DAZ.online-Themenwoche Digitalisierung

So digital ist die Apotheke

Stuttgart - 08.06.2018, 16:00 Uhr

Kommissionierautomaten sind in Apotheken üblich, im Gegensatz zu anderen Einzelhändlern. (Foto: imago)

Kommissionierautomaten sind in Apotheken üblich, im Gegensatz zu anderen Einzelhändlern. (Foto: imago)


Ist die Apotheke digital? Der Blick hinter die Kulissen gibt hier eine klare Antwort: Ja, das ist sie. Allerdings läuft eben vieles davon im Hintergrund und für den Patienten nicht erlebbar ab – obwohl dieser ohne Frage zumindest indirekt davon profitiert, zum Beispiel weil das Apothekenteam mehr Zeit für die Beratung hat. Wir haben Beispiele zusammengestellt. 

Schaut man sich einmal in einem der Einkaufszentren oder in einer Einkaufsstraße um: Welcher Einzelhändler hat einen Kommissionierer in seinem Ladengeschäft? Wenn überhaupt sind das nur die Apotheken. Große Ketten können die Verfügbarkeit einzelner Artikel im eigenen Webshop üblicherweise abfragen. So gut wie jede Apotheke kann innerhalb kürzester Zeit erfahren, ob ein Artikel überhaupt lieferbar ist. Diese zwei Beispiele deuten darauf hin, dass in den Apotheken die Digitalisierung in vielen Bereichen weiter fortgeschritten ist als in anderen Branchen. Im Folgenden haben wir einige Beispiele dafür zusammengestellt, wie digitalisiert die Apotheken sind (ohne auch nur ansatzweisen Anspruch auf Vollständigkeit).

Der Standard

Das Ausmaß der Digitalisierung in den Apotheken unterscheidet sich erheblich. Einige Dinge und Tools sind allerdings aus so gut wie keiner Apotheke mehr wegzudenken. Selbst die größten Technik-Skeptiker nutzen sie. Dazu zählen:

Die Warenwirtschaft – das Herzstück

Auch wenn vor nicht einmal zehn Jahren Apotheken mit Lochkarten hantierten, verfügen doch vermutlich fast alle seit geraumer Zeit über mehr oder weniger moderne Warenwirtschaftssysteme. Bereits im Jahr 2002 steuerten Schätzungen zufolge bereits zwischen 6000 und 8000 Apotheken ihre Warenwirtschaft mit POS-Systemen (Point-of-Sale). Heute dürften es nahezu alle sein. Der große Unterschied zum Vorläufer Point-of-Return (POR) besteht einfach darin, dass man bei POR Auskunft darüber erhält, wie viele Präparate man bestellt hat, bei POS jedoch noch zusätzlich ganz genau darüber informiert ist, wie viele man noch vorrätig hat. Bei Unterschreiten eines vorgegebenen Bestandes, wird dann eine Bestellung ausgelöst. Zudem „denkt“ das POS-System mit und passt das Bestellvolumen an. Moderne Warenwirtschaftssysteme beinhalten zudem viele Features, die über die bloße Lagerhaltung und Beschaffung weit hinausgehen, unter anderem Kundendateien, Tools für die Beratung sowie Programme für den Medikationsplan und das Medikationsmanagement und Schnittstellen zu Datenbanken. Ohne „WaWi“ geht in der Apotheke nichts.

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MSV3-Schnittstelle

2016 war sie bereits bei über 70 Prozent der deutschen Apotheken im Einsatz – die (nicht mehr ganz so) neue Schnittstelle zwischen der Apotheken-Warenwirtschaft und den Großhändlern, MSV3 genannt. Mit dieser Schnittstelle werden Daten zwischen Apotheke und Großhandel nicht mehr über die Telefonleitung, sondern über das Internet übermittelt. Dank ihr, ist zum Beispiel eine Abfrage der Verfügbarkeiten am HV-Tisch möglich. Im Einsatz ist MSV3 seit 1. Oktober 2013. Bis Ende 2014 sollte dann bundesweit eigentlich der neue Datenübertragungsstandard eingeführt sein. Das hat nicht ganz geklappt. Mit dem Aussterben der klassischen Telefonleitungen zugunsten Voice-over-IP sind aber ältere Standards ohnehin hinfällig. 

Taxationsprogramm

Eine Hilfstaxe aus Papier und Pappe findet sich in jeder Apotheke. Aber flächendeckend zur Preisberechnung genutzt, wird sie wohl nicht mehr. Hier kommt Software zum Einsatz. So ist es in vielen Fällen möglich, direkt aus dem Herstellungsprotokoll zu taxieren und den Preis in die Kasse zu übernehmen. Dabei wird auch mit auf das Rezept gedruckt, aus welchen Komponenten sich die Gesamtsumme zusammensetzt.

Datenbanken und Nachschlagewerke

Auch der Blick in dicke Bücher ist eigentlich nicht mehr nötig. Obwohl sich in den meisten Apotheken eine gedruckte Gesamtausgabe des Arzneibuchs befindet sowie die allseits beliebten Loseblattwerke wie das NRF, sind die digitalen Varianten dieser Klassiker der Apothekenliteratur in den meisten Apotheken vorhanden, als Webversion oder als CD. Sie werden vielleicht nur nicht genutzt. Die Rote Liste aus Papier hingegen ist nahezu zugunsten der Webanwendung verschwunden – seit sie nicht mehr unaufgefordert verschickt wird. Viele, zum Teil interaktive Datenbanken existieren allerdings nur in digitaler Form – ein Interaktionscheck zum Beispiel auf Papier wäre deutlich mühseliger. 

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Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Digitales und Analoges in der Apotheke

von Heiko Barz am 09.06.2018 um 12:50 Uhr

Liebe Frau Borsch,
Ihr umfangreicher Bericht ist doch eine Art Rechtfertigung der Arbeitswelt in der derzeitigen Apothekenlandschaft. Alles das, was Sie niederschreiben ist uns bekannt. Wem Sie diese Apothekenanalyse vermitteln müßten, das sind die argumentationsresistenten politischen Nerds und Juppies, die nur ihren Laptops, Handys und Wikipedia Informationen vertrauen und denen Berufsbilder wie das des Apothekers als altertümlich und überholt gelten.
Interessanter Weise habe ich noch nie ähnlich diskriminierende Aussagen aus dieser Ebene zu hören bekommen, wenn es um die traditionellen Handwerksfirmen geht. Das Know How der Dachdecker, Installateure, Becker, Maurer etc ist auch digital nicht zu ersetzen ( außer derer Bürokratie ). Die individuelle Leistung dort, wie auch bei Arzt und Apotheker, kann nicht durch Software ersetzt werden, im höchsten Falle nur begleitend unterstützen.
Ich nehme an, dass Ihr Bericht als eine Argumentatioshilfe für den Herrn vom Axel Springer Verlag Ch.Keese gelten sollte, nur bei diesem digital verblendeten, ein - oder zweidimensional ausgerichteten Menschen werden Sie Einsicht in die Problemwelt der Pharmazie wenig erwarten können.

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