Anreize der Pharmaindustrie

US-Studie: Zahlungen an Ärzte beeinflussen Verordnungsverhalten

Remagen - 17.04.2018, 14:15 Uhr

Dass die Pharmaindustrie versucht, das Verordnungsverhalten von Ärzten zu beeinflussen, ist kein Geheimnis. Eine US-Studie hat nun aber belegt, dass die Maßnahmen der Industrie wirken. (Foto: Imago)

Dass die Pharmaindustrie versucht, das Verordnungsverhalten von Ärzten zu beeinflussen, ist kein Geheimnis. Eine US-Studie hat nun aber belegt, dass die Maßnahmen der Industrie wirken. (Foto: Imago)


Im nächsten Jahr das Arzneimittel des Geldgebers verordnet

Im Vergleich zu den Onkologen, die kein Geld bekommen haben, wiesen diejenigen, die von einem Arzneimittel-Hersteller allgemeine Zahlungen angenommen hatten, höhere Wahrscheinlichkeiten auf, die Präparate der jeweiligen Unternehmen zu verschreiben. Im Falle des metastasierten Nierenzellkarzinoms war die Wahrscheinlichkeit bei den Ärzten die 2013, also im Jahr vor der Verordnung, irgendeine allgemeine Zahlung bekommen hatten (89 von 354 Ärzten), doppelt so hoch. Für die chronisch-myeloische Leukämie (879 von 2225 Ärzte mit allgemeinen Zahlungen) lag sie um 29 Prozent höher, dass sie das Arzneimittel des Geldgebers rezeptierten. Bei den Zuwendungen, die nur für klinische Studien geflossen waren, fanden die Wissenschaftler fanden keinen so konsistenten Zusammenhang. „Die Haupt-Botschaft ist, dass Onkologen, die von einer Pharmafirma Geld bekommen haben, im darauffolgenden Jahr eher dazu neigten, das Arzneimittel dieser Firma zu verschreiben“, resümiert der Leitautor der Studie Aaron Mitchell.  

Verordnungsverhalten „umswitchen“

Die Analyse der Daten bezogen auf einzelne Wirkstoffe förderte noch ein weiteres interessantes Phänomen zutage: Für alle konnte eine Assoziation zwischen den Zuwendungen und dem ansteigenden Verordnungsanteil des jeweiligen Medikaments einer Firma im folgenden Jahr gezeigt werden, nur nicht für Imatinib. Hier fanden die Forscher eine statistisch signifikante Abnahme der Verwendung gegen Leukämie, wenn die Ärzte Zahlungen erhielten. Wie könnte das zu erklären sein? Der Hersteller, von dem das Geld gekommen war, hatte sowohl Imatinib als auch Nilotinib im Programm. Da der Patentschutz für Imatinib in absehbarer Zeit auslaufen sollte, interpretieren die Autoren diesen Befund dahingehend, dass das Unternehmen das Verordnungsverhalten der Ärzte mit den Zahlungen von Imatinib auf das neuere Nilotinib „umswitchen“ wollte. Bewiesen sei dieses „Ursache und Wirkung”-Prinzip damit aber gleichwohl noch nicht, geben die Wissenschaftler einschränkend zu bedenken.  

Nur teilweise Transparenz in Deutschland

In Deutschland wurde 2015 die Initiative „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) mit dem „Transparenzkodex“ angestoßen. Hiernach verpflichten sich derzeit 56 Pharmafirmen, neben den Gesamtsummen jeweils eine Liste mit den Namen einzelner Ärzte und den an sie gezahlten Zuwendungen zu veröffentlichen. Namentlich dürfen diese aber nur genannt werden, wenn sie dem zugestimmt haben. Nach Schätzung des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) und der FSA umfassen die Leistungen von Unternehmen an Ärzte sowie Angehörige der Fachkreise und Institutionen der Medizin im Jahr 2016 ca. 562 Mio. Euro. Davon entfielen ca. 356 Mio. Euro auf die Zusammenarbeit im Bereich Forschung, 105 Mio. Euro auf den Bereich Fortbildung und Vorträge und ca. 101 Mio. Euro auf die Unterstützung von Veranstaltungen und Institutionen.

Durch das Antikorruptionsgesetz gilt seit dem Sommer 2016 eine ähnliche Regelung. Laut dem Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen ist der Straftatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen für Heilberufe nun im Strafgesetzbuch verankert. Das Recherchenetzwerk Correctiv hatte im vergangenen Jahr zudem eine Datenbank veröffentlicht, in der ersichtlich wird, wie viel die einzelnen Ärzte von Pharmaunternehmen kassiert haben.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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