Neue EU-Verordnung zu Acrylamid tritt in Kraft

„Acrylamid in Lebensmitteln gefährlicher als Stickoxide“

Stuttgart - 11.04.2018, 09:00 Uhr

Die Maillard-Reaktion lässt leckere, braune Krusten enstehen – aber auch das toxische Acrylamid. (Foto: cowö / Stock.adobe.com)

Die Maillard-Reaktion lässt leckere, braune Krusten enstehen – aber auch das toxische Acrylamid. (Foto: cowö / Stock.adobe.com)


Für Pommes, Chips, Brot, Frühstückscerealien, Kekse und Kaffee gelten seit dem heutigen Mittwoch neue EU-Vorgaben hinsichtlich Acrylamid. Die Europäische Union will damit die Konzentration des giftigen Stoffes in diesen Lebensmitteln reduzieren. Acrylamid ist kanzerogen – und nach Einschätzung des EU-Abgeordneten Dr. Peter Liese gefährlicher als Fipronil, Glyphosphat oder Diesel-Stickoxide.

Neue EU-Vorgaben sollen die Konzentrationen an Acrylamid in Lebensmitteln reduzieren. Die Verordnung hierzu tritt am heutigen Mittwoch in Kraft und legt Maßnahmen fest, wie künftig der Acrylamidgehalt bestimmter Nahrungsmittel gesenkt werden soll.

Acrylamid toxisches Nebenprodukt beim Backen, Frittieren oder Rösten

Bestimmte Lebensmittel sind somit hinsichtlich ihres Acrylamidgehalts besonders belastet: Chips, Kartoffelpuffer, Pommes Frites, Knäckebrot, Kekse oder Kaffee. Warum? Acralymid ist ein lästiges Nebenprodukt einer eigentlich erwünschten Reaktion. Die chemische Maillard-Reaktion aus Aminosäuren mit reduzierenden Zuckern ist für Bräunungsreaktionen beim Backen oder Frittieren verantwortlich – und auch für die dadurch entstehenden leckeren Röstaromen. Kartoffel- und Getreideprodukte enthalten einen hohen Anteil der Aminosäuren Asparagin und Glutamin. Bei sehr hohen Temperaturen – wie beim Frittieren, Backen oder Rösten – entsteht aus diesen Aminosäuren in Anwesenheit von reduzierenden Zuckern im Zuge der Maillard-Reaktion unerwünscht Acrylamid.

Was ist so gefährlich an Acrylamid?

Acrylamid ist nachweislich mutagen, auch wenn bislang nur Tierversuche diesen Beleg erbracht haben. Die Nager erhielten etwa 300 bis 10.000 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht Acrylamid pro Tag – Dosen, die Menschen in der Regel nicht aufnehmen. Zum Vergleich: Die Acrylamid-Belastung durch Lebensmittel wird durchschnittlich mit 0,3 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht veranschlagt. Die neue EU-Verordnung beschneidet mit ihrer neuen Verordnung allerdings nur den Acrylamidgehalt von Lebensmitteln. Dabei belastet Rauchen den Körper mit Acrylamid deutlich stärker: Rauchen stellt in der Allgemeinbevölkerung die größte Quelle des Acrylamidübels mit 0,5 bis zwei Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht dar.

Welche Maßnahmen ergreift die EU?

Dr. Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter und Arzt begrüßt die ab heute geltenden strikteren Vorgaben hinsichtlich Acrylamid. Seiner Ansicht nach ist Acrylamid wesentlich gefährlicher als das aus dem Eier-Skandal bekannte Fipronil, das Pflanzenschutzmittel Glyphosat oder auch die derzeit heftig verteufelten Stickoxide der Dieselfahrzeuge. „Im Gegensatz zu den vorgenannten Stoffen ist es in der Wissenschaft so gut wie unumstritten, dass Acrylamid in den Dosen, welche viele Menschen zu sich nehmen, das Risiko erhöht, an Krebs zu erkranken“, erklärt der Mediziner. Liese sieht in Acrylamid ein „echtes Gesundheitsproblem“.

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EU macht bei Acrylamid ernst

Zu den mit dem heutigen Mittwoch in Kraft tretenden Maßnahmen gehört unter anderem eine Farbsortierung für Kartoffelchips nach dem Frittieren. Auch die Lagertemperatur für Kartoffeln regelt die neue EU-Verordnung. Diese darf nicht unter 6 °C liegen. Lagertemperaturen darunter gehen mit einem Anstieg der Fructosekonzentration in der Kartoffel einher. Dies wiederum führt beim Verarbeitungsprozess Braten oder Frittieren zu einer höheren Acrylamidbildung.

Doch auch bereits bei der Auswahl der Ausgangsprodukte macht die EU nun Vorgaben: Die Lebensmittelhersteller sollen Kartoffelsorten verwenden, die einen geringen Gehalt an Acrylamidvorstufen (Asparagin, Fructose, Glucose) enthalten. 

Was kann der Verbraucher tun, um die Acrylamidkonzentratin zu senken?

Die Verbraucher, in gastronomischen Betrieben die Endverwender, sollten auf eine möglichst geringe Garzeit und Zubereitungstemperatur achten und ein übermäßiges Braten oder Frittieren vermeiden. „Zielfarbe" ist „goldgelb“. Die Temperatur sollte beim Frittieren nach Empfehlungen der EU bei 165-175 °C liegen, beim Backen im Bereich von 180-220 °C. Ofenerzeugnisse sollten die Endverwender nach der Hälfte der Backzeit wenden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Beweise! Beweise!

von Bernd Jas am 11.04.2018 um 23:09 Uhr

Warum, fragt sich der normal schmeckende Mensch, läuft mir schon allein bei dem Gedanken an das dunkele angebratene aus dem Steakpfannengrund das Wasser im Munde zusammen? Und warum kann man damit die besten Saucen zaubern? Lecker braunkrustiges Brot, - hmmm..! Und so weiter.
Ich folge da lieber folgendem Zitat dem Herrn Pollmer (mit freundlicher Genehmigung des Autors!) :

„Die EU begründet ihr Treiben mit dem Hinweis, Acrylamid sei krebserzeugend. Stimmt – im Tierversuch. Doch beim Menschen liegt die Sache anders. In vielen Studien wurde die Krebshäufigkeit mit dem Acrylamid im Essen in Beziehung gesetzt, doch so gut wie nie wurde die erwartete Steigerung der Krebsrate beobachtet. Im Gegenteil: Mit steigender Acrylamidzufuhr nahm der Darmkrebs sogar ab. Nicht weil Acrylamid vor Krebs schützt, sondern weil die dunklen Röststoffe Tumorzellen abtöten. So das Ergebnis einer Studie der Uni Kaiserslautern.

Wir Menschen nutzen das Feuer zur Zubereitung unserer Nahrung vermutlich seit einer Million Jahren. Wer die neugebildeten Stoffe nicht vertragen hat, wurde bereits in den ersten 10.000 Jahren der menschlichen Evolution herausgemendelt. Ganz im Gegensatz zu Nagetieren. Die zündeln eher selten und reagieren deshalb empfindlich.“

Also in diesem Sinne; Mahlzeit!

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