Versandhandel im „Mittagsmagazin“

ARD-Redaktion gesteht Fehler in Apotheken-Beitrag ein

Berlin - 18.05.2018, 07:00 Uhr

Die für den Apotheken-Beitrag im ARD-Mittagsmagazin zuständige Redaktion gesteht einen Fehler ein. (Screenshot: www.ard.de)

Die für den Apotheken-Beitrag im ARD-Mittagsmagazin zuständige Redaktion gesteht einen Fehler ein. (Screenshot: www.ard.de)


Zwei TV-Beiträge im ARD-Mittagsmagazin über die Rolle des Versandhandels sorgten Ende April für großen Ärger im Apothekerlager. Die Beiträge enthielten teils irreführende Behauptungen zur Apothekenzahl sowie die Empfehlung, flächendeckend Rx-Boni einzuführen. Nach einer Anfrage von DAZ.online gesteht die ARD-Redaktion jetzt zumindest einen Fehler ein. Was den Wunsch nach Rx-Boni betrifft, verweist die Redaktion auf den Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem, der sich wiederum „freie Marktwirtschaft“ bei Arzneimittelpreisen wünscht.

Die Folge des ARD-Mittagsmagazins am 25. April enthielt zwei Beiträge zum Arzneimittel-Versandhandel, die viele Apotheker verärgerten: Ein Erklär-Video zu den steigenden Gesundheitsausgaben, der Apothekenzahl und dem Versandhandel sowie eine Mini-Reportage über eine DocMorris-Kundin. In dem Erklär-Video stellte die ARD-Redaktion beispielsweise grob irreführend die Apothekenzahl dar. Der Zuschauer bekam den Eindruck, dass Deutschland überversorgt ist. Europaweit hätten nur Frankreich und Spanien mehr Apotheken, heißt es. Und: Es gebe hierzulande 24 Apotheken pro 100.000 Einwohner – doppelt so viele wie in den Niederlanden und drei Mal so viel wie in Dänemark. Dass Deutschland mit dieser Apothekendichte im Europa-Vergleich im unteren Mittelfeld liegt, blieb völlig unerwähnt.

Nach einigen weiteren Ungereimtheiten ging es in der ARD-Sendung weiter mit den steigenden Gesundheits- und Arzneimittelausgaben, dem Rx-Versand, seinem Marktanteil und Rx-Boni. Das Nachrichtenmagazin schließt sein Erklär-Video mit der wenig ausgewogenen Aussage: „Wenn alle Online-Apotheken Rabatte anbieten dürften, könnte das gesamte deutsche Gesundheitssystem profitieren.“

SWR: Ein Verweis auf den EU-Durchschnitt wäre hilfreich gewesen

DAZ.online hat bei der zuständigen Redaktion des Südwestdeutschen Rundfunks, die die Beiträge im Auftrag der ARD produziert hat, nachgefragt: Wie kam es zu den falschen Darstellungen beim Thema „Apothekenzahl“? Und warum empfiehlt ein öffentlich-rechtlicher Sender die Aufhebung der Rx-Preisbindung? Zumindest was die Zitate und Darstellungen zur Apothekenzahl betrifft, gesteht eine Redaktionssprecherin einen Fehler ein: „Wir haben in unserem Beitrag die Zahl der deutschen Apotheken pro 100.000 Einwohner angegeben. Ich gebe Ihnen Recht, dass ein Verweis beispielsweise darauf, dass sich Deutschland damit unter dem EU-Durchschnitt befindet, eine hilfreiche Einordnung für die Zuschauer gewesen wäre.“

Interessant ist auch die Antwort auf die Frage, warum in der Sendung empfohlen wird, flächendeckend Rx-Boni einzuführen, damit alle Versicherten profitieren könnten. Bei diesem Punkt holte sich die SWR-Redaktion offensichtlich „Expertise“ bei einem Gesundheitsökonomen, der den Apothekern bereits bestens bekannt ist: „Hier beziehen wir uns auf Aussagen von Prof. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinmanagement. Er argumentiert, dass – wenn man den Versandhandel nicht verbietet und auch den deutschen Onlineversandhändlern Rabattaktionen auf rezeptpflichtige Medikamente gestatten würde – die Krankenkassen Rabatte in großem Stil aushandeln könnten. Auf diese Weise würden dann, so Prof. Wasem, die Regeln der freien Marktwirtschaft greifen.“ Wann und wo Wasem diese Aussage getätigt haben soll, blieb zunächst unklar.

Warum wird nur DocMorris gezeigt?

Einige Apotheker reagierten auch empört über die Darstellungen in der zum ARD-Mittagsmagazin gehörigen Mini-Reportage. Darin wurde eine ältere Dame gezeigt, die vor den Kameras im DocMorris-Shop stöbert und erklärt, welche Vorteile der EU-Versender gegenüber den Vor-Ort-Apotheken habe. Kommentierend und werblich findet die SWR-Redaktion diese Darstellung aber nicht. „Unser Beitrag war ein Film mit Reportagecharakter, der anhand eines Einzelfalles die Thematik ‚online-Versandhandel bei verschreibungspflichtigen Medikamenten‘ darstellte. Bei solchen Formaten bleiben wir ganz grundsätzlich in der Erlebniswelt unserer Protagonisten. Unser Fallbeispiel Frau T. bestellt ausschließlich bei DocMorris, und deshalb haben wir auch genau das gezeigt. Unser Beitrag hatte nicht den Auftrag, über die Versandhandelsbranche im Allgemeinen zu berichten oder online-Versandhändler generell zu vergleichen. Eine werbliche Aussage über DocMorris findet an keiner Stelle des Filmes statt.“

Auf die Frage, warum das Mittagsmagazin komplett darauf verzichtet hat, auf die Vorteile und Alleinstellungsmerkmale der Apotheke vor Ort hinzuweisen, verweist die Redaktionssprecherin auf die Redaktionsstruktur und Arbeitsweise innerhalb der ARD: „Wir sind eine Zulieferredaktion für das ARD-Mittagsmagazin in Berlin. Die redaktionelle Entscheidung, welche thematischen Schwerpunkte in der Sendung gesetzt werden, welche Aspekte in den Beiträgen behandelt werden sollen, ob das Thema etwa um den von Ihnen genannten Punkt erweitert wird, ob es zusätzlich beispielsweise ein Studio-Gespräch zum Thema gibt, diese Entscheidung trifft die Redaktion beim rbb in Berlin.“

Apotheker-Kritik in den Kommentarspalten

In den Tagen nach der Ausstrahlung musste sich die ARD-Redaktion in ihren eigenen Kommentarspalten sowie in den sozialen Netzwerken heftige Kritik gefallen lassen. Auf der Internetseite der Sendung ist von „tendenziösem Erziehungs-TV“ oder „Schleichwerbung mit Gebührengeldern“ die Rede. Noch heftiger fällt die Kritik an dem öffentlich-rechtlichen Sender auf Facebook aus. Auch hier fragen sich die Kommentatoren unter anderem, ob „der Beitrag von DocMorris gesponsert“ sei. Schließlich seien es die Apotheken, die hierzulande Arbeitsplätze sichern und Steuern zahlen.

Schmidt beschwert sich

Und auch die ABDA reagierte auf die Diskussion. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt schrieb der ARD-Redaktion einen Brief. In dem Schreiben erklärte er, dass die Berichterstattung in der Apothekerschaft „Befremden ausgelöst“ habe, da im Hinblick auf eine ausgewogene Berichterstattung wichtige Fakten unerwähnt geblieben seien. Schmidt stört sich zum Beispiel an der Darstellung des Marktanteils von Versandapotheken: „Es wird auf den kleinen Markanteil der Versandapotheken von ca. 1 Prozent bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verwiesen. Unerwähnt dabei bleibt, dass der Marktanteil ausländischer Anbieter rasant wächst, seit die Preisbindung für sie nicht mehr gilt.“

Außerdem beschwerte sich Schmidt über die Aussage der ARD-Redaktion, dass das gesamte Gesundheitswesen profitieren könnte, wenn alle Apotheker Rx-Boni gewähren dürften. Der ABDA-Präsident dazu: „Das ist nicht zutreffend. Boni beeinflussen die Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung nicht. Sie gehen an den einzelnen Patienten, auch dann, wenn dieser, beispielsweise als chronisch Kranker, ohnehin von Zuzahlungen befreit ist und von der Versichertengemeinschaft kostenfrei gestellt wird.“ Schmidt stört sich auch an der recht einseitigen Darstellung der beiden Beiträge: „Diskutabel ist aus unserer Sicht darüber hinaus, dass in dem Beitrag auf die positive, beinahe werbliche Darstellung eines bestimmten Unternehmens rekurriert wird, anstatt generisch und neutral über die Versandhandelsbranche als Ganzes zu berichten“, so der ABDA-Präsident.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

So etwas recherchiert ein Sender natürlich nicht.

von Heiko Barz am 19.05.2018 um 19:14 Uhr

Den "Ökonomen" sollte doch zugetraut werden, denn das brauchen sie für ihre fachliche und "unabhängige" Begutachtung, dass in Holland, und anscheinend geht es ja hauptsächlich um jene Versender, ein 6% MWST Satz für Arzneimittel zu Grunde liegt. Des weiteren beziehen die Holländer ihre "Ware" von den Generika-und Chemieriesen zu besten Konditionen wie seinerzeit vor 2003 auch wir bedient wurden. Wenn aus diesem Fundus Rabatte angeboten werden, die uns unmöglich sind zu geben, wegen einer fixierten Gesetzeslage, dann müßte doch der Ökonom von einer üblen und ungerechten Wettbewerbsverzerrung sprechen, zumal alle unserer gesetzlich fixierten Zwangsauflagen den Holländer einen Schei..... interessieren.
Außerdem dürfte das Arzneimittel zum Wohle des Patienten als preismanipulierbare Massenenware gar nicht zur Diskussion stehen.
Die Gesundheit darf in keinem Fall eine vom Großkapital als Geldquelle betrachtete Manipulationsmasse sein!

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Nur mal so kurz reingemotzt :)

von Peter Lahr am 18.05.2018 um 10:00 Uhr

Zitat:
".....auf den Gesundheitsökonomen Jürgen Wasem, der sich wiederum „freie Marktwirtschaft“ bei Arzneimittelpreisen wünscht."

WIE kann man freie Preise auf etwas fordern was NICHT frei erhältlich ist und somit die ganze Chose nicht frei zugänglich?
Haben wir die Möglichkeit zwischen Kassenbeiträgen zu wählen? Nein. Haben WIR freie Marktwirtschaft im Einkauf bei RX? Nein. KANN es also bei RX jemals freie Marktwirtschaft geben, wenn WIR nicht durch Werbung den Bedarf beim Patienten nach RX für das von uns günstig Eingekaufte schaffen können solange der Arzt entscheidet ob der Patient das RX bekommt? Nein, wie denn, da ist der Arzt der entscheidende Faktor, nicht wir, nicht der Patient UND, wie bereits erwähnt, wo keine Rabatte im Einkauf auch keine Rabatte im Verkauf die man weitergeben kann. Kämen die "Rabattvertragsboni" der Kassen in Höhe von 2,5-3 Mrd UNS im Einkauf zu Gute, kein Problem, DIE könnten wir weitergeben, aber die erhalten die Kassen. Kaufmännisch könnte man mit diesen Rabatten die Zuzahlung komplett erlassen, von unserer Seite aus, denn Zuzahlung, was waren das, 2,05 Mrd? Und wir hätten 0,5-1 Mrd mehr Gewinn. DAS wäre aber blöde für die Kassen, denn "kosten" tun wir sie immer offizielle +-6 Mrd, abzgl. Rabattverträge die WIR umsetzen, abzgl. der Zuzahlung. Die Kosten die wir den Kassen verursachen sind demnach so bei 2-2,5 Mrd anzusiedeln. Es wäre dann natürlich extrem doof für die Kassen wenn sie die 6 Mrd auf einmal wirklich zahlen würden. Aber, lieber Herr Wasem wenn man nun von uns UNS Zugeständnisse fordert, selbst wenn es echte 6 Mrd Kosten wären, und unsere aktive Position im Markt mit 140 000 Mitarbeitern mit der passiven Position im Markt der Kassen vergleicht und deren verursachte Kosten von 12,5 Mrd nur für Verwaltung, ist das frech. Die Kassen haben eine "Gewinngarantie" durch gesetzlich festgelegte Beiträge die ZWANGSLÄUFIG IMMER inflationsbereinigt sind weil sie prozentual zu den gezahlten Löhnen erhoben werden, welche wiederum regelmäßig inflationsbereinigt werden UND die gezahlten Beiträge sogar darüber hinausgehen weil zum Inflationsausgleich noch die positive Lohnentwicklung in den letzten Jahren dazukommt. Haben wir eine Inflationsbereinigung beim Honorar bekommen? Nur anhand der Inflation seit Einführung müsste unser Honorar vor Abzug des Zwangsrabatts mittlerweile bei so +- 10,50 anstatt 8,35 netto liegen, OHNE auch nur einen Hauch allgemeine Lohnentwicklung zu berücksichtigen. Bei den Ärzten funktioniert es mit der regelmäßigen Anpassung WIR aber geben den Kassen seit Einführung des Honorars mittlerweile zu den 1,77 brutto Zwangsrabatt ZUSÄTZLICH noch ca 25% Inflationsrabatt pro Packung, also so ca 2,50 brutto, die 25 Cent netto Erhöhung können Sie meinetwegen vom Rabatt abziehen. Von den ehemals 6,25 netto nach Abzug des Zwangsrabatts pro Packung sind es heute 6,87, tolle Zahl, 62 Cent mehr, aber SIE als Ökonom sollten doch gerade wissen, das 6,87 HEUTE bloss noch damaligen 5,15 entsprechen, die Inflation frisst langsam aber stetig. UND was gerade SIE als Ökonom auch nicht vergessen sollten, für 99% der abgegebenen Packung entstehen den Kassen vielleicht 20 Mrd Gesamtkosten aus Honorar und Packungspreis. Die restlichen 1% oder 7,5 Mio Packungen verursachen den Rest der gesamten Arzneimittelkosten. 17- 18 Mrd wofür unser Staat ca 3 Mrd in Form der 19 % MwSt von den Kassen erhält. Was könnten die Kassen bei RX sparen wäre die MwSt. auf RX 0%.

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AW: Re: Nur mal so kurz reingemotzt

von D. Schmole am 18.05.2018 um 11:54 Uhr

Eine prägnante Zusammenfassung der sich seit 2003 zuspitzenden Misere für öffentliche Apotheken in Deutschland - und NIEMAND beschwert sich öffentlichkeitswirksam! Es ist eine Schande für unseren Berufsstand, dass unsere sog. "Lobby", bestehend aus einer komplexen Verflechtung von Kammern und Verbänden, i.d.R. NICHT die Aufgaben erfüllt, die sie sollte (d.h. unseren Berufstand UNBEDINGT und IMMER zu unterstützen!). Und was meiner Meinung noch als SCHLIMME Ergänzung hinzukommt: die breite Bevölkerung (von Otto-Normal-Bürger bis zum Intellektuellen hin) kennt diese Apotheken-Probleme NICHT, denkt, dass Apotheken immer noch Goldgruben sind und geht davon aus, dass die Pharma-Lobby für uns arbeitet!

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