Neue Leitlinie 

Ritalin jetzt auch schon bei mittelschwerer ADHS

Berlin / Stuttgart - 22.06.2018, 10:10 Uhr

ADHS: Die Leitlinie sieht nun eine Pharmakotherapie auch bei nicht ganz so schweren Formen vor. (Foto: imago)

ADHS: Die Leitlinie sieht nun eine Pharmakotherapie auch bei nicht ganz so schweren Formen vor. (Foto: imago)


„ADHS-Patienten Medikamente vorzuenthalten ist ein Kunstfehler“

Viele behandelnde Ärzte und Therapeuten halten eine generelle Ablehnung einer medikamentösen Behandlung für falsch. „Ich würde es quasi als Kunstfehler ansehen, ADHS-Patienten Medikamente vorzuenthalten“, sagt etwa Ralph Schliewenz, Diplom-Psychologe aus Soest und Mitglied im Vorstand der Sektion Klinische Psychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP). Allerdings: „Keine Medikation ohne begleitende Psychotherapie“, betont Schliewenz. „Arzneimittel wirken immer nur so lange, wie man sie nimmt. Sie allein können die mit ADHS einhergehenden Probleme nicht beseitigen. Eine Verhaltenstherapie hilft dabei

Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie weist in einer Pressemitteilung darauf hin, dass die Psychoedukation essentieller Bestandteil jedes individuellen Behandlungsplans sein soll. Den Betroffenen und ihren Familien werde dort umfangreiches Wissen und Kompensationsstrategien zur ADHS vermittelt. Eine medikamentöse Behandlung bei moderaten Formen solle abhängig von den Rahmenbedingungen und den Präferenzen der Familie eingesetzt werden. Gegenüber anderen internationalen evidenzbasierten Leitlinien, wie z.B. den NICE-Guidelines aus Großbritannien, sei in der deutschen Leitlinie der Verhaltenstherapie ein höherer Stellenwert eingeräumt und wird für die pharmakologische Behandlung, für welche die beste Evidenz und der stärkste Effekt hinsichtlich der Wirksamkeit existiert, ein im internationalen Vergleich zurückhaltender Einsatz empfohlen, heißt es. 

Was gibt es außer Methylphenidat?

In Deutschland sind derzeit neben Methylphenidat, Lisdexamfetamin Dexamphetamin, Atomoxetin und seit kurzem Guanfacin zugelassen. Letzteres ist ein zentral wirksamer adrenerger α2-Agonist. Es ist ebenso wie Atomoxetin nicht als Betäubungsmittel eingestuft und zählt nicht zu den Stimulanzien. 

Das Nebenwirkungsprofil ist im Vergleich zu Methylphenidat etwas ungünstiger. Bei gewissen Konditionen oder Komorbiditäten kann Guanfacin eine Alternative zu Methylphenidat sein. So kann letzteres beispielweise Tic-Störungen, die gelegentlich als Komorbidität auftreten, verschlechtern. Bei Guanfacin ist das nicht der Fall. Die Stimulantien wirken zudem appetitmindernd – bei untergewichtigen Patienten ist das aber nicht erwünscht – auch die Blutdrucksteigerung ist nicht immer opportun. Allerdings muss man Patienten darauf hinweisen, dass die Wirkung zeitversetzt eintritt – erst nach ein, zwei bis drei Wochen. Das ist schneller als bei Atomoxetin, aber deutlich langsamer als bei Methylphenidat.

Welchen Stellenwert Guanfacin in der neuen Leitlinie hat, lässt sich derzeit noch nicht sagen, weil die vollständige Fassung noch nicht auf den Seiten der AMWF veröffentlicht ist.



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