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Magic Mushrooms
Forscher gewinnen Psilocybin aus Aspergillus-Art
Ein Pilz-Trip gegen psychische Erkrankungen? Neueren Studien zufolge kann das halluzinogene Psilocybin schwere Depressionen lindern. Wissenschaftler der Universität Jena haben nun zwei Verfahren entwickelt, den Pilz-Inhaltsstoff herzustellen. Unter anderem nutzen die Forscher dabei die unerkannten Talente von Schimmelpilzen aus.
Die Gattung Aspergillus kann offenbar mehr, als nur Atemwegserkrankungen auszulösen: Einer Pressemitteilung der Universität Jena zufolge können Schimmelpilze auch Psilocybin synthetisieren. Dieser „Zauberschimmel“ ist ein Gemeinschaftsprojekt vom Institut für Pharmazie der Universität Jena und der Nachwuchsgruppe des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung.
Produktiver Zauberschimmel
Dabei transferierten die Wissenschaftler Magic-Mushroom-Gene auf eine Aspergillus-Art. „Wir haben vier Gene aus dem Pilz Psilocybe cubensis, also einem Magic Mushroom, extrahiert und in den Schimmelpilz Aspergillus nidulans verpflanzt, der wissenschaftlich bereits sehr gut untersucht und gentechnisch leicht handhabbar ist. Dann haben wir überprüft, ob er beginnt, den Wirkstoff ebenfalls herzustellen“, erklärte Professor Dirk Hoffmeister von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Von der Produktivität des „Zauberschimmels“ waren selbst die Wissenschaftler überrascht: „Die Ausbeuten sind erfreulich hoch. Ein Vorteil des Verfahrens ist daher die gute Skalierbarkeit, auch wenn wir für die Zukunft an große Mengen denken.“ Die Ergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe des Journals „Metabolic Engineering“ publiziert.
Von Psilocybe-Pilzen lernen
Die Jenaer Wissenschaftler haben sogar noch eine weitere Herstellungsmethode entwickelt: Dabei handelt es sich um ein biokatalytisches Verfahren, das im Reagenzglas die Biosynthese in Psilocybe-Pilzen imitiert. „Durch die Einbindung eines Derivats der Aminosäure Tryptophan zu Beginn der ablaufenden chemischen Reaktionen konnten wir die Synthese deutlich verbessern. Dabei haben wir in vitro die gleichen Enzyme genutzt, die der Pilz auch natürlicherweise verwendet.“ Das Verfahren, das sowohl kostengünstig als auch einfach in der Umsetzung ist, publizierten Hoffmeister und drei Fachkollegen im Magazin „Chemistry“.
Pilze mit Retardeffekt
Die Wissenschaftler aus Jena legen mit ihren Herstellungsverfahren einen Grundstein für die Entwicklung eines Arzneimittel auf Psilocybinbasis. Möglicherweise könnte in Zukunft Interesse an einem Pilz-Medikament bestehen, weil in den letzten Jahren mehrere Untersuchungen bei Depressionen publiziert wurden, die einen positiven Effekt zeigen.
Zwei kleinere, 2016 veröffentlichte Studien (Ross, New York University und Griffiths, Johns Hopkins University) weisen zudem auf anxiolytische Effekte hin. So beobachtete die Forschergruppe um Griffiths die Wirkung von Psilocybin bei 51 Krebspatienten mit depressiver Symptomatik und Angststörungen. Bei 80 Prozent der Patienten besserten sich Wohlbefinden und Lebensqualität. Die Wirkung hält teilweise noch sechs Monate nach der letzten Dosis an, was nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht zu erklären ist.
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Weitere Untersuchungen bei Depressionen sowie in der Suchtmedizin oder gegen Zwangserkrankungen laufen. Noch scheint kein Sponsor aus der Pharmaindustrie das Potenzial des Naturstoffes erkannt zu haben, denn die klinischen Studien werden bisher von Universitäten und Forschungsinstituten durchgeführt.
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