Katastrophenpharmazie

Apotheker ohne Grenzen: Was Einsatzkräfte wissen müssen

Berlin - 19.04.2018, 09:00 Uhr

Damit die Entwicklungszusammenheit den Menschen vor Ort nachhaltig hilft, ist es wichtig, deren Situation und Bedürfnisse gut zu kennen. Dr. Carina Vetye in einem Slum von Buenos Aires. (Foto: Apotheker ohne Grenzen) Fotostrecke

Damit die Entwicklungszusammenheit den Menschen vor Ort nachhaltig hilft, ist es wichtig, deren Situation und Bedürfnisse gut zu kennen. Dr. Carina Vetye in einem Slum von Buenos Aires. (Foto: Apotheker ohne Grenzen)


Zusammenarbeit mit Community Health Workers

Neben der Katastrophenhilfe ist AoG auch in zahlreichen Langzeit-Projekten tätig. Ein wichtiger Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit ist der Austausch mit den so genannten „Community Health Workers“ (CHWs). Diese sind zumeist medizinische Laien und übernehmen in vielen infrastrukturschwachen Regionen in Afrika oder Südamerika die Gesundheitsversorgung. Die CHWs arbeiten teilweise ehrenamtlich in Gesundheitseinrichtungen, wo die Menschen auch Arzneimittel bekommen können. Als Teil ihrer Gemeinde kennen die lokalen Gesundheitshelfer ihre Patienten persönlich. Beobachten sie beispielsweise, dass ein junges Mädchen schwanger sein könnte, suchen sie das Gespräch mit den Eltern.

Apotheker ohne Grenzen unterstützt die Gesundheitskräfte vor Ort mit pharmazeutischem Fachwissen. Apothekerin Dr. Carina Vetye, die für AoG seit 2002 hauptamtlich ein Gesundheitszentrum in einem Elendsviertel in Buenos Aires betreut, hat ihre Schulungen an die Gegebenheiten vor Ort angepasst.

Hilfe zur Selbsthilfe ist Knochenarbeit

Vetye wies darauf hin, dass die medizinischen Laien oft ihre eigenen Erklärungen für gesundheitliche Phänomene haben. „Wenn man Insulin bekommt, stirbt man“, glauben beispielsweise einige Menschen in Argentinien. Wie sie darauf kommen, erklärt die erfahrene Einsatzkraft wie folgt: „Da viele Diabetes-Typ-2-Patienten viel zu spät auf Insulin eingestellt werden, ist deren Sterblichkeit bereits hoch, wenn sie mit dem Spritzen anfangen. Hier müssen wir den CHWs bei der Interpretation helfen.“

Die vielfach zitierte „Hilfe zur Selbsthilfe“ braucht nach Ansicht von Vetye allerdings mehr Zeit als angenommen. So klärt die Apothekerin schon seit 2002 in Buenos Aires über Zahnhygiene auf. Nach zehn Jahren ist dort die Kariesrate um 66 Prozent zurückgegangen. „Da reicht es nicht, ein paar Zahnbürsten zu verteilen oder vereinzelte Schulungen zu halten. Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit ist Knochenarbeit“, betonte Vetye.

Apotheker ohne Grenzen
Apothekerin Dr. Carina Vetye klärt über Zahnhygiene auf.


Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Katastrophenpharmazie brilliant zusammengefasst

von M. Arlt am 19.04.2018 um 12:14 Uhr

Als ich seinerzeit an einer Schulung der Bundesregierung für Apotheker im Katastropheneinsatz teilnahm, wurde mir erstmalig deutlich vor Augen geführt an welchen "Kleinigkeiten" gut gemeinte Hilfe scheitern kann und an welche persönlichen Grenzen vor Ort tätige Kolleginnen und Kollegen stoßen. Der Artikel arbeitet diese Diametralität in einer bemerkenswerten Qualität auf und ermutigt hoffentlich viele Realistinnen und Realisten sich im Ausland wie auch Inland zu beteiligen.

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