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Cannabis-Report der TK
Glaeske: „Cannabisblüten gehören in den AMNOG-Prozess“
Als Rückfall in vorindustrielle Zeiten bewertet Professor Gerd Glaeske den medizinischen Einsatz von Cannabisblüten. Aus seiner Sicht sind die steigenden Verordnungszahlen nicht durch die Datenlage gerechtfertigt. Gemeinsam mit dem Schmerzexperten Professor Michael Schäfer fordert der Versorgungsforscher öffentlich finanzierte Studien, auf deren Basis eine Nutzenbewertung erfolgen kann.
Das „Cannabis-Gesetz“ führt immer noch zu einer hohen Nachfrage an Medizinalhanf: Seit dem 10. März 2017 ist es nach dem Sozialgesetzbuch V (§ 31 Abs. 6) möglich, medizinisches Cannabis im begründeten Einzelfall auf Kosten der Krankenkassen zu verschreiben. In den folgenden 12 Monaten sind bei den großen Krankenkassen nach eigenen Angaben insgesamt rund 15.000 Anträge eingegangen. Tendenz steigend.
Laut dem Cannabis-Report, der am gestrigen Donnerstag auf einer Pressekonferenz der Techniker Krankenkasse (TK) vorgestellt wurde, entfielen in dem Zeitraum 2.900 Anträge auf die TK. Davon wurden 64 Prozent genehmigt, erläuterte Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender bei der TK. Allein im Jahr 2017 beliefen sich die Kosten für rund 12.000 Cannabis-Rezepte (inklusive Folgeverordnungen) bei der TK auf 2,3 Millionen Euro.
Glaeske fordert Evidenz
Apotheker und Gesundheitswissenschaftler Professor Gerd Glaeske, Autor des Cannabis-Reports, kritisierte die Regelung zur Cannabis-Verschreibung im SGB V. Daraus ergebe sich ein Sonderstatus für die Cannabisblüten, den er nicht nachvollziehen könne. Aus seiner Sicht hätten Cannabisblüten, wie jedes neue Medikament auch, den AMNOG-Prozess durchlaufen müssen. Im Sinne der Wirtschaftlichkeit müssen die Kosten im Verhältnis zum Patientennutzen stehen – und letzterer sei unzureichend belegt. Auch die Begleiterhebung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ist in seinen Augen methodisch nicht belastbar.
Glaeske fordert, dass Fachgesellschaften kontrollierte Studien durchführen, die öffentlich finanziert werden. Die Ergebnisse sollen Grundlage einer Nutzenbewertung sein. Dabei sei ein Vergleich zwischen synthetischen und natürlichen Cannabis-Arzneimitteln interessant. Auf welche Cannabis-Zubereitungen, Blütensorten, Applikationsarten, Indikationen beziehungsweise entsprechende Vergleichstherapien sich die öffentliche Forschung fokussieren sollte, konkretisierte der Arzneimittelexperte aus Bremen nicht weiter.
Blüten nur als Reserveoption
Pharmazeutisch betrachtet sei die Inhalation mit Cannabisblüten ein „Rückfall in vorindustrielle Zeiten“, sagte Glaeske. Denn die heterogenen Wirkstoffspektren der einzelnen Blütensorten erschweren es, die Behandlung zu vereinheitlichen. Auch bestehe eine unterschiedliche Pharmakokinetik, je nachdem ob Cannabis geraucht, verdampft oder oral eingenommen wird. „Wir müssen in der Apotheke dafür sorgen, dass Cannabisblüten richtig angewendet werden“, appellierte er an seine Kollegen.
Dronabinol-haltige Rezepturarzneimittel sind aus seiner Sicht die sinnvollere Alternative. Und Cannabisblüten seien keine „Wunderdroge“, sondern allenfalls im begründeten Einzelfall eine Reserveoption. Denn für die meisten Indikationen stünden bewährte Medikamente zur Verfügung. Laut Cannabis-Report verweist der Medizinische Dienst der Krankenkassen bei 65 Prozent der abgelehnten Anträge darauf, dass es therapeutische Alternativen gibt.
Den Einzelfall berücksichtigen
Professor Michael Schäfer, Schmerzexperte an der Charité Berlin, schloss sich der Forderung von Glaeske nach wissenschaftlichen Daten an. Mit am besten belegt sei noch die Indikation Schmerz, auf die 62 Prozent der Anträge entfällt. Eine Metaanalyse von 15 kontrollierten Studien zu neuropathischen Schmerzen ergab, dass Cannabis eine Schmerzreduktion von 30 Prozent gegenüber Placebo erzielte. Bei Tumorschmerzen hingegen war die analgetische Wirksamkeit nicht signifikant. Auch bei anderen Indikationen ist die Datenlage teilweise inkonklusiv.
Schäfer wies darauf hin, dass Patienten individuell auf die Cannabistherapie reagieren, was in der statistischen Auswertung von Studien nicht zum Tragen kommt. „Wir behandeln Responder, keine Mittelwerte“, erläuterte der Schmerzexperte. Im Einzelfall, wenn Standardtherapien versagen und der Patient gleichzeitig auf Cannabinoide positiv reagiert, kann seiner Erfahrung nach Medizinalhanf die Lebensqualität spürbar verbessern. Allerdings handele es sich dabei lediglich um eine Symptomkontrolle und nicht um eine Heilung der Grunderkrankung.
Die Nebenwirkungen seien im Vergleich zu anderen hochwirksamen Medikamenten moderat. Am häufigsten treten Müdigkeit, Schwindel und Tachykardie auf. Mit einer Wirkverstärkung mit Sedativa oder Alkohol ist zu rechnen. „Im Gegensatz zu Opioiden können Sie mit Cannabis niemanden umbringen“, so Schäfer.
6 Kommentare
inkompetentes falsches Alt-Modell
von Tom Ernst am 19.05.2018 um 17:56 Uhr
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inkompetentes falsches Alt-Modell
von Tom Ernst am 19.05.2018 um 17:49 Uhr
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inkompetentes falsches Alt-Modell
von Tom Ernst am 19.05.2018 um 17:23 Uhr
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Alle Cannabinoide entscheidend
von Niko Lang am 19.05.2018 um 15:41 Uhr
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Ist wie digital - alle sagen es muß gut sein
von Ratatosk am 18.05.2018 um 18:49 Uhr
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Vorindustrielle Zeiten
von Bernd Jas am 18.05.2018 um 16:20 Uhr
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