Bellartz-Prozess

Keine Aussetzung, keine Einstellung, keine Abtrennung

Berlin - 10.07.2018, 17:20 Uhr

Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz und Rechtsanwalt Carsten Wegner – der Prozess wegen mutmaßlichen Datenklaus aus dem BMG zieht sich nun bereits über ein halbes Jahr hinweg. (c / Foto: DAZ.online)

Apotheke-Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz und Rechtsanwalt Carsten Wegner – der Prozess wegen mutmaßlichen Datenklaus aus dem BMG zieht sich nun bereits über ein halbes Jahr hinweg. (c / Foto: DAZ.online)


Am heutigen 21. Verhandlungstag im Prozess um den mutmaßlichen „Datenklau“ aus dem Bundesgesundheitsministerium entschied die Strafkammer über noch offene Anträge der Verteidigung: Sie lehnte die Aussetzung des Verfahrens ebenso ab wie seine Einstellung. Zudem will sie das Verfahren gegen Thomas Bellartz nicht von dem des mitangeklagten IT-Spezialisten Christoph H. abtrennen.

Nach fast dreiwöchiger Pause wurde heute am Landgericht Berlin wieder im Strafverfahren gegen den Apotheke-Adhoc-Herausgeber und ehemaligen ABDA-Sprecher Thomas Bellartz und den früher im Bundesgesundheitsministerium (BMG) als Systemadministrator beschäftigten Christoph H. verhandelt. Die beiden sind unter anderem angeklagt, interne E-Mails aus dem BMG „ausgespäht“ zu haben. Abermals wurden keine Zeugen vernommen. Erst beim nächsten Termin, am kommenden Donnerstag, ist erneut der Kriminaloberkommissar geladen, der die polizeilichen Ermittlungen geleitet hat. Er soll ein drittes Mal als Zeuge befragt werden.

Am heutigen Dienstag bekräftigten die Verteidiger ein weiteres Mal ihre Kritik an den Ermittlungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft – und somit auch die Begründung ihrer Anträge auf Aussetzung beziehungsweise Einstellung des Verfahrens. Dafür sorgte auch ein vom Vorsitzenden Richter vorgetragenes Schreiben aus dem IT-Bereich des Landeskriminalamts vom 26. Juni. Der Richter hatte dort am 11. Mai auf Verlangen der Verteidigung nachgehakt, wie das Backup-System beim LKA angelegt ist: Wie lange werden dort E-Mails aufbewahrt? Wie lange ist eine Wiederherstellung gelöschter Mails möglich? Die Antwort: Die maximale Aufbewahrungszeit beträgt 35 Tage, danach wird überschrieben und gelöschte Mails sind nicht zu rekonstruieren. 

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Diese Mitteilung echauffierte die Verteidigung, der es auch um E-Mails ging, die der leitende Ermittler eigenen Angaben zufolge Mitte April gelöscht hatte, weil er sie für nicht relevant hielt. Die Anwälte meinen, das LKA habe die Anfrage bewusst so lange liegen lassen, bis eine Wiederherstellung dieser Mails nicht mehr möglich war. Hätte man sie gleich beantwortet, hätte man elf Tage hierfür Zeit gehabt. „Es wird immer absurder“, erklärte Bellartz´ Verteidiger Carsten Wegner. Er sprach von dem leitenden Ermittler als „Dokumentendompteur“, der alles versuche, dass ihm nichts nachgewiesen werde könne. Auch dessen schriftliche Erklärung gegenüber dem Gericht, dass seiner Kenntnis nach nun alle Zeiträume abgedeckt sind, für die die Verteidigung E-Mails nachgefordert hatte, mag Wegner nicht glauben. 

Staatsanwalt und Gericht: Kein „nicht behebbares Verfahrenshindernis“

Sodann lehnte zunächst die Staatsanwaltschaft die Anträge der Verteidiger auf Aussetzung und Einstellung des Verfahrens ab. Wegner hatte zunächst die Aussetzung beantragt, um Zeit für die Auswertung von mehr als 1000 nachgereichten E-Mails zu gewinnen. H.`s Verteidiger hatten sich dem angeschlossen. Eine Aussetzung bedeutet allerdings, dass der Prozess, so er denn noch weitergeführt werden soll, danach wieder von vorne aufgerollt werden müsste – mitsamt aller Zeugen. H.´s Anwälte wechselten dann zu dem Antrag über, das Verfahren durch Prozessurteil einzustellen – wegen eines „nicht behebbaren Verfahrenshindernisses“. Die Ermittlungsbehörden hätten wichtige Informationen aus der offiziellen Akte ferngehalten – und zwar „systematisch“ und „vorsätzlich“.

Der Staatsanwalt erklärte, dass der Großteil der Dokumente auf die eine oder andere Weise doch in die Ermittlungsakte gelangt sei. Es sei nicht so, dass jedes Dokument, das im Zusammenhang mit einer Ermittlung entstehe, automatisch Gegenstand der Akte werde. Ein so schwerwiegendes Hindernis, das eine Einstellung des Verfahrens rechtfertige – die ohnehin nur Ultima Ratio sei –, könne er nicht erkennen.

Auffällige Emails zwischen LKA-Beamten und Schriftverkehr mit dem BMG

Sodann hatte die Strafkammer das letzte Wort. Und auch sie lehnte die Anträge der Verteidiger ab. In der Begründung dieses Beschlusses räumte der Vorsitzende Richter durchaus ein, dass in der Akte einiges fehlte. Allerdings habe der Kriminaloberkommissar eine CD mit den vermissten E-Mails nachgeliefert und weitere Nachfragen beantwortet. Bei den Dokumenten handele es sich weitgehend um interne Mails zwischen LKA-Beamten sowie von LKA-Beamten mit dem BMG. Einige von ihnen seien durchaus „auffällig“ gewesen. Etwa die Kommunikation zum eingestellten Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt aus dem Kreis der ABDA wegen Untreueverdachts oder die Korrespondenz zwischen dem Polizisten und H.´s Exfrau. Sie hatte die Ermittlungen über Umwege in Gang gebracht und dabei möglicherweise auch einen Sorgerechtsstreit mit ihrem Ex im Sinn gehabt. Doch diese Umstände führten nicht dazu, dass ein schwerwiegendes Verfahrenshindernis vorliege, so der Richter. Es dürfte eher auf „Nachlässigkeit“ beruhen, dass die Akte nicht ganz vollständig war. Im Übrigen ist die Kammer der Meinung, dass die mehr als 1000 nachgereichten E-Mails angesichts der längeren Unterbrechungen in der letzten Zeit durchaus von jenen, die sie für relevant halten, gelesen werden können. Dem Anspruch auf umfängliche Akteneinsicht sei damit genüge getan.

Nicht zuletzt wies das Gericht den bereits im Mai von Wegner gestellten Antrag, das Verfahren gegen Bellartz von dem gegen H. abzutrennen, zurück. Das Gericht ist – anders als der Anwalt – nicht überzeugt, dass das Verfahren gegen Bellartz abschlussreif ist. Vielmehr sei eine weitere Beweiserhebung erforderlich.

Zum Abschluss stellte Wegner noch die Frage in den Raum, aufgrund welches Straftatbestandes nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sein Mandant nun angeklagt werde. In der Anklageschrift wird den Angeklagten eine Verletzung des § 44 BDSG (alt) vorgeworfen – diese Strafnorm gibt es jedoch nicht mehr, seit Ende Mai das geänderte Bundesdatenschutzgesetz in Kraft getreten ist.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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