Securpharm

Für Klinikware wird es bis Februar 2019 keine Lösung geben

Mainz - 15.06.2018, 17:15 Uhr

Die neuen Vorgaben zum Fälschungsschutz sind eine Herausforderung für jede Apotheke - und ganz besonders für solche, die Kliniken versorgen. (Foto: J. Fälchle / stock.adobe.com)

Die neuen Vorgaben zum Fälschungsschutz sind eine Herausforderung für jede Apotheke - und ganz besonders für solche, die Kliniken versorgen. (Foto: J. Fälchle / stock.adobe.com)


Der Stichtag für die Umsetzung der EU-Vorgaben zum Arzneimittel-Fälschungsschutz rückt näher. Die Stakeholderorganisation Securpharm hat das System zur Echtheitsprüfung von Arzneimitteln in Deutschland aufgebaut – und dieses wird am 9. Februar 2019 auch startklar sein, verspricht Securpharm-Vorstandssprecher Dr. Reinhard Hoferichter. Damit ist allerdings noch nichts darüber gesagt, ob auch alle Hersteller und alle Apotheken bereit sind. Vor allem Apotheken, die Kliniken versorgen, können kaum damit rechnen, dass alles reibungslos laufen wird.

Bei der Jahrestagung des Bundesverbands klinik- und heimversorgender Apotheken (BVKA, künftig Bundesverband der Versorgungsapotheker – BVVA) sorgte Dr. Reinhard Hoferichter in der vergangene Woche für eine gewisse Ernüchterung. Der Sprecher des Vorstandes von Securpharm referierte zum Thema: „Was Sie schon immer über die EU-Fälschungsschutzrichtlinie und deren Umsetzung wissen wollten, sich aber nie zu fragen trauten“. Und es gab so manches, was den Apothekern offensichtlich zuvor nicht klar war.

Hoferichter gab zunächst einen Überblick über den Stand der Dinge in Sachen EU-Fälschungsschutz. Bekanntlich gelten ab 9. Februar 2019 europaweit die neuen Vorschriften zur Verifizierung von Arzneimitteln in der legalen Lieferkette – die entsprechende delegierte Verordnung tritt dann in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt muss jede neu in den Verkehr gebrachte Arzneimittelpackung zwei Sicherheitsmerkmale tragen (betroffen sind grundsätzlich alle verschreibungspflichtigen sowie Omeprazol-Hartkapseln als einziges rezeptfreies Arzneimittel). Das sind ein serialisierter Data Matrix Code und ein Erstöffnungsschutz an der Packung. Beide muss die Apotheke vor der Abgabe an den Patienten prüfen. Läuft alles und ist die Packung in Ordnung, wird sie mittels eines Scans aus den Datenbanken ausgebucht, das individuelle Erkennungsmerkmal wird damit deaktiviert.

Hersteller und Apotheker müssen ihre Hausaufgaben machen

Bereits seit einigen Monaten gibt man sich bei Securpharm optimistisch, dass alle gut vorbereitet sein werden. Deutschland gilt als Musterschüler bei der Umsetzung der EU-Vorgaben. Auch Hoferichter ist überzeugt, dass das von Securpharm entwickelte System mit seinen zwei Datenbanken – eine für Hersteller, eine für Apotheken – rechtzeitig startklar sein wird. Doch vergangene Woche betonte er: Auch die Nutzer müssen ihre Hausaufgaben machen! Das heißt: Jeder Hersteller muss seine Produktion umstellen und die IT-Infrastruktur schaffen, um die Daten – jede einzelne Packung hat künftig einen individuellen Datensatz – in das System einzuspielen. Und auch die Apotheken müssen sich mit dem System verbinden, um die Daten abgleichen zu können. Damit die Apotheken Zugang zum Server bekommen, müssen sie sich legitimieren – dies geschieht über N-Ident. Anmelden müssen sich die Apotheker dafür bei der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA).

Bislang sind die Zahlen zum Status quo nicht sehr beeindruckend. Hierzulande müssen sich 400 Hersteller an das System anbinden, erklärte Hoferichter. Bislang sind es erst gut 100, die einen Vertrag geschlossen haben. Tatsächlich schon Daten ins System geladen haben sogar erst 30 bis 40 Unternehmen. Und von diesen sind wiederum nur sechs oder sieben über den EU-Hub angebunden, also den Router, über den die Daten aus den nationalen Systemen ausgetauscht und für die Echtheitsprüfung in ganz Europa bereitgestellt werden. „Die Hersteller haben also noch eine riesige Aufgabe vor sich“, sagte Hoferichter. Bei den Apotheken sehe es nicht viel besser aus. Im Securpharm-Pilot waren 400 Apotheken angemeldet, aktiv seien jedoch nur rund 100 gewesen. Hoferichter rief alle Apotheken auf, die Vorbereitungsschritte nun möglichst rasch zu gehen, um im dritten Quartal in die praktische Erprobung einzusteigen. Neben dem Legitimationsprozess sind das insbesondere die Ertüchtigung der Betriebssoftware, die Anpassung des QM-Systems, die Schulung der Mitarbeiter und das Einüben der neuen Prozesse im Trainingsmodus. Allerdings ist bislang unklar, wie viele serialisierte Packungen dann tatsächlich schon auf dem Markt sind. Bislang sind von bis 50.000 Produkten (nach PZN) in Deutschland erst rund 4.400 auf Secupharm vorbereitet.

Wie kann das Mengenproblem gelöst werden?

Eine besondere Herausforderung wird der neue Fälschungsschutz jedoch für die Krankenhausapotheken und die krankenhausversorgenden Apotheken. Hoferichter räumte ein, dass ihr spezielles Problem – nämlich die dort zu bewältigenden Arzneimittelmengen – bis Februar 2019 sicher nicht gelöst sein wird. Es könne daher zunächst hinten angestellt werden. Schon seit geraumer Zeit sorgen sich Kliniken und Apotheken, wie sie mit den palettenweise gelieferten Arzneimitteln umgehen sollen. Muss extra jemand eingestellt werden, der den ganzen Tag nur jede einzelne Packung scannt? Für diese spezielle Situation hat der EU-Gesetzgeber keine Lösung parat. Woran das lag? „Die Vertreter der Krankenhäuser haben im Gesetzgebungsprozess tief und fest geschlafen“, sagt Hoferichter. Erst als das Gesetz verabschiedet war, seien sie aufgewacht und hätten festgestellt, dass dieses ihnen gar nicht passt. Doch nun ist es in Kraft – und nur der europäische Gesetzgeber kann es wieder ändern. Die Arbeit wird ohnehin nicht in den Krankenhäusern als solchen, sondern in den Apotheken stattfinden: „Wir gehen davon aus, dass nur Krankenausapotheken und krankenhausversorgende öffentliche Apotheken angebunden werden und dass dort das komplette Programm zum Fälschungsschutz absolviert wird“, so Hoferichter.

Aggregierte Codes oder warenbegleitende Datenlieferung?

Doch welche Lösung gibt es nun für die betroffenen Apotheken? Hoferichter zeigte die verschiedenen Überlegungen auf, die angestellt wurden – zwei davon sind weiterhin im Gespräch. Das eine sind aggregierte Codes, die auf der Palette zu finden sein sollen. Mit einem Scan könnten über einen solchen Code alle Einzelpackungen erfasst werden.  Das andere ist eine warenbegleitende Datenlieferung des Herstellers, in der alle Seriennummern enthalten sind. Beide Möglichkeiten hält die EU-Kommission nach anfänglicher Weigerung mittlerweile für denkbar. In einem Anfang des Jahres vorgelegten Fragen-und-Antworten-Papier erklärte sie, Hersteller und Krankenhäuser könnten diese beiden Wege freiwillig vereinbaren. Mit der Auflage, dass der Datentransfer über einen sicheren Weg erfolgen muss. Doch Hoferichter hatte eine ernüchternde Botschaft: Beide Wege werden bis Februar 2019 nicht gangbar sein. Sie bedeuteten nicht nur erheblichen Aufwand für die Hersteller – auch die Systeme müssten diese Codes verarbeiten können. Diese Zusatzfunktionalität bis zum Stichtag einzurichten, sei nicht möglich. „Wir schaffen es einfach nicht“, sagte Hoferichter – der Pharmazeut ist neben seiner Tätigkeit für Securpharm bei Sanofi angestellt und hat damit durchaus Einblick in die Welt der Hersteller. Die Unternehmen hätte bereits mit ihrem Pflichtprogramm – der Serialisierung und Datenbereitstellung – alle Hände voll zu tun. Komme nun noch die Datenaggregation dazu, bräuchten sie wohl weitere zwei Jahre. Dennoch fände es Hoferichter gut, wenn sich die Marktbeteiligten möglichst schnell auf die Aggregation einigen könnten – er zieht sie der warenbegleitenden Datenlieferung klar vor. Letztere könne zwar individuell zwischen Krankenhausapotheke und Hersteller geregelt werden – als generelle Regelung schließt er sie jedoch aus.

Strafkatalog in Vorbereitung

Unbestritten ist somit bislang nur eines: Jede Apotheke mit Krankenhausversorgung muss sich rechtzeitig an das System anschließen. Sie bezieht auch Ware vom Großhandel, die sie auf jeden Fall auf Einzelpackungsbasis verifizieren muss. Hoferichters Appell: „Nutzen Sie die Möglichkeit die Prozesse unter Real-Life-Bedingungen zu testen, damit Sie sicher sind, dass am 9. Februar 2019 alles funktioniert. Das System ist so komplex, dass man nicht davon ausgehen kann, dass von Anfang an alles fehlerfrei funktioniert.“

Stellt sich noch eine Frage: Was passiert eigentlich, wenn die europäischen Vorgaben nicht zum 9. Februar umgesetzt werden? Stets hieß es, eine Verschiebung des Starts wird es nicht geben – mögen manche Länder noch sehr hinterherhinken. Hoferichter berichtete, dass als „Motivation“ ein Strafkatalog in Vorbereitung sei. Allerdings wisse man noch nichts über seinen Inhalt.

Resümierend räumte Hoferichter ein, dass auch Securpharm sich die Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie einfacher vorgestellt habe. Doch je näher der Stichtag rückt, desto klarer werde den Beteiligten, dass sie bislang offenbar nur die Spitze des Eisbergs gesehen haben. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Kliniken nicht - dort wo es am wichtigsten ist

von ratatosk am 31.01.2019 um 19:05 Uhr

Wurden nicht gerade aus italienischen Kliniken die teueren Medikamente besorgt, werden nicht dort die meisten teuren Mittel verwendet ? aber halt, entweder gehören die Kliniken staatlichen Organen oder schon meist großkapitalistischen Ketten, da ist schon verständlich, warum die Hauptbetroffenen nocht nichts machen und befürchten müssen.

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SecurPharm

von Heiko Barz am 17.06.2018 um 20:18 Uhr

Bei dieser umfangreichen Niederschrift sind zwei Bemerkungen sympathisch für die Deutsche Apothekenlandschaft:
1. Deutschland gilt wie immer als Musterschüler für EU-Gesetze und Vorschriften.
Und 2. der überaus wichtige, natürlich geldbewehrte Strafkatalog!
Wenn es immer heißt: Zuckerbrot und Peitsche, so vermisse ich leidvoll das Zuckerbrot.
Die Pharmazie lebt ausschließlich von und mit der Peitsche!

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