BVDVA-Kongress

Zweifel der Politik am Rx-Versandverbot werden größer

Berlin - 18.05.2018, 10:10 Uhr

An Diskussionsrunde beim BVDVA nahmen neben BVDVA-Chef Christian Buse teil: Edgar Franke, Kordula Schulz-Asche (v. l.) sowie Axel Gehrke, Christine Aschenberg-Dugnus und Georg Kippels (v. r.) (Foto: BVDVA / Uwe Schick)

An Diskussionsrunde beim BVDVA nahmen neben BVDVA-Chef Christian Buse teil: Edgar Franke, Kordula Schulz-Asche (v. l.) sowie Axel Gehrke, Christine Aschenberg-Dugnus und Georg Kippels (v. r.) (Foto: BVDVA / Uwe Schick)


Kommt das Rx-Versandverbot in dieser Legislaturperiode oder kommt es nicht? Selbst Vertreter der Regierungsfraktionen zweifelten bei einer politischen Diskussionsrunde anlässlich des BVDVA-Kongresses, ob das Versprechen des Koalitionsfraktionsvertrags eingelöst wird. Erstmals äußerte sich ein AfD-Politiker öffentlich zum Apothekenmarkt. Anscheinend sieht die Partei schwere Zeiten auf die Apotheker zukommen.

Beim Kongress des Bundesverbands Deutscher Versandapotheken (BVDVA) diskutierten am gestrigen Donnerstagnachmittag Bundestagsabgeordnete über das Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel und die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Dabei wurde über die Parteigrenzen hinweg deutlich: Die Zweifel am Rx-Versandverbot bestehen fort – und was die Digitalisierung betrifft, hat sich Deutschland längst von seinen europäischen Nachbarn überrunden lassen und muss dringend aufholen.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Georg Kippels erklärte, nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Rx-Preisbindung im Oktober 2016 sei klar gewesen, dass inakzeptable Marktverschiebungen zugunsten der EU-ausländischen Versender zu befürchten sind. Der damalige Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) habe schnell mit einem Gesetzentwurf für das Rx-Versandverbot reagiert. „Bedauerlicherweise“ sei die Umsetzung jedoch nicht gelungen, so Kippels. Nichts sei geschehen, um die Schieflage zu beseitigen. Die CDU hielt jedoch auch über die Bundestagswahl hinaus an ihrem Lösungsweg fest. Nun heißt es im Koalitionsvertrag: „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein“. Kippels findet: „Das klingt gut und überzeugend“. Ob das Verbot am Ende der Legislaturperiode tatsächlich durchgesetzt sein wird, will er dennoch nicht prognostizieren. Bei „fortschreitender Zeit und Beobachtung der Marktrealität“ müsse man auch sehen, dass die Idee eine Reihe von Schwierigkeiten berge, sagte er. Er begrüßte es daher, als sich sein Fraktionskollege Michael Hennrich kürzlich gegenüber DAZ.online erstmals kritisch zum Rx-Versandverbot äußerte. Kippels fürchtet, man könne sich mit dem Verbot am Ende „Steine statt Brot“ einhandeln. Es bestehe das Risiko, wieder vor dem EuGH zu landen – und hier sieht der CDU-Politiker die Gefahr neuen Ungemachs. Eine ausgearbeitete Alternativ-Lösung hat er nicht parat, man müsse nun „aktiv und zügig nachdenken und dabei das Ziel im Auge behalten“.

Franke: Umlage stützt besser als Rx-Versandverbot

Edgar Franke, in der SPD-Fraktion für Apothekenthemen zuständig, verwies auf seine bisherigen Aussagen gegenüber DAZ.online: Man sei durchaus koalitionstreu – aber man müsse nun abwarten, ob Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun einen Gesetzentwurf vorlegen kann, der den europa- und verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügt. Im Grunde seines Herzens bleibt Franke allerdings überzeugt: „Das Rx-Versandhandelsverbot ist ein Rezept von gestern“. Auch den Verweis, dass das Verbot in zahlreichen anderen europäischen Ländern besteht, lässt der SPD-Politiker nicht gelten. Schließlich habe man in Deutschland seit 13 Jahren den Arzneimittelversandhandel – es sei etwas anderes, diesen jetzt wieder zu verbieten als ihn noch nie zugelassen zu haben. Das Vertrauen der Versandapotheken auf die bestehende Situation könne man nicht von heute auf morgen entziehen. Das ginge nur, wenn sich klar sagen ließe: Der Markt funktioniert nicht mehr. Doch das sei eindeutig nicht der Fall. Franke meint, man müsse jetzt über wirklich rechtssichere und pragmatische Lösungen nachdenken, einen Kompromiss ausloten, der für Offizin- und Versandapotheken passt. Ziel müsse sein, die Apotheken in strukturschwachen Regionen zu stärken. Möglicherweise durch ein Umlagesystem. Einen Strukturfonds, wie ihn das Honorargutachten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) ins Spiel gebracht hat, hält er für besser geeignet, solche Apotheken zu stützen, als das Versandhandelsverbot. Aber auch über eine Honorierung für den Medikationsplan könne man beispielsweise nachdenken.

AfD: Begrenztes Versandverbot und freie Preise

Für die AfD-Fraktion erklärte Axel Gehrke – selbst ein Mediziner – , er sehe die Gefahren für Apotheken in strukturschwachen Gebieten. Allerdings seien die Entwicklungen, wie sie schon die „Tante Emma-Läden“ getroffen hätten, langfristig kaum zu vermeiden. Es werde auch für Landärzte und -apotheken immer schwerer. Gehrke kann sich ein zeitlich begrenztes Rx-Versandverbot vorstellen – und dann eine mehr marktwirtschaftliche Entwicklung: Man könnte überlegen, die Preisbindung ganz aufzuheben, sagte er.

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) machte deutlich, dass für sie eine gute Patientenversorgung und das Verbot des Rx-Versandhandels überhaupt nicht zusammen gehen. Das Versandhandelsverbot sei eine Idee der ABDA gewesen, die sie im Wahlkampf eingesetzt habe. Doch man brauche die Versender für die Versorgung. Die Menschen sollten selbst entscheiden, wo sie ihre Arzneimittel beziehen. Aschenberg-Dugnus sieht die Lösung darin, dass auch inländische Apotheken Boni geben dürfen. Doch sie hat kaum Hoffnung, dass in dieser Legislaturperiode etwas passiert – weder in Sachen Rx-Versandverbot noch in einer Angleichung der Bedingungen für ausländische und inländische (Versand-)Apotheken.

Grüne: ABDA-Haltung unverantwortlich

Kordula Schulz-Asche (Grüne) betonte, dass das Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel „von Anfang an Unfug“ gewesen sei. Die Grünen wollten das BMWi-Honorargutachten abwarten und dann alle Akteure an einen Tisch bringen, um für eine Gleichbehandlung zu sorgen. Diesen Weg halte sie auch heute noch für richtig, so die Grünen-Politikerin. Aus ihrer Sicht ist es „unverantwortlich“, dass die ABDA nicht bereit ist, über das Gutachten zu sprechen und sich überhaupt gemeinsam mit anderen an einen Tisch zu setzen. Fakt sei nun mal, dass viele Apotheken, die für die Versorgung relevant sind, gefährdet sein – und darüber, wie man diese retten kann, müsse man reden. „Hier sind Konzepte überfällig“.

BVDVA: Anachronistische Verbote helfen nicht weiter

BVDVA-Vorsitzender Christian Buse griff die Zweifel gerne auf: Was sei denn in den anderthalb Jahren nach dem EuGH-Urteil wirklich passiert? Nichts – meint er. Der Versandhandel im Rx-Bereich habe nicht zugenommen. Wer schon immer im Versand gekauft habe, mache das weiterhin. Die große Existenzbedrohung, gerade für Landapotheken, sei durch das Urteil nicht eingetreten. Das eigentliche Problem für die Landapotheken sei der nicht mehr vorhandene Landarzt. Mit einer anachronistischen Verbotspolitik komme man hier nicht weiter. 

Die Digitalisierung und ihre schwierige Umsetzung

Was die Digitalisierung betrifft, so waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig: Sie hat enorme Bedeutung. Das E-Rezept muss kommen, ebenso die elektronische Patientenakte. Dabei betonte Kippels, dass man sich keinesfalls von der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) verabschiedet habe. Sie werde konsequent weiter verfolgt. Was man aber brauche, sei eine Akzeptanzoffensive: Der Patient müsse die neuen Möglichkeiten wollen – dann werde es auch klappen. Auch Franke setzt weiter auf die eGK und nicht auf Apps. In der Vergangenheit habe die Selbstverwaltung die Digitalisierung selbst verhindert. Nun sei es an der Zeit, die Digitalisierung mit einer positiven Haltung anzugehen und zu gestalten. Es gelte, den Rückstand, den man mittlerweile gegenüber anderen Ländern habe, aufzuholen. Schulz-Asche verwies in diesem Zusammenhang auf den Medikationsplan, der in der Politik dringend nochmal aufgerufen werden müsse.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


7 Kommentare

Hat denn wirklich irgendwer der Politik geglaubt ?

von Ratatosk am 18.05.2018 um 18:44 Uhr

Hat denn wirklich irgendwer geglaubt, daß die CDU und SPD in dieser Sache vertrauenswürdig sein könnten und auch nur einen Hauch des fest zugesagten einhalten würden ? gegen Großkonzerne, Saudis etc. und auf die Gefahr hin Endverwendungsposten zu verspielen ? Und egal was noch passiert, die Digitalfuzzies sind ja leider schon oft am Bildschirmrand am Ende ihres Verstehenshorizontes angelangt. Daß die anderen EU Länder das Verbot haben wir einfach übergangen und mit der Digitalisierungskeule zertreten, egal was die einzelnen Faktoren darstellen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das große Schweigen 2.

von Dr.Diefenbach am 18.05.2018 um 13:39 Uhr

Ich bin nur noch entsetzt über die Stille aus dem ABDA Haus,die vielen berechtigten,aber unbeantworteten (!!!) Fragen der KollegInnen ob des Schweigens aus dem Neubau,der scheibchenweisen Freisetzung der realen Planung von Seiten der Politik und der Illusion das Papier 2030 halten zu können.Und,wie schon oft bemerkt,der Apotag wird viel Zuversicht verbreiten..,über Geldfragen wird nicht geredet???Ach so,das ist ja auch noch in der Schwebe.Ich kann nur noch staunen ,jede Woche aufs Neue ,über die Innere Kommunikation.ZB:Was wurde aus der Gesprächsofferte des Herrn Hennrich? Wie ist Securpharm außerhalb Deutschlands gediehen?Wieso negiert man das 2hm Gutachten weiterhin,nachdem(s.-auch obigen Text)einige Politiker ja "Essenzen"ziehen wollen.usw.Aber vielleicht beschert mir der heilige Geist an Pfingsten irre Neuigkeiten von der Berufsspitze.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Versandverbot

von Conny am 18.05.2018 um 13:28 Uhr

Nur Narren glauben noch an das Versandverbot. Max Müller hat doch seinen Kumpel Spahn fest an der Angel. Seit umschlungen Millionen. In einem Land indem ich gut und gerne lebte.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Rx-Versand

von Frank Zacharias am 18.05.2018 um 11:57 Uhr

"Das Vertrauen der Versandapotheken auf die bestehende Situation könne man nicht von heute auf morgen entziehen. Das ginge nur, wenn sich klar sagen ließe: Der Markt funktioniert nicht mehr."

Was ist eigentlich mit unserem Vertrauen auf die bestehende Situation bis zum EuGH-Urteil? Wir ( ca 19000 Apotheken) haben in dieses Vertrauen hinein investiert, eingestellt, gearbeitet, betreut usw. Bei 19000 mittelständischen vor Ort verankerten Unternehmen ist das offensichtlich egal. Aber für 20 Großunternehmen und multinationaler Konzerne wird es zum Problem.

OK, verstanden.

Ich möchte noch einmal betonen, es geht um die Einheitlichkeit der Preise. Wenn das rechtsicher machbar ist, ist mir fast jede Lösung recht. Nur alles andere führt zu Selektivverträgen und zur Zersörung unserer gewachsenen und bewährten Arzneimittelversorgung. Aber offensichtlich sind die Politiker bereit, diesen Preis zu zahlen und uns zu opfern.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Da haben wir den Salat

von Michael Staesche am 18.05.2018 um 10:32 Uhr

Leider haben wir immer nur das Rx-Versandhandelsverbot gefordert, das hat a) einen negativen Klang - kein Politiker verbietet gerne und geht b) am Kernproblem vorbei. Und leider hat offenbar bis heute keiner den Politikern erklärt, worum es eigentlich geht, nämlich um die Frage: feste Preise oder nicht (was für den Wähler teurer würde) sprich, wollen wir weiter Apotheken mit Auftrag (Versorgung der Bevölkerung) oder rein gewinnorientierte Verkaufsstellen. Die Politiker glauben bisher, es ginge den Apotheken um die Abschaffung der Online-Konkurrenz. Nur, wie macht man den drastischen Ernst der Lage bewusst, wenn der ABDA-Chef vermittelt, das Problem sei das fehlende Vertrauen der Apotheker in die Zukunft (war da nicht mal was mit der "Larmoyanz der Apotheker"?). So lange Herr Schmidt nicht klipp und klar sagt (kann er das überhaupt), das es um die schiere Existenz der Arzneimittelversorgung geht, können wir nichts erwarten. Und wenn ihm dann vom Minister gesagt wird, das die Apotheken ruhig drauf gehen können, weil der Versand sexy und cool ist, dann soll Herr Schmidt das doch einfach sagen, und keine Schweigeverabredungen treffen. Zumindest wüßten wir dann, woran wir sind.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Da haben wir den Salat

von Christian Giese am 18.05.2018 um 10:56 Uhr

Führung bedeutet "sagen, was ist!" DAZ 18 30.04.2015.
Genau dieses kann FS nicht.
Ob wir uns diese Führungslosigkeit noch länger leisten können?

AW: Da haben wir den Salat

von Heiko Barz am 20.05.2018 um 11:10 Uhr

Schon lange nicht mehr, Kollege Giese, aber Sie wie wir alle erinnern an die letzten Apotage speziell -16 und 17. kraftvolle Reden von F.Sch. Und ein wohlwollendes Auditorium, dass auch seiner Wiederwahl begeistert zustimmte. Die dynamischen Akzente, die Mut machen sollten zum Kampf gegen das EUGH-Urteil im Herbst 16 und auch die Brüskierung zum unglaublichen 2hm "Gutachten" sollte eine weitere Welle Mutes erzeugen. Sofort aber nach diesen "Reden" trat absolute Funkstille ein. Reaktion der Apotheker Führungsriege gab es bis heute nicht und auch der von Spahn erlassene Maulkorb für F.S. Nach deren kürzlicher Gesprächsrunde, ist doch mehr als bezeichnend.
Wenn wir das Bild einer Balkenwaage bemühen, so sehe ich die Neigung zum RXVV deutlich abnehmen. Es zerren ganz andere Kräfte an der Balkenwaage und die bekannten politischen Koalitionsvertragsabsprachen sind doch nicht das Papier wert.......

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.