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Flüchtlinge und Beipackzettel
Wie die AfD den Namen der Bundesapothekerkammer missbraucht
Wie kommt die AfD zu solchen Äußerungen?
- Selbst wenn man sich die eigentlichen Studien zu
diesem Thema anschaut, wird klar, dass die AfD-Behauptungen schlichtweg falsch sind.
Malsack-Winkelmann behauptet zwar richtigerweise, dass 14,5 Prozent der
erwachsenen Bevölkerung funktionale Analphabeten sind – sie können also Einzelwörter
lesen, verzweifeln aber schon an kurzen Sätzen bzw. längeren Textabschnitten.
Dass zu diesem Bevölkerungsteil hauptsächlich Flüchtlinge gehören, ist aber nirgends erwähnt. Sogar das Gegenteil ist der Fall: So heißt es etwa auf der oben genannten Themenseite der Bundeszentrale für politische Bildung: „Wer
nun glaubt, dass es sich bei den 14,5 Prozent der sehr gering literalisierten
Personen (…) vornehmlich um Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte handelt,
der irrt. Zwar ist der Anteil der mehrsprachigen Menschen im Vergleich zur
Verteilung in der Gesamtbevölkerung überproportional, doch für die Mehrheit der
Betroffenen (58 Prozent) ist Deutsch die Muttersprache." Nichtsdestotrotz ist es richtig, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teils besorgt ist, was das Lerntempo der Zuwanderer in Sprachkursen betrifft. Medienberichten zufolge erreichen 80 Prozent der Kursteilnehmer nicht das Sprachniveau B1, das Jobcenter als Mindestanforderung heranziehen. Allerdings: Hier ging es aber um etwa 43.000 Kursteilnehmer im ersten Halbjahr 2017. Dass diese Menschen milliardenschwere Auswirkungen auf die deutsche Analphabeten-Quote oder die Gesundheitsausgaben haben, ist unwahrscheinlich.
- Und auch was die Benennung der Kosten für das Gesundheitssystem betrifft, hat die AfD entweder schlecht recherchiert oder ganz bewusst falsche Behauptungen aufgestellt. Wie oben schon erwähnt, hat die Bundesapothekerkammer sich selbst nie mit den Auswirkungen des Analphabetismus auf die Volkswirtschaft befasst, schon gar nicht mit Blick auf Flüchtlinge und Beipackzettel. Bezüglich der Kosten hat sich die AfD wohl an einer Pressemitteilung der Stiftung Lesen aus dem Jahr 2013 bedient. Dort heißt es: „Mangelnde Lesefähigkeit stellt die Betroffenen vor große Herausforderungen, ihren Alltag zu bewältigen und sich für einen Beruf zu qualifizieren. Das hat Folgen für die gesamte Gesellschaft: Hochgerechnet ist in den kommenden 10 Jahren mit 15 Milliarden Euro Folgekosten zu rechnen, wenn es nicht gelingt, niedrig qualifizierten Menschen Bildungschancen und Perspektiven zur Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben zu ermöglichen beziehungsweise zu erhalten.“ Auch in der oben genannten Darstellung von Prof. Marie-Luise Dierks aus Hannover wird diese Zahl genannt. Dass diese Mehrkosten auf analphabetische Flüchtlinge zurückgehen, davon ist dort keine Rede. Überhaupt werden die Mehrkosten nicht mit dem Gesundheitssystem verbunden. Vielmehr nennt die Stiftung Lesen die Branchen „Baugewerbe, Gastronomie und Gebäudereinigung“ als Wirtschaftszweige, in denen es die meisten funktionalen Analphabeten gibt.
Dass jährlich „zwischen 9 und 15 Milliarden Euro“ Mehrkosten entstehen, weil „Beipackzettel nicht gelesen werden können oder die Medikation nicht verstanden wird, sodass mehr Notfallbehandlungen und Krankenhausaufenthalte die Folge sind“, ist also eine These, die mit Blick auf die vorliegenden Fakten keinerlei Wahrheitsgehalt hat.
Auf Nachfrage im Büro Malsack-Winkemann dazu, wie man zu einer solchen Aussage kam, relativierte eine Mitarbeiterin die Behauptungen und kritisierte die Fragestellung von DAZ.online: „Eine gute Pressearbeit setzt voraus, dass die Berichterstattung sachlich und inhaltlich bezogen ist. Diese Fragestellung verdreht den Vortrag bis zur Unkenntlichkeit.“ Konkret stellt das Büro Malsack-Winkelmann in Frage, dass sich die AfD-Abgeordnete mit ihrer Rede nur auf Flüchtlinge bezogen habe. „Woraus meinen Sie aus der Formulierung ‚... 14,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland sind Analphabeten; weitere 26 Prozent können nur fehlerhaft lesen und schreiben‘ erkennen zu können, dass dies die Gruppe der Geflüchteten darstellt?“
Schließlich weist das AfD-Büro auf das Wort „fraglich“ hin, das am Anfang des Redeabsatzes steht: „Sollte der tatsächlich in der Rede enthaltene einleitende Satz ‚Fraglich ist auch, welche Schäden dem Gesundheitssystem entstehen, weil ein großer Teil der Flüchtlinge Analphabeten sind?‘, bei Ihnen zu derartigen Schlussfolgerungen führen, so möchte ich gern anmerken, dass bereits das einleitende Wort ‚Fraglich‘ eben wortgemäß auf Unklarheit abstellt. Ihre Bezugnahme ist daher, es wird wiederholt, sachlich falsch.“
Die Bundesapothekerkammer wollte die Äußerungen der AfD-Politikerin und das Verwenden ihres Namens in diesem Kontext nicht weiter kommentieren.
6 Kommentare
Wahrheiten oder Stimmungsmache?
von Heiko Barz am 23.05.2018 um 11:37 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Wahrheiten oder Stimmungsmache
von Felix Maertin am 23.05.2018 um 13:25 Uhr
AW: Wahrheiten oder Stimmungsmache
von le D am 12.10.2018 um 20:29 Uhr
AFD und Bundesapothekerkammer
von Rumpelstilzchen am 22.05.2018 um 21:18 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: AFD und Bundesapothekerkammer
von Felix Maertin am 23.05.2018 um 8:41 Uhr
was ist schlimmer
von conny am 22.05.2018 um 18:01 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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