Wie ein kleines Land im EU-Pharmamarkt mitmischt

Cannabisanbau soll in Malta für Aufschwung sorgen

Remagen - 27.06.2018, 15:50 Uhr

Malta möchte beim Cannabisanbau mitmischen. (Foto: CascadeCreatives/ stock.adobe.com)                                      

Malta möchte beim Cannabisanbau mitmischen. (Foto: CascadeCreatives/ stock.adobe.com)                                      


Die EU-Markt für medizinisches Cannabis wird bis zum Jahr 2020 voraussichtlich 56 Milliarden US-Dollar erreichen, mit Nationen wie Deutschland, Frankreich und Italien als vermutlich größte Verwender. Von diesem Kuchen will der Inselstaat Malta sich ein großes Stück abschneiden und legalisiert deswegen die Produktion entsprechender Produkte im industriellen Maßstab.

Der kleine Inselstaat Malta muss sich schon etwas einfallen lassen, um in Übermacht der internationalen Player ein auskömmliches Plätzchen zu finden. Nun haben die Malteser die Marktnische Medizinalcannabis entdeckt. Darauf machen die Marktbeobachter von „PharmaBoardroom“ aufmerksam. Im März hat das Parlament einem Gesetz für die Produktion von Cannabis für die medizinische Verwendung zugestimmt. Hiernach sollen getrocknetes Cannabis, Cannabis-Öl, Samen und Derivate in industriellem Maßstab legal produziert und verkauft werden. Kurz vorher war in Malta außerdem eine Neuregelung verabschiedet worden, nach der Ärzte Produkte aus Cannabis verschreiben dürfen, solange diese mindestens GMP-zertifiziert sind. Sie müssen über Apotheken abgegeben und dürfen nicht geraucht werden. 

Landwirte sollen Felder an Cannabis-Anbauer verkaufen

„Wir sind dabei, ein umfassendes Regelwerk zur Herstellung sowie zum Vertrieb und Export solcher Produkte zu formulieren und in Kraft zu setzen, da wir ein zunehmendes weltweites Interesse an diesem Segment identifiziert haben“, erklärt der Gesundheitsminister des Landes Chris Fearne. „Wir glauben, dass dies unserer Wirtschaft einen willkommenen Auftrieb und Arbeitsplätze bescheren könnte. Der maltesische Wirtschaftsminister sprach Anfang März von Schätzungen, wonach Medizinalcannabis-Firmen dort bis zu 50 Millionen Euro investieren wollen. Im Zuge dessen könnten in drei Jahren 500 Arbeitsplätze geschaffen werden. Landwirte würden bereits angesprochen, ob sie ihre Felder an angehende Cannabis-Anbauer verkaufen würden, führt Fearne weiter aus. Für manche darbenden Bauern seien solche Angebote ein Rettungsanker.

Die Zukunft der Branche mitgestalten

„Wir haben das Gefühl, jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um Maltas Angebot im Pharmasektor neu zu erfinden“, bekräftigt Claude Farrugia von der Malteser Handelskammer. „Die Produktion von medizinischem Cannabis könnte eine der Lösungen hierfür sein". Farrugia hält Cannabis aber nicht nur für eine neue kommerziell äußerst vielversprechende Nische, sondern auch für ein Eingangstor zur Biotech-Industrie. Die Produktion auf der Mittelmeer-Insel könnte Unternehmen mit einer immensen geografischen Reichweite und technologischer Kompetenz anlocken, die ihr Know-how und ihre Maschinen mitbringen, so die Hoffnung. Damit wäre Malta aber noch lange nicht zufrieden. Der kleine Inselstaat will eine herausragende Rolle bei der Gestaltung der im Entstehen begriffenen Branche spielen. Deshalb wolle man nicht nur die pharmazeutischen Abteilungen von Cannabinoid-Herstellern an Land ziehen, sondern auch deren klinische und Laborforschung, kündigt Fearne an. 

Erster Anbieter ist bereits angelockt 

Die Strategie scheint aufzugehen: Ende Februar hat der kanadische Cannabis-Anbieter Nuuvera mit dem Kauf des maltesischen GMP-Labors ASG Pharma bereits seinen Fuß auf die Insel gesetzt. ASG Pharma soll einer von Nuuvera’s Knotenpunkten für die Produktion und Distribution von Öl-basierten Cannabispräparaten für medizinische Zwecke im aufstrebenden Europäischen Markt werden. „Malta hat eine große Tradition, mutig in neuartige Nischen zu gehen, die konservativere, zögerliche Nationen nicht betreten würden“, analysiert Oliver Borg von der Kanzlei Borg & Schembri Associates. „Ich denke, Cannabinoid-basierte Medikamente passen sehr gut in dieses Paradigma, und die Malteser werden daraus zweifelsohne wie immer einen großen Erfolg machen."

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Auch für Generikahersteller attraktiv

Nach einem früheren Marktbericht von Germany Trade and Invest (GTAI) gehört die maltesische Gesundheitswirtschaft zu den wachsenden Schwerpunktbranchen des Landes. Seit seinem EU-Beitritt im Jahr 2004 gewann Malta auch als Produktionsstandort von Pharmabetrieben, besonders Generikaherstellern, an Bedeutung. Aufgrund seiner Patentgesetze bot das Land gute Voraussetzungen für die Herstellung von Nachahmerpräparaten, und zwar wegen seiner eher großzügigen Auslegung der sogenannten „Bolar-Provision“. Auf Basis dieser Regelung dürfen Pharmaunternehmen alle wichtigen Schritte zur Vorbereitung der Zulassung, darunter die Entwicklung und Prüfung der Arzneimittel sowie die Beantragung aller notwendigen Zulassungsgenehmigungen, vor dem Patentablauf des Konkurrenten durchführen. Damit kann ein Produkt quasi direkt nach Patentablauf auf den Markt gebracht werden. Die Bolar-Provision ist zwar grundsätzlich im EU-Arzneimittelrecht festgeschrieben, aber die praktische Interpretation variiert in den Mitgliedstaaten in der EU.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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