Bayerischer Apothekertag

„Lösen Sie diesen Spitzenverband auf!“

Berlin - 08.06.2018, 20:30 Uhr

Dr. Hans-Peter Hubmann, Chef des Bayerischen Apothekerverbandes, fordert die Auflösung des GKV-Spitzenverbandes als Reaktion auf das Positionspapier zum Apothekenmarkt. (Foto: ABDA)

Dr. Hans-Peter Hubmann, Chef des Bayerischen Apothekerverbandes, fordert die Auflösung des GKV-Spitzenverbandes als Reaktion auf das Positionspapier zum Apothekenmarkt. (Foto: ABDA)


Bei den Apothekern könnte der Ärger über das GKV-Positionspapier zur Umstrukturierung des Apothekenmarktes größer nicht sein. Wie tief der Stachel sitzt, zeigte Dr. Hans-Peter Hubmann, Chef des Bayerischen Apothekerverbandes, bei der heutigen Eröffnung des Bayerischen Apothekertages. Als Reaktion auf die aus seiner Sicht realitätsfernen Forderungen des GKV-Spitzenverbandes zur Deregulierung und Senkung des Apothekenhonorars forderte Hubmann, den GKV-Spitzenverband aufzulösen.

Hans-Peter Hubmann ist einer der Hardliner unter den 34 Kammer- und Verbandschefs der Apotheker. Während andere Standesvertreter im Vordergrund ruhig und diplomatisch auftreten und auf nicht-öffentliche Politikergespräche setzen, um ihre Forderungen zu überbringen, geht Hubmann nach vorne und sorgt auch gerne mal für Aufsehen. So auch heute bei der Eröffnung des Bayerischen Apothekertages in Augsburg. Ganz spontan änderte Hubmann sein schriftlich vorgelegtes Redeprotokoll und attackierte den GKV-Spitzenverband aufs Schärfste. Zur Erklärung: Der Verwaltungsrat des Kassenverbandes hatte in dieser Woche ein Positionspapier beschlossen, in dem die Absenkung des Apothekenhonorars um 1 Milliarde Euro gefordert wird. Die Apothekenstruktur müsse zudem dereguliert werden und beispielsweise das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufgehoben werden.

Hubmann: Da werden Realitäten ausgeblendet

Dazu sagte Hubmann, der auch Vize-Chef des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) ist: „Keine auch nur ansatzweise nachvollziehbaren Diskussionsgrundlagen sind das von völlig falschen Prämissen ausgehende BMWi-Gutachten aus dem letzten Jahr und erst recht das derzeit vom GKV-Spitzenverband propagierte Papier. Wer in einer Zeit, in der seit Jahren die Zahl der Apotheken um über 200 pro Jahr sinkt, und sich immer mehr Lokalpolitiker um die Versorgung ihrer Gemeinden sorgen, vermeintliches Einsparpotenzial in Milliardenhöhe ausweist, der blendet Realitäten aus!“ Pause. Und dann: „Lösen Sie diesen Spitzenverband auf!“, so Hubmann. Ein Ausruf, der bei den Apothekern auf Gegenliebe stieß – Hubmann erhielt dafür großen Applaus vom Publikum.

Apothekenketten, Versand-Verträge, Apothekenbusse

Einstimmig: Kassen fordern drastische Kürzungen am Apothekenhonorar  

DAV-Stellungnahme zum GKV-Positionspapier

„Nicht nur patientenfeindlich, sondern auch völlig absurd“

Ansonsten erneuerte Bayerns Verbandschef die Forderungen nach dem Rx-Versandverbot, nach der Etablierung der pharmazeutischen Dienstleistungen im SGB V sowie der zusätzlichen Extra-Honorierung dieser Apotheker-Dienstleistungen. Wichtig war es ihm auch, mit einigen Vorurteilen rund um die „Apothekerlobby“ aufzuräumen. So sagte Hubmann: „Es geht uns nicht darum, Pfründe zu sichern, sondern wir wollen die hervorragende Arzneimittelversorgung durch die freiberuflich geführte Apotheke aufrechterhalten.“ Zum Thema Erneuerung erklärte der BAV-Chef: „Es heißt immer, wir würden nur das Bestehende verteidigen und uns nicht weiterentwickeln. Ganz im Gegenteil: Mit dem schon 2014 verabschiedeten Perspektivpapier Apotheke 2030 haben wir klar unsere heilberuflichen Ziele dargelegt.“ Beispiele seien die Medikationsanalyse und das Medikationsmanagement.

Auch Politik lehnt GKV-Forderungen ab

In der bayerischen Landespolitik stößt Hubmanns Haltung auf großes Verständnis. Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) erklärte sie lehne das Papier ab. Die Apotheker seien eine der wichtigsten Säulen der Patientenversorgung. Man dürfe nicht jahrelang etablierte Verhältnisse wie die unabhängige, freiberufliche Versorgung aufgeben. Um vor Apothekenketten zu warnen, verwies Huml auf das Beispiel Norwegen: Dort habe die Aufhebung des Fremdbesitzverbotes zu einer Oligopolisierung geführt, es gebe einen Verdrängungswettbewerb und auch die Preise seien höher geworden.

Weinberg (Linke): Kassen sollten sich um Versorgung kümmern

Und auch die Politiker aus dem Bundestag kritisierten das Papier des Kassenverbandes. Harald Weinberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, sagte: „Ich folge dem Vorschlag, den Spitzenverband aufzulösen in seiner Radikalität nicht. Allerdings sehen sich die Kassen aufgrund ihres Preiswettbewerbs immer mehr in der Rolle eines Motors, der den Strukturwandel antreiben will, um Geld einzusparen. Sie sollten sich aber vielmehr um die Versorgung ihrer Versicherten kümmern.“

Dittmar fordert Honorar-Papier von der ABDA

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, schloss sich dieser Aussage von Weinberg an und sagte, dass sie das Positionspapier nicht überrascht habe, da viele Aussagen schon vorher bekannt waren. Dittmar nahm an dieser Stelle aber auch die ABDA in die Pflicht: „So ein Papier hätte ich auch gerne einmal von der ABDA. Ich kenne keine ausgearbeiteten Vorschläge aus den Reihen der ABDA, wie man sich das Honorar vorstellt.“ Hubmann verwies daraufhin auf die AG Honorierung bei der ABDA, die seit sieben Jahren an neuen Vergütungsideen arbeite. Man komme Schritt für Schritt voran. An einer anderen Stelle teilte die SPD-Gesundheitsexpertin Dittmar aber auch Richtung Bundesgesundheitsminister Jens Spahn aus – beim Rx-Versandverbot. Sie stellte zunächst klar, dass sie das Verbot nach wie vor nicht für die beste Lösung halte, aber zum Koalitionsvertrag stehe. Dann sagte sie: „Ich würde mir wünschen, dass der jetzige Minister den Koalitionsvertrag mit ebenso viel Herzblut umsetzt, wie ihn sein Vorgänger an dieser Stelle erkämpft hat.“

FDP-Gesundheitsexperte und Mediziner Andrew Ullmann kam mit Blick auf das GKV-Positionspapier in eine Bredouille – schließlich spricht sich seine Partei offiziell ebenso für die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes aus. Mit Blick auf das FDP-Wahlprogramm, in dem die Klausel zu den Apothekenketten steht, sagte Ullmann, dass es durchaus „verschiedene Interpretationen“ dazu gebe, wie dieser Beschluss gefasst worden sei. So wie er nun im Programm stehe, gebe es „Erklärungsbedarf“. Einen interessanten Hinweis an die Apotheker hatte der FDP-Politiker in Sachen Rx-Versandverbot: „Warum redet beim Versandhandel eigentlich nie ein Apotheker gegenüber der Politik über die Arzneimittelsicherheit? Da werden Arzneimittel bei 40 oder 50 Grad in DHL-Wagen ausgeliefert. Ich weiß nicht, ob das diesen Molekülen so zuträglich ist. Darüber sollten wir kritisch sprechen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


3 Kommentare

Arbeitsergebnis

von Reinhard Rodiger am 09.06.2018 um 10:00 Uhr

Was unterscheidet den Spitzenverband ABDA/DAV vom Spitzenverband der GKV? Der GKV-Verband macht seine Arbeit , der andere schweigt.
Es ist kein Konzept, nichts zur Sache zu sagen.Überzeugung geht anders.Sicher, es ist gut, wenigstens etwas zu den KK zu sagen.Das ist neu.Doch ohne eigene Beiträge wirkt die Forderung billig.
Wo sind vergleichbare Arbeitsergebnisse?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wer ist der nächste?

von Ulrich Ströh am 08.06.2018 um 22:49 Uhr

Hat lange gedauert, bis einer von 34 Kammer- und Verbandsverantwortlichen mal Klartext gesprochen hat.

Wer ist der nächste?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Klartext?

von Holger am 11.06.2018 um 8:21 Uhr

Das nennen Sie Klartext??
Ich nenne es: "Der rülpst einfach nur zurück".

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.