrag eingebracht, in dem sie eine Höchstpreisregelung sowie neue finanzielle Unterstützungen für Landapotheken einforderten. Anfang März hat Schulz-Asche nachgesetzt und eine Kleine Anfrage an das Bundesgesundheitsministerium zum Rx-Versandverbot geschickt. Der Titel: „Finanzielle Risiken für den Bundeshaushalt durch das beabsichtigte Verbot des Versandhandels für verschreibungspflichtige Arzneimittel“.

Die Grünen fragen unter anderem nach juristischen Bedenken mit Blick auf das Verbot, außerdem geht es um „fiskalische Risiken“, die sich laut Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums (BMF) durch das Verbot ergeben könnten. In insgesamt 18 Fragen wollen die Grünen wissen, ob der Bundesregierung inzwischen neue Zahlen und Fakten für ein Verbot vorliegen. Die Antwort des Ministeriums liegt nun vor. Auf insgesamt neun der 18 Fragen geht die neue parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss (CDU) gar nicht erst ein.

Bemerkenswert ist allerdings, dass das BMG als Antwort auf die meisten Fragen der Grünen eine Floskel vorlegt, die es im vergangenen Jahr des Öfteren zum Thema Rx-Versandverbot nutzte – als es noch gar keine „Einigung“ zum Verbot gab. So steht in der Antwort des Ministeriums: „Der Meinungsbildungsprozess über die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung ist zu diesem Punkt noch nicht abgeschlossen.“ Diese Formulierung dürfte vielen Apothekern Sorgen bereiten. Schließlich war davon auszugehen, dass ein im Koalitionsvertrag festgehaltener Passus gar keinen „Meinungsbildungsprozess“ mehr benötigt.

BMG: Keine Probleme mit Staatshaftung

Auf die Frage, wie viele Apotheke von einem möglichen Rx-Versandverbot betroffen wären, zitiert das BMG aktuelle Zahlen des Deutschen Institutes für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) und des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken. (BVDVA). Demnach haben 3620 Apotheken eine Versandhandelserlaubnis, im Versandhandels-Register sind allerdings „nur“ 1272 Apotheken gelistet. Laut BVDVA betreiben allerdings nur rund 150 Apotheker einen „ernstzunehmenden Versandhandel“. Wie viele Mitarbeiter bei den Versendern beschäftigt sind und somit auch vom Verbot betroffen wären, weiß die Bundesregierung nicht. Auch der Gesamtumsatz, der den Versendern durch das Verbot wegfallen würde, ist dem BMG nicht bekannt.

In ihrer Anfrage beschäftigten sich die Grünen vorwiegend mit den fiskalischen Risiken des Verbotes und dem Thema der Staatshaftung. Die Fraktion wollte wissen, ob die Bundesregierung mit einem eventuell rechtswidrigen Rx-Versandverbot in Staatshaftung genommen werden könne. Der BVDVA hatte im vergangenen Jahr ein Gutachten vorgelegt, in dem diese These aufgebracht worden war. Daraufhin hatte auch das Finanzministerium hatte auf dieses Risiko hingewiesen. Doch die Bundesregierung sieht ein solches Risiko nicht. Das BMG erklärt dazu: „Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch setzt voraus, dass ein Mitgliedstaat die Grenzen seines Handlungsermessens offenkundig und erheblich überschritten hat.“ Dafür müsse nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein willkürlicher oder vorsätzlicher Verstoß vorliegen. „Die Bundesregierung wird die Möglichkeiten ihres mitgliedstaatlichen Handlungsermessens beachten“, verspricht Weiss. Grundsätzlich erinnert sie daran, dass alle beschlossenen Gesetzentwürfe aus Sicht des Ministeriums im Einklag mit dem EU-Recht und nationalem Verfassungsrecht stehen. Der im vergangenen Jahr vorgelegte Referententwurf zum Rx-Versandverbot wurde allerdings nie von der Bundesregierung beschlossen.

BMG hat Alternativen zum Rx-Versandverbot geprüft

Interessant ist auch, dass das BMG einräumt, Alternativen zum Rx-Versandverbot geprüft zu haben. Ziel dieser Überlegungen sei es gewesen, „eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung durch Apotheken zu erhalten“. Zu welchem Schluss das Ministerium bei dieser Suche nach Alternativen gekommen ist, wird allerdings nicht erwähnt.

Grüne: Spahn-Ministerium ist nackt und betreibt Wahlbetrug

Die Grünen-Arzneimittelexpertin Schulz-Asche hat kein Verständnis für die recht inhaltsfreie Antwort aus dem Ministerium. Sie erklärt: „Das Vorgehen des unionsgeführten Gesundheitsministeriums grenzt an Wahlbetrug. Das ganze Jahr 2017 über hat die Union den Apothekern den Mund mit dem rechtlich und politisch fragwürdigen Versandverbot wässrig gemacht. Jetzt stellt sich heraus: Das Spahn-Ministerium ist nackt. Nicht mal ansatzweise kann eine für einen Gesetzentwurf erforderliche Begründung für das Versandverbot vorgelegt werden.“

Hinsichtlich des noch laufenden Meinungsbildungsprozesses teilt Schulz-Asche mit: „Die Wahrheit ist, dass es schlicht keine guten Gründe dafür gibt, den seit 2004 in Deutschland erlaubten Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wieder zu verbieten.“ Und so kündigt die Grünen-Politikerin an: „Wir lassen jedoch nicht locker und werden unsere Anfrage so oft wiederholen, bis die Bundesregierung von ihrem aussichtslosen Vorhaben endlich ablässt und sich stattdessen tatsächlich der Stärkung der Apotheke vor Ort widmet.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Alternativen zum Harz 4

von Bernd Jas am 29.03.2018 um 13:47 Uhr

Lieber Herr Dr Schweikert-Wehner,
in Regierungskreisen wird gerade darüber diskutiert Harz 4 abzuschaffen.
Noch nicht mal das gönnt man uns.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Alternativen zum Harz 4

von Heiko Barz am 30.03.2018 um 12:59 Uhr

Aber lieber Kollge Jas, sie werden doch dann durch das bedingungslose Grundeinkommen aufgefangen. Nur nicht so schwarz sehen.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Barz

Alternativen zum Rx Versandverbot

von Robert Sibbel am 29.03.2018 um 11:53 Uhr

Machen wir uns doch nichts vor: Herr Spahn ist ein engagierter Politiker der seine Karriere nicht von einem Zugeständnis an die Apotheker beschädigen lassen möchte. Er sieht sehr genau die Stimmung und veröffentlichte Meinung zu diesem Thema und möchte einen shitstorm in dieser Hinsicht vermeiden.
Welche Altenative gibt es, um unser wirklich wichtiges Ziel - der einheitliche Rx Abgabepreis - zu erreichen? Mit den Rx Versendern können wir ohne deren Rabatte ja leben.
Irgendwo gab es mal einen Vorstoß einer SPD Gruppierung (aus Bayern?). Die jetzigen Gesetze würden ja schon reichen, wenn die Krankenkassen die rabatt-gewährenden Versender von der Erstattung ausschließen würden. Das Recht dazu soll in den Lieferverträgen stehen. Ist das ein gangbarer Weg? Wer fängt die Kassen dazu ein? Warum hört man davon nichts mehr? Wahrscheinlich bin ich zu naiv und der Druck bzw. die Macht der Kassen zu stark.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Alternativen zum Rx Versandverbot

von Dr Schweikert-Wehner am 29.03.2018 um 12:02 Uhr

Der Kaiser ist nackt. Nun stehen wir mit leeren Händen da und viele werden das Ende der Legislaturperiode als Harz 4 Empfänger erleben dürfen.

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