Arzneimittelmissbrauch in den USA

Neue, erschreckende Opioid-Analysen

Remagen - 09.04.2018, 16:05 Uhr

Die Zahlen des Arzneimittelmissbrauchs in den USA sind erschreckend, Apotheken müssen immer häufiger Antidots abgeben. (Foto: Imago)

Die Zahlen des Arzneimittelmissbrauchs in den USA sind erschreckend, Apotheken müssen immer häufiger Antidots abgeben. (Foto: Imago)


Ende August des letzten Jahres hatte US-Präsident Donald Trump wegen der ausufernden Risiken durch Opioide in den USA einen „nationalen Gesundheitsnotstand“ ausgerufen. Ob das etwas genutzt hat, um dem seit Jahren schwelenden Problem beizukommen? Jedenfalls nehmen die Schreckensnachrichten scheinbar kein Ende.

Anfang März 2018 haben die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) erneut Alarm geschlagen. Die wachsende Sorge gründet sich auf einen neuen Bericht über Einweisungen in Notfallaufnahmen wegen Opioid-Überdosierungen. Hiernach hat die Zahl der Notfallaufnahmen wegen vermuteter Opioid-Überdosen zwischen Juli 2016 und September 2017 in allen Teilen der USA um 30 Prozent zugenommen. Der Anstieg betrifft Männer und Frauen und alle Altersgruppen und Regionen, unterscheidet sich aber je nach Staat und Stadt- bzw. Landbevölkerung. Nach Daten aus dem National Syndromic Surveillance Program (NSSP)  wurden in allen fünf Regionen der USA Anstiege vermerkt,  die höchsten im mittleren Westen mit 70 Prozent und die niedrigsten im Südosten mit 14 Prozent. Die größten Zunahmen wurden in den Metropolregionen mit mehr als einer Million Einwohner beobachtet.

Häufig nicht nur einmal

„Die Forschung zeigt, dass Personen mit einer Opioid-Überdosis eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, dass das noch mal vorkommt”, sagt der Verhaltenswissenschaftler Alana Vivolo-Kantor vom CDC National Center for Injury Prevention and Control. „Anweisungen für die Nachbehandlung von Überdosierungen einschließlich der Ausstattung mit Naloxon und die Überführung der Betroffenen in eine weitere Behandlung sind deshalb dringend erforderlich.“

Leitlinie zur Behandlung chronischer Schmerzen angepasst

Das CDC ruft die lokalen Gesundheitsbehörden angesichts der neuen Zahlen zu einer verstärkten Zusammenarbeit auf. Sie sollen sich schneller über die jeweiligen Verhältnisse unterrichten, die Behandlung von Abhängigen verbessern und darauf drängen, dass die Verschreibungsrichtlinie der CDC zu Opioiden gegen chronische Schmerzen in der Praxis beachtet wird

Diese hatten die CDC Ende August letzten Jahres angepasst. Während die Vorsichtshinweise in der vorherigen Version auf „Hochrisiko-Patienten“ abgestellt hatten, wird nun ein Risiko für alle Patienten angenommen. Die derzeitigen Instrumente könnten das Risiko von Missbrauch und anderen Schädigungen nicht ausschließen, wird weiter festgestellt. Deshalb müsse die Sicherheit der Versorgung unbedingt erhöht werden und die Anwendung besser überwacht werden. Außerdem enthält die aktualisierte Leitlinie spezifischere Vorgaben zum Absetzen der Therapie, wenn die Risiken dem Nutzen überwiegen

Häufig gegen Rückenschmerzen

Verschreibungen von Opioiden gegen chronische Schmerzen über eine Dauer von mehr als 30 Tagen, haben in den USA seit 2006 um 55 Prozent zugenommen, und zwar von 17 auf 27 Rezepte pro 100 Amerikaner im Jahr 2016. Eine Studie aus dem Jahr 2008 hat ergeben, dass Opioide für mehr als die Hälfte der Patienten mit chronischen Schmerzen konkret gegen Rückenschmerzen (lower back pain) verschrieben worden waren

Nach den Schmerzrichtlinien der CDC werden sie dafür als Erstlinien-oder Routinemedikation jedoch keineswegs empfohlen. Die Klinische Praxisleitlinie der Amerikanischen Schmerzgesellschaft schlägt hierfür als Erstlinientherapie vielmehr Paracetamol oder NSAR zusammen mit anderen nicht-pharmakologischen Optionen vor, sofern die Rückenschmerzen auf eine Selbstbehandlung nicht ansprechen.

„Wir alle kennen jemanden“

Vor wenigen Tagen präsentierten die Centers for Disease Control and Prevention eine weitere eingehenden Analyse der US-Daten zu Überdosierungen. Hiernach breitet sich die Epidemie sowohl geographisch als über demographische Gruppen weiter aus. Einzelheiten dazu sind in der Mitteilungsreihe der CDC „Morbidity and Mortality Weekly Report“ (MMWR) nachzulesen.

„Keine Region in den Vereinigten Staaten ist von dieser Epidemie ausgenommen“, sagt die erste stellvertretende Direktorin der CDC Anne Schuchat, „wir alle kennen einen Freund, ein Familienmitglied oder jemanden, den wir lieben, der durch Opioide zugrunde gerichtet wurde.“

Die CDC-Analyse, die auf Daten von 2015 und 2016 aus 31 Bundestaaten und Washington, D.C. basiert, hat unter anderem gezeigt, dass die Todesfälle durch Überdosen synthetischer Opioide in 21 Staaten angestiegen sind, wobei die Raten sich in zehn Staaten von 2015 bis 2016 verdoppelt haben. Aus der Sicht der CDC deuten die neuen Auswertungen darauf hin, dass die jüngste Zunahme vor allem auf den steilen Anstieg bei synthetischen Opioiden, wie etwa illegal hergestelltes Fentanyl zurückzuführen ist. In acht Staaten wurden außerdem signifikante Steigerungen der Todesfälle durch verordnungsfähige Opioide verzeichnet.

Fünf-Punkte-Strategie

Die CDC setzen nun weiter auf eine enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen in den Bundesstaaten, um das US-Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste so gut wie möglich bei seiner „fünf-Punkte-Strategie“ zur Bekämpfung der Opioid-Krise zu unterstützen. Diese beinhaltet die Verbesserung des Zugangs zu Prävention, Behandlung und Rehabilitation, einschließlich der gesamten Arzneimittel-gestützten Therapie, die gezieltere Verbreitung von Antidoten, die Stärkung der Überwachung durch eine zeitnahe Gesundheitsberichterstattung, die Unterstützung der Spitzenforschung zu Schmerz und Sucht und Förderung einer besseren Praxis bei der Schmerzbekämpfung.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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