Apothekenkonzern

Walgreens Boots Alliance droht Verlust der Schweizer Steueroase

München - 15.06.2018, 11:10 Uhr

Stefano Pessina und seinem Pharmahandelskonzern Walgreens Boots Alliance droht der Verlust von Steuerprivilegien in der Schweiz. (Foto: Imago)

Stefano Pessina und seinem Pharmahandelskonzern Walgreens Boots Alliance droht der Verlust von Steuerprivilegien in der Schweiz. (Foto: Imago)


Modell der Holdinggesellschaften

Die günstigen Steuersätze basieren bislang auf dem Schweizer Modell der Holding- und Domizilgesellschaften: Demnach profitieren Unternehmen, die in der Schweiz kein oder kaum ein operatives Geschäft betreiben, von besonders tiefen Gewinn- und Kapitalsteuersätzen. Nach Angaben von Steuerexperten wird bei diesem Modell eine Schweizer GmbH oder AG beziehungsweise die Niederlassung einer Auslandsgesellschaft gegründet, die im jeweiligen Kanton lediglich ihren Sitz hat und in der Schweiz nur eine Verwaltungstätigkeit, aber keine oder nur eine geringfügige Geschäftstätigkeit ausübt.

Allerdings wurde diese Steuerpraxis vor rund zwei Jahren angepasst. So sind die Steuererleichterungen seitdem gekoppelt an die Anzahl neuer Arbeitsplätze, die von den Unternehmen geschaffen werden. Zudem gilt die Praxis der „Tax Holidays“ nur für bestimmte Regionen. Nach einer Modellrechnung der Wirtschaftsberatung Deloitte könnte ein ausländisches Unternehmen, das eine Filiale in der Schweiz betreibt und 40 neue Arbeitsplätze schafft, einen üblicherweise zu versteuernden Gewinn von 160 Millionen Franken durch „Tax Holidays“ um über 91 Millionen Franken auf knapp 70 Millionen Franken senken. Das entspräche einer effektiven Steuerquote von lediglich 6,9 Prozent.

Schweiz muss Privilegien für Holdinggesellschaften abbauen

Mit solch traumhaften Niedrigsteuern könnte es in Zukunft vorbei sein. Denn um neuen internationalen Standards zu entsprechen und das Risiko von Sanktionen zu vermeiden, muss die Schweiz bis Ende des Jahres die Steuerprivilegien für ausländische Holdinggesellschaften komplett abschaffen. Laut Swissinfo.ch setzte die Europäische Union die Eidgenossenschaft im vergangenen Dezember auf eine „graue Liste“ von mehr als 20 Ländern, die sich verpflichtet haben, die neuen internationalen Standards zur Unternehmensbesteuerung bis Ende 2018 einzuhalten, aber noch nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen haben. Diese von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeiteten Standards verlangten unter anderem die Abschaffung als „schädlich“ geltender Steuerpraktiken und den Informationsaustausch über Tätigkeiten und Gewinne transnationaler Unternehmen.

Politiker wollen Konzerne im Land halten

Um die ausländischen Holdinggesellschaften angesichts der bevorstehenden Veränderungen im Schweizer Steuersystem weiterhin in der Alpenrepublik zu halten, setzen sich laut „Bund“ nun vor allem bürgerliche Politiker in der Schweiz dafür ein, die generellen Unternehmenssteuern zu senken. Die Diskussionen dürfte auch WBA mit Interesse verfolgen, gibt aber keinen Kommentar dazu ab, wie sich Veränderungen der Unternehmensbesteuerung auf den Konzern auswirken könnten.

Die heutigen Aktivitäten von WBA in der Schweiz gehen auf die britische Apothekenkette Alliance Boots zurück, die in Bern ihren Holdingsitz hatte. Als das Unternehmen 2014 mit dem US-Konzern Walgreens fusionierte, wurde die Schweizer Hauptstadt kurzzeitig sogar als Kandidatin für den Konzernsitz gehandelt, was letztlich aber am Druck aus der US-Politik scheiterte. Nach Medienberichten hätte ein solcher Schritt die amerikanischen Steuerzahler innerhalb von fünf Jahren rund vier Milliarden Dollar an Steuereinnahmen gekostet.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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